Bochum. . Patienten und Mitarbeiter des LWL-Univeritätsklinikums Bochum haben in Kooperation mit dem Schauspielhaus ein Theaterstück erarbeitet: “Verrückt“ zeigt der negativen Konnotation von Verrücktsein die kalte Schulter - und ist fast ausverkauft.

„Verrückt - das kommt von ver-rücken“. Das geht mit schweren Möbeln, und mit ganz viel Kraft auch bei Waschmaschinen. Aber mit menschlichen Köpfen? Dieser Frage gingen Patienten und Mitarbeiter des LWL-Universitätsklinikums für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin in dem selbst erarbeiteten Stück „Verrückt“ auf den Grund.

Als Kooperation zwischen Uni-Klinikum und Schauspielhaus setzte sich der „Club in der Psychiatrie“ unter Leitung von Theaterpädagogin Sandra Anklam vier Monate lang mit dem Verrücktsein zwischen Krankheitssymptom und Stigma auseinander.

Offensiver und produktiver Umgang

„Wir haben doch eh’ den Behindertenbonus“ - diese Aussage einer Schauspielerin aus dem ersten Schauspiel-Projekt mit psychisch Erkrankten ließ Sandra Anklam die Idee von Patienten auf der Bühne erneut reflektieren: „Warum wollen sich Leute so ein Stück eigentlich angucken?“ Der offensichtliche Schauwert sollte im nächsten Projekt nun nicht mehr Hintergrundkonstante, sondern die eigentliche Herausforderung sein: „Wir wollten einen offensiven und produktiven Umgang mit dem Etikett des Verrückt-Seins“. Begleitet von Klinikseelsorger Thomas Klare und Ärztin Ida Sybille Haußleiter meldeten sich zehn theaterinteressierte Patienten und brachten in vier Monaten ihre Depressionen, Psychosen oder Suchterkrankungen, aber vor allem sich selbst und ihre Sicht auf „Ver-rückt“-Sein auf die Bühne.

„Das ging richtig an die Substanz“

Keine einfache, aber intensive Zeit für alle Beteiligte: „In der Therapie ist man eher mit sich selbst konfrontiert, in einer Theatergruppe kommen elf Weitere mit ihren Problemen dazu“, erzählt René Grüning, und Johanna Nitz bestätigt: „Was sich zuerst wie Schultheater anfühlte, ging bald richtig an die Substanz.“

Doch dabei ging es nicht nur darum, sich der eigenen Krankheit zu stellen, sondern auch darum, die Vorstellungen von Normalität unter die Lupe zu nehmen. „Wie alle anderen sein zu wollen - das ist für mich eine Krankheit. Davon bekommt man Psychosen“, heißt es in dem Stück, und so spielen die Schauspieler mit der Idee von Geradlinigkeit und Daneben-liegen und setzten so neue Trennstriche.

Was ist schon normal?

Psycho-Tests, verrückte Möbel und verschiedenfarbige Socken: mit autobiografischen Textelementen hat der „Club in der Psychiatrie“ ein im Sinne des Wortes schräges Stück voller Macken und Meisen auf die Beine gestellt, das der negativen Konnotation von Verrücktsein die kalte Schulter zeigt: Verrückt sein, das ist selber ver-rücken. Und zwar festgefahrene Vorstellungen und die Grenzen von Vorstellungskraft. „Auch wenn es nicht intendiert ist: Theater hat heilende Aspekte“, so Sandra Anklam.

Nach anstrengender Probezeit gab es am Mittwoch die Premiere. Dabei gab es vor jeder Probe Sprech- und Stimmübungen, für die Schauspieler nach vier Monaten längst Routine: Unsinnige Sätze, alberne Laute, übertriebene Mundbewegungen. Das sieht verrückt aus, doch für den „Club in der Psychiatrie“ ist es inzwischen gängige Probenpraxis. Denn: Was ist schon normal?

Die Aufführungen am 27. Januar, 3. und 4. Februar sind ausverkauft. Karten gibt es nur noch für die letzte Aufführung am 9. Februar in der LWL-Klinik Alexandrinenstraße ab 18 Uhr an der Abendkasse.