Essen. Am Montag, an Allerseelen, gedenken die Gläubigen der Verstorbenen. Die Krematorien liefern sich einen Konkurrenzkampf
Das Geschäft mit dem Tod lohnt sich nicht mehr. Zumindest nicht mehr für alle. „Der Markt für Krematorien ist kaputt”, sagt Klaus-Peter Grütz. Seit das Bestattungsgesetz in NRW auch privaten Anbietern die Kremierung erlaubt, ist ein harter Konkurrenzkampf entflammt.
Grütz, Verwaltungsleiter bei der städtischen Grün und Gruga in Essen und verantwortlich für das kommunale Krematorium am Steeler Hellweg, blickt auf drei verlustreiche Jahre. Zwischen 2006 und 2008 hat die Einäscherungsanlage 2,6 Millionen Euro Miese gemacht, nach den ersten drei Quartalen dieses Jahres fehlen bereits 860 000 Euro in der Kasse. Knapp 6000 Tote werden jährlich am Hellweg eingeäschert, die Kapazität ist aber auf 11 000 ausgelegt.
Zu viele Krematorien
Der Grund für die Entwicklung: Während die Zahl der Sterbefälle in den vergangenen Jahren in Deutschland konstant geblieben ist – 844 439 waren es 2008 –, steigt die Zahl derjenigen, die sich um die Leichen kümmern. „Es gibt ein Überangebot an Krematorien, das ist ein regelrechter Markt”, sagt Grütz. Und das, obwohl immer mehr Angehörige ihre Verstorbenen einäschern lassen. In Essen liegt der Urnenanteil derzeit bei 65 Prozent, im Jahr 1982 waren es 20 Prozent. Die Feuerbestattung wird zunehmend beliebter, weil sie billiger ist als die Erdbestattung. Seit vor ein paar Jahren das Sterbegeld der gesetzlichen Krankenkassen wegfiel, boomt die Krematorien-Branche. Hinzu kommt, dass die Pflege eines Urnengrabs langfristig weniger aufwändig und damit günstiger ist als ein klassisches Grab.
Exakt 134 Krematorien gibt es in Deutschland laut Bundesverband Deutscher Bestatter. 17 davon befinden sich in an Rhein und Ruhr – neun kommunale und immerhin acht private. „Das ist eine Überkapazität von 30 bis 40 Prozent”, drückt Grütz sein betriebswirtschaftliches Dilemma aus. Erschwerend komme hinzu, dass die kommunalen Anlagen der städtischen Gebührenordnung verpflichtet seien.
Prämie für Leichen
Im Wettbewerb um die Toten kämpfen städtische wie private Unternehmen sogar mit Prämien. „Private Krematorien bieten den Bestattern dreistellige Provisionen, gestaffelt nach der Anzahl der Leichen. Bar auf die Hand.” Auch das Essener Krematorium zahle seit Juni 2007 eine Aufwandsentschädigung von 30 Euro für jede eingelieferte Leiche. Zudem soll ein schneller Service die Kunden locken: „Wer möchte, kann innerhalb von 24 Stunden die Urne haben.”
Rund 200 Beerdigungsinstitute aus Essen und Umgebung zählen zum festen Kundenstamm von Grün und Gruga. Sorgen macht den Krematorien im Ruhrgebiet – auch in Duisburg, Dortmund, Bochum und Wuppertal stehen welche – die Konkurrenz in Venlo und Koblenz. Täglich rollen Sammeltransporte zu den dort ansässigen Discountern. Hauptsache günstig: Kleinlieferwagen, neutral lackiert, transportieren sechs bis sieben Tote.
Rund 16 000 Einäscherungen führt etwa das Koblenzer Krematorium jährlich durch, mehr als 50 am Tag.
Urne auf dem Kaminsims
Auch Holland ist bei den Deutschen in punkto Einäscherung beliebt, denn im Nachbarland besteht keine Friedhofspflicht. Heißt, wer einen Angehörigen dort einäschert, bekommt die Urne nach einer 30-tägigen Frist ausgehändigt und kann sie sich – theoretisch – im heimischen Wohnzimmer auf den Kaminsims stellen. Eine Grauzone im Gesetz: Erlaubt ist das eigentlich nicht, wer aber sollte das kontrollieren? Einige Bestatter haben diese Marktlücke erkannt. So bietet der Leverkusener Hans-Joachim Friedrich Informationsfahrten zu Krematorien in Holland an: 15 Euro inklusive anschließendem Besuch des Blumen- oder Weihnachtsmarktes.
Grütz kann sich auch in Essen an andere Zeiten erinnern. „Früher hatten wir Engpässe. Manchmal standen die Särge 14 Tage hier, unsere Mitarbeiter arbeiteten rund um die Uhr.” 2005 wurde deshalb für 1,6 Millionen Euro ein dritter Ofen gebaut. Bislang hat sich diese Investition nicht rentiert. „Wir müssen sehen, wo wir das Geld herkriegen. Wenn die Öfen nicht ausgelastet sind, müssen wir die Gebühren erhöhen.” Derzeit koste die Kremierung in Essen 276 Euro inklusive Mehrwertsteuer.
Für 500 Euro begraben
Für diejenigen, die wenig Geld haben oder wenig ausgeben wollen, hat das Essener Krematorium, an das der Friedhof direkt angeschlossen ist, eine Beerdigungs-Pauschale eingerichtet. Auf die Einäscherung folgt eine anonyme Bestattung. „Es besteht nicht mal die Möglichkeit, Blumen abzulegen. Wir mussten das anbieten, weil der Markt es nachgefragt hat”, sagt Grütz, dem dieser Umgang mit den Toten sichtlich nicht behagt. Kostenpunkt: 500 Euro. Immerhin 800 Euro weniger als eine normale Urnen-Bestattung kostet. Eine Erdbestattung schlägt mit rund 2100 Euro zu Buche, den Sarg nicht mitgerechnet.