Bochum. Nach dem Aus für den Bochumer Handy-Standort startet ein Nachfolge-Unternehmen erfolgreich durch. Novero produziert Freisprechanlagen und Navigationsgeräte - und schreibt wohl schwarze Zahlen.

Ganz oben auf der Besucherkarte, die jeder Gast ausfüllen muss, steht immer noch Nokia. Auch an dem Gebäude in Bochum-Riemke prangt weiterhin der Name des finnischen Handykonzerns. Doch im Foyer gehört das kühle Blau von Nokia der Vergangenheit an. Hier flimmert auf drei Bildschirmen die Präsentation eines Unternehmens, das sich Novero nennt. Die Erkennungsfarbe ist ein Rot-Ton, der „Pantone 206” heißt.

„Irgendwann wird auch das Schild abgehängt”, sagt Razvan Olosu, der Chef von Novero. „Aber was in unseren Köpfen und Herzen steckt, ist sowieso wichtiger.” Olosu versprüht unbändigen Optimismus. Schon in seinen zwölf Jahren bei Nokia hat der Manager mit rumänischen Wurzeln und deutschem Pass eine steile Karriere gemacht. Zuletzt war er als Geschäftsführer verantwortlich für das Deutschland-Geschäft des finnischen Mobilfunkriesen.

1600 Seiten schwerer Kaufvertrag

Kurz bevor Nokia die Schließung des Bochumer Werks bekannt gab, kündigte Olosu auf eigenes Risiko. Er wollte mit seinem bisherigen Arbeitgeber über einen Verkauf der deutschen Firmensparte verhandeln, die Freisprechanlagen und Navigationsgeräte für die Automobilindustrie herstellt. „Das war eine einmalige Chance, sich selber zu beweisen”, sagt der 49-Jährige heute. Olosu organisierte Geldgeber, entwickelte einen Geschäftsplan. Und nach wochenlangen Verhandlungen erzielte er schließlich eine Einigung mit Nokia. 1600 Seiten schwer war der Kaufvertrag.

Wie ein Triebwerkwechsel während eines Fluges

Vor gut einem Jahr begann der Neustart. 250 Mitarbeiter übernahm Olosu direkt, er benannte das Unternehmen in Novero um, überzeugte große Kunden wie VW und Ford. Wie „ein Triebwerkwechsel in einem Jet in 10.000 Metern Höhe” sei der Übergang gewesen. Mittlerweile beschäftigt der ehemalige Nokia-Betrieb rund 400 Mitarbeiter – mehr als jeden zweiten davon in Bochum. „500 werden es bis Mitte nächsten Jahres sein, dessen bin ich mir sicher”, so Olosu.

Europäischer Exklusivlieferant von VW und Ford

Jede Freisprechanlage, die sich in Europa in Autos von VW oder Ford befindet, wurde von Novero produziert. Das Unternehmen beliefert auch den Ex-Mutterkonzern Nokia mit Automobilzubehör („Car Kits”). Derzeit erschließt sich Novero ein weiteres Geschäftsfeld: Moderne Freisprechanlagen („Bluetooth Headset”) sind bereits beim globalen Internethändler Amazon erhältlich. Künftig will Novero das Modell „The First One” auch über den Einzelhandel anbieten.

Trotz der Wirtschaftskrise und hoher Investitionen sei Novero solide finanziert und schreibe bei einem dreistelligen Millionenumsatz schwarze Zahlen, berichtet Olosu. „Dabei haben wir keinen Cent vom Staat erhalten.”

Keine Massenprodukte

Es sind keine Massenprodukte, die Novero herstellt, sondern anspruchsvolle Geräte. Auch die individuellen Bedürfnisse der Großkunden VW und Ford erklären, warum Novero am Standort Deutschland erfolgreich wirtschaften kann. In Bochum befinden sich aufwändige Labore, in denen die Multimedia-Geräte für die Autoindustrie Belastungstests bestehen müssen.

Die Handy-Industrie habe sich praktisch komplett aus Deutschland zurückgezogen, erzählt Olosu bei einem Rundgang durch die Bochumer Werkshallen. Wo früher Nokia-Geräte produziert wurden, werden nun Mobilfunkbauteile für die Autoindustrie hergestellt. „Dieses Produkt geht an VW”, sagt Olosu und zeigt auf eine schwarze, flache Box. Damit sei Bochum der einzige Standort in Deutschland, an dem noch Handytechnologie produziert wird.

So wie Klimaanlagen, ABS oder Airbags mehr und mehr zur Standardausrüstung von Neuwagen gehören, erwartet Olosu einen ähnlichen Trend bei der Multimedia-Ausstattung. „Das ist eine unaufhaltsame Entwicklung”, sagt er. „Ich glaube, dass wir eine sehr gute Zukunft haben werden.”