Washington. . Der Westen weiß nicht, wen er eigentlich mit den Militäraktionen in Libyen unterstützt. Das Spektrum der Kämpfer reicht von Demokraten über Stammesmitglieder bis zu radikalen Islamisten.

Wer sind die Rebellen in Libyen? „Es könnte eine große Überraschung geben, wenn Gaddafi weg ist und wir herausfinden, mit wem wir uns eingelassen haben.“ Auch Paul Sullivan, Politikwissenschaftler und Libyen-Experte an der Washingtoner Georgetown Universität, hat noch kein klares Bild von den Aufständischen, die Gaddafi stürzen wollen.

Ob in Libyen eine demokratisch gesinnte Opposition einen verhassten Diktator niederringen will oder rivalisierende Stämme gewaltsam um die Macht ringen, ist längst nicht ausgemacht. Das Bild, wer sich hinter der libyschen Opposition eigentlich verbirgt, ist diffus. Die Köpfe der Bengasi-Regierung bestehen zwar aus Anwälten, Akademikern oder Geschäftsleuten, die Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaat das Wort reden. Doch wie weit die Bekenntnisse tragen, wird sich spätestens dann zeigen, wenn ertappten Spionen und Gefolgsleuten Gaddafis der Prozess gemacht wird.

Kultur der Gewalt

Die Annahme dürfte freilich naiv sein, Gaddafis Gegner würden allein aus noblen Freiheitskämpfern bestehen. Dafür ist Libyens Geschichte viel zu sehr von einer Kultur der Gewalt geprägt. Gaddafi selbst hat sich die kriegerischen Traditionen der Stämme im Verlauf seiner jahrzehntelangen Herrschaft, etwa an der Grenze zum Tschad, immer wieder zunutze gemacht.

Eine Rebellenarmee, die mit Waffen in den Händen Richtung Westen vorrückte, ehe sie wiederum gewaltsam zurück gedrängt wurde – das stand von vorneherein in scharfem Kontrast zu den beeindruckend friedlichen Demonstrationen von Tunis und Kairo.

Rivalität zwischen Osten und Westen

Die Rivalität zwischen Libyens Westen und Osten, zwischen Tripolis und Bengasi, die Animositäten der Stämme haben tatsächlich viel zu tun mit dem Ausbruch des libyschen Aufstands. Die östliche Region um Bengasi genoss die Gunst des Königs, den Gaddafi 1969 vom Thron putschte. Gaddafis Macht stützt sich bis heute auf die Gunst der westlichen und zentral libyschen Regionen.

Die meisten Köpfe der libyschen Opposition, darunter der frühere Innenminister Abdul Fattah, stammen aus dem Osten. Dort wiederum kämpfen bereits seit vielen Jahren islamistische Gruppen gegen das Gaddafi-Regime. Mehrere Aufstände ließ Gaddafi bereits brutal niederschlagen, ohne dass dies die Welt sonderlich bekümmerte.

„Viele Amerikaner töten“

Gegen Gaddafi, aber offenbar auch gegen Amerika – das Terrorismus-Abwehrzentrum der Militärakademie West Point kam 2007 nach der Auswertung zahlreicher Dokumente, die Aufschluss über die Herkunftsländer von El Kaida-Terroristen im Irak gaben, zu folgendem Schluss: Die meisten stammten aus Saudi-Arabien, der Heimat bin Ladens, gefolgt von Libyen und dabei insbesondere aus dem Ostteil des Landes. Gemessen wiederum an der Bevölkerungszahl „wollten Libyer im Irak so viele Amerikaner wie möglich töten“, fasste der US-Terrorexperte Andrew Exum die Ergebnisse der Studie zusammen.

Flaues Gefühl

Das wirft einen Schatten, selbst wenn man sich vor vorschnellen Schlüssen hüten soll. Derzeit werden solche Fragen in den USA bislang eher nachrangig diskutiert. Offiziell ist die „Koalition der Willigen“ nicht Kriegspartei. Vorrangig geht es darum, die Zivilbevölkerung im libyschen Osten vor der Rache Gaddafis zu schützen. Dabei sieht die Uno-Resolution durchaus vor, die Rebellen auch mit Waffen zu unterstützen.

Mancher in den USA hat dabei inzwischen ein flaues Gefühl. Denn faktisch kämpfen die USA längst an der Seite der Rebellen ohne Gesicht. Auch von Obama fehlt bislang jedes klare Wort, auf wen Amerika für die Zeit nach Gaddafi eigentlich setzt. Fragen dazu ließ Obama bislang einfach unbeantwortet.