Bochum. .

Nach dem schweren Unfall eines Bogestra-Busses in Langendreer dringen immer neue Anschuldigungen ans Tageslicht. Fahrer sprechen von deutlich höherem Krankenstand. Ein Gewerkschafter fordert die Kritiker auf, endlich aus der Deckung zu kommen.

Immer neue Anschuldigungen, immer mehr Details dringen aus dem offenkundigen Dickicht des Nahverkehrs-Kolosses Bogestra ans Tageslicht. Kenner dieser Binnenstruktur ziehen die Ausführungen von Vorstand Dr. Burkhard Rüberg stark in Zweifel. Dieser hatte einen Krankenstand von etwa 10 Prozent im „Fahrerlager“ eingeräumt. Jetzt wird behauptet, dass der Krankenstand oft bei rund 15 Prozent liege. Die Dienstpläne kalkulierten jedoch nur Ausfälle durch Krankheit in Höhe von sieben Prozent ein. Das mache bei „nur“ zehn Prozent erkrankter Fahrer schon eine erforderliche Mehrarbeit von drei Prozent aus.

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Ein Fahrer schrieb verzweifelt dieser Zeitung: „Nach sechs durchgehenden Diensten, wird man am siebten Tag aufgefordert, auch an diesem eigentlich freien Tag zu arbeiten (wenn nicht, gibt es einen Vermerk: Dienst am freien Tag abgelehnt)“. Dies führe zu weit über 10 000 Guthabenstunden der Mitarbeiter pro Betrieb, hinzu kämen die bereits bezahlten Stunden.

Während der Umstrukturierung einiges abverlangt

Dass das Thema Krankenstand offenbar ein Knackpunkt ist, bemerkte auch der Aufsichtsrat. Mitglied Heinz-Dieter Fleskes (SPD): „Wir haben darüber gesprochen. Es sollen die Ursachen des hohen Krankenstandes ermittelt werden.“ Er habe den Eindruck, dass den Mitarbeitern in dieser Zeit der Umstrukturierung einiges abverlangt werde, das bis an die Grenze gehe. „Generell glaube ich jedoch, dass es eine recht gute Arbeitsatmosphäre gibt.“

Bei der Gewerkschaft Verdi ist Jürgen Schirmer-Beisenkamp der zuständige Mann für die Bogestra. Er sitzt ebenfalls im Aufsichtsrat. Die mittlerweile vom Bus-Unfall in Langendreer völlig abgekoppelte Debatte um den Arbeitsalltag vor allem der rund 720 Busfahrer und -fahrerinnen verfolgt er aufmerksam. „Es gab aber in der Woche vor dem Unfall eine Betriebsversammlung, wo niemand das Wort ergriffen und sich über die Situation beklagt hat.“

Er bietet Mitarbeitern, die sich überlastet fühlten, an, sich direkt an ihn oder auch jedes Betriebsratsmitglied zu wenden. „Wir sichern da absolute Vertraulichkeit zu, dazu sind wir sogar verpflichtet“, so Schirmer-Beisenkamp. Gleichzeitig sieht der Gewerkschafter sehr wohl die Folgen der Arbeitsverdichtung, eine Konsequenz des Restrukturierungsprozesses, der einen Personalabbau und eine Neufassung der Tarife, Stichwort Spartentarifvertrag nach sich gezogen habe. Auf der nächsten Betriebsversammlung erwartet er eine offene Diskussion über die Situation.

Beispielhaft für den gesamten Verkehrsverbund

Weniger offen scheint das Unternehmen mit konkreten Bedürfnissen seiner Beschäftigten umzugehen. So habe jemand im Pausenraum einen Aushang angeheftet, wo es um gesundheitliche Probleme von Fahrern auf der neuen Vario-Bahn gegangen sei. Wohl ein Thema, das vielen auf den Nägeln brennt, denn binnen drei Tagen hätten sich 15 andere Fahrerinnen und Fahrer eingetragen. Der Betrieb, so erfuhr die WAZ, habe den Aushang ohne weitere Beachtung wieder eingezogen.

Verkehrsplaner Dieter Töpfer, der für die Stadt die Nahverkehrsplanung betreut, sieht in den Anforderungen an die Bogestra nichts Ungewöhnliches: „Sicher muss sich das Unternehmen anstrengen. Aber was es leistet, ist für den gesamten Verkehrsverbund beispielhaft.“ Den verschiedentlich geäußerten Vorwurf, über den Nahverkehrsplan setze die Stadt die Bogestra zusätzlich unter Druck, weist Töpfer zurück: „Wir erwarten aber bestimmte Qualitätskriterien und ein attraktives Angebot.“