Bochum. . Seit Samstagnacht wird die libysche Hauptstadt Tripolis bombardiert. Die Bochumer Professorin Renate Eisel (61) bleibt trotz ihrer Angst in der Stadt. Das Angebot, wie die meisten Deutschen ausgeflogen zu werden, hat sie abgelehnt.
Seit Samstagnacht fallen Bomben auf Tripolis. Mitten im Zentrum der libyschen Hauptstadt wohnt die Bochumerin Renate Eisel (61), einst AStA-Vorsitzende der Bochumer Ruhr-Universität, allein in ihrer Wohnung. „Letzte Nacht“, schilderte sie am Mittwochmittag der WAZ am Telefon, „da wurde der Hafen bombardiert, der ist nur 500 Meter von meiner Wohnung entfernt.“ Doch trotz des Bürgerkriegs hat sich die Professorin entschlossen, in Tripolis zu bleiben.
Dabei hätte sie „furchtbare Angst“ in der ersten Bombennacht bekommen. „Nach zehn Minuten war es vorbei. Da bin ich auf den Balkon gegangen wie andere Nachbarn auch. Da haben wir uns gegenseitig getröstet.“ Die meisten Deutschen in Tripolis seien ausgeflogen worden: „Die deutsche Botschaft hat Druck ausgeübt.“ Sie selbst habe das Angebot abgelehnt.
Tagsüber ist es friedlich
Die Bomben fallen nur nachts. Ab 20 Uhr. „Der längste Angriff hat zwanzig Minuten gedauert, der kürzeste drei Minuten“, hat sie registriert. Doch tagsüber sei alles anders, friedlich: „Da versuchen wir ein normales Leben zu führen, gehen ins Café und genießen die Frühlingssonne.“
Mit Libyen ist Renate Eisel auf besondere Weise verbandelt. Für das Goethe-Institut hatte sie im Herbst 2008 Jahren in Tripolis ein Sprachlernzentrum aufgebaut: „Das ist keine Schule. 90 Prozent unserer Klientel sind Ärzte, die anschließend in Deutschland eine Fachausbildung machen wollen. Wir schreiben schwarze Zahlen.“
Institut geschlossen
Doch wegen des Bürgerkriegs ist ihr Institut geschlossen, seit vier Wochen. „Da begannen die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Stadt.“ Sieben ihrer acht Lehrerinnen sind in die Heimat geflogen, nur Sabine aus Baden-Württemberg sei geblieben. Wie Renate Eisel.
In Bochum, da hatte sie an der Ruhr-Uni Geschichte und Politik studiert. Der Eisel-Zimmermann-Clan war Ende der 60er Jahre eine feste Größe der linken Studentenbewegung, auch optisch. Ihre beiden Brüder, die Zwillinge Erich und Lutz, haben inzwischen schon lange ihre Kanzleien als Anwälte und Notare in Bochum.
"Orden aus reinem Gold"
In den 80er Jahren erkundete Renate Eisel arabische Länder und studierte erneut an der Ruhr-Universität, diesmal Arabisch und Orientalistik. Als Autorin setzte sie sich intensiv mit arabischen Themen auseinander.
Als der libysche Herrscher Gaddafi seinen „20. Jahrestag der großen Revolution“ feiert, wird sie nach Tripolis eingeladen. „Orden aus reinem Gold“ habe sie erhalten, schrieb ihr früherer Mann, der bekannte Schauspieler und geläuterte Ex-RAF-Terrorist Christoph Wackernagel, in seinem Buch „Gadhafi lässt bitten“.
NATO greift Libyen an
Internet abgeschaltet
„Quatsch“, lacht sie dazu. „Ich habe Gaddafi die Hand gegeben.“ Drei Jahre lang, bis 2001, hatte sie eine Professur an der Al-Fateh Universität in Tripolis. Letzte Nacht habe sie sich gefühlt wie zwischen Skylla und Charybdis, die Meeresungeheuer aus der griechischen Mythologie. Denn die Kaserne, die bombardiert wurde, sei nur drei Kilometer von ihrer Wohnung entfernt und der Hafen, auf den Bomben fielen, sogar nur 500 Meter.
Ein Foto, bedauert sie, könne sie leider nicht mailen. „Das Internet ist seit drei Wochen abgeschaltet.“ Dann macht sie sich auf den Weg, um einkaufen zu gehen.
Was kommt heute auf den Tisch? „Römischer Salat mit Schafskäse.“