Bochum. .
Regelmäßig finden Gottesdienste für anonym bestattete Verstorbene statt. Pro Jahr werden rund 200 Bochumer auf Kosten der Stadt eingeäschert. Manchmal sind ihre Lebensgeschichten ganz anders als erwartet.
Dass jeder Verstorbene seine ganz individuelle Lebensgeschichte hat, zeigte die Recherche zu diesem Artikel. Regelmäßig finden Gedenkgottesdienste für „Unbedachte“ statt. Manchmal sind diese Geschichten ganz anders als erwartet – siehe unten.
Seit zwei Jahren finden mehrmals im Jahr solche Gottesdienste jeweils wechselnd in der Propsteikirche St. Peter und Paul sowie der Ev. Pauluskirche statt. Es sind rund 200 Männer und Frauen, die Jahr für Jahr auf Kosten der Stadt eingeäschert und die Urnen anonym auf einem Gräberfeld des Hauptfriedhofes am Freigrafendamm bestattet werden.
An diesem Dienstag sind es 30 Namen, die verlesen werden und für jeden Verstorbenen leuchtet eine Kerze, symbolisch entzündet an der Osterkerze, dem Symbol für die Auferstehung. Gemeinsam gestalten der Pfarrer i.R. Horst Grabski und der katholische Jugendseelsorger Matthias Feldmann den Gottesdienst. Voll wie sonst nur selten ist es in der Pauluskirche.
Anrührende und erschreckende Geschichten
Vielen Besucher fühlen sich sichtlich unwohl zwischen den Kirchenbänken, ihre Armut knistert und raschelt. Es sind die Plastiktüten der Obdachlosen, die einfache, oft zerrissene Kleidung. Gleich daneben der dunkle Mantel eines offenkundig wohl situierten Bürgers.
„Es ist gut, dass sie alle hier sind, dass diese Menschen nicht unbedacht bleiben“, sagt Matthias Feldmann. Die Namen werden verlesen, mit Altersangabe, ein Licht für jeden, auch für den unbekannten männlichen Toten, der eine ganz eigene Geschichte hat.
Für Dr. Heide Ott, Leiterin des Sozialamtes, ist dieser Gottesdienst etwas Besonderes. Wenn sie es eben ermöglichen kann, nimmt sie teil. Es sind persönliche Geschichten, die verknüpft sind mit diesem Ereignis, anrührend und erschreckend gleichermaßen.
Da sind etliche Fälle von Angehörigen, die sich sträuben, die Kosten zu übernehmen für die Bestattung. Sie wollen mit dem Verstorbenen nichts mehr zu tun haben. Es gibt aber auch das Beispiel der Tochter, die erfuhr, dass der Vater gestorben ist. Sie hatte lange keinen Kontakt mehr.
Und viele kommen später in die Kirche -- zerstritten oder nicht – um Abschied zu nehmen. Still und anonym.
„Unbekannter Toter“ war ein Bankräuber, der sich selbst erschoss
Bei dem „unbekannten Toten“, den die Gläubigen am Dienstag beim Gedenkgottesdienst für Verstorbene, die ohne Trauerfeier bestattet worden sind, in ihre Gebete einschlossen, handelt es sich um einen Bankräuber, der sich selbst das Leben nahm.
Fest steht, dass der Mann am 7. September dieses Jahres in Lippstadt-Eickelborn die Filiale der Volksbank in Benninghausen überfallen hatte. Der mit einer Sturmhaube maskierte und und bewaffnete Räuber zwang eine 42-jährige Angestellte den Tresor zu öffnen und ihm das Bargeld zu übergeben. Danach fesselte er die Frau mit Klebeband an Händen und Füßen und ließ sie im Tresorraum zurück. Doch er kam nicht weit. Wenige Meter von der Bank entfernt stellte ihn die Polizei. Die Beamten kreisten ihn ein. Als er keine Chance für eine weitere Flucht mehr sah, richtete er die Waffe gegen sich selbst und gab mehrere Schüsse ab.
Mit einem Rettungshubschrauber wurde der lebensgefährlich Verletzte in ein Bochumer Unfallkrankenhaus gebracht, wo er zwei Tage später seinen schweren Schussverletzungen erlag. Die Polizei ermittelte, dass es sich bei dem Toten mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen 38-jährigen Polen handelte, der unter etlichen Alias-Namen Banküberfälle begangen hatte. In Polen soll er in Haft gewesen sein, auch für die deutsche Polizei war er kein Unbekannter. Da seine Identität bis heute nicht zweifelsfrei feststeht, wird er als unbekannter Toter geführt und ist anonym eingeäschert worden. Die Urne wurde auf dem Hauptfriedhof bestattet.