Bochum. Die Stadtwerke Bochum beziehen bald Wärme, die bei der Herstellung klimaneutraler Kohle entsteht. Produziert wird sie vor Ort von einem Start-Up.

Wer vor lauter Staunen jetzt zweimal lesen muss, dem sei gesagt: Ja, es ist wahr. Kohle soll helfen, die Energiewende zu schaffen. Ausgerechnet Kohle. Die Stadtwerke Bochum haben gerade einen entsprechenden Vertrag unterzeichnet. Allerdings: Es geht nicht um das Grubengold, sondern vielmehr um eine neue, grüne Kohle. Sie wird aus Biomasse gewonnen und soll im Kampf gegen den KIimawandel helfen.

Hamburger Start-Up investiert 14 Millionen Euro in Bochum

Schon bald soll die entsprechende Anlage dafür in Bochum stehen. Das Hamburger Startup-Unternehmen Novocarbo investiert 14 Millionen Euro in seinen bislang größten Carbon Removal Park (CDR-Park) in Deutschland. Ende des Jahres soll der Bau beginnen, derzeit läuft das Genehmigungsverfahren.

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Erstmals nutzt ein Stadtwerk einer deutschen Großstadt dieses Produkt, um sein Fernwärmenetz grüner zu machen. Ein entsprechender Wärmeliefervertrag wurde unterzeichnet. Der Anteil der Abwärme von Novocarbo entspricht etwa 2,5 Prozent der jährlichen Gesamtproduktion, die für die Fernwärmeversorgung des gesamten Bochumer Versorgungsgebiets erforderlich ist.

Stadtwerke Bochum und Novocarbo schließen Wärmeliefervertrag

„Das Projekt ist ein wichtiger Baustein für die Dekarbonisierung der Fernwärme in Bochum“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführerin Elke Temme. Im Frühjahr 2023 hatte Novocarbo in Bochum angeklopft. Nach mehreren guten Gesprächen sei Anfang 2024 dann der Vertrag unterzeichnet worden. Temme: „Wir begrüßen das Engagement von Novocarbo sehr und unterstützen innovative, aufstrebende Unternehmen und Technologien gerne im Rahmen von Kooperationen.“

Das Start-Up baut und betreibt seit der Gründung 2017 mehrere Carbon Removal Parks in Deutschland und wurde für seine Wärme-Kooperation mit den Stadtwerken Grevesmühlen bereits mit dem ZfK-Nachhaltigkeitsaward 2023 ausgezeichnet. Das Verfahren wird so erklärt: Pflanzliche Reststoffe aus der Region wie Siebreste aus der Holzhackschnitzel-Produktion oder Grünschnitt werden durch Pyrolyse, der Verkohlung von Biomasse, zu Pflanzenkohle und regenerativer Wärme. Die Pflanzenkohle speichert den Kohlenstoff aus der Biomasse dauerhaft und kann u.a. als Bodenverbesserer in der Landwirtschaft oder als klimaneutraler Zusatzstoff in der Bauindustrie eingesetzt werden. Die beim Pyrolyse-Prozess entstehende Überschussenergie fließt als grüne Wärme in lokale Wärmenetze.

Neue Anlage entsteht auf einer Fläche des USB Bochum

„Wir können uns keinen besseren Standort für unseren Carbon Removal Park vorstellen“, sagt Novocarbo-Chef Caspar von Ziegner. „Die Steinkohle-Gewinnung hat das Ruhrgebiet über Jahrhunderte geprägt und wir freuen uns, hier eine zukunftsweisende, klimafreundliche Kohle zu produzieren, die helfen kann, die ehemalige Industrieregion zu dekarbonisieren.“

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Mit dem Bau des Carbon Removal Parks wird Ende 2024 auf einem 4500 m2 großen Areal des USB Bochum an der Markstraße begonnen. Schon Mitte 2025 sollen aus vier Pyrolyse-Anlagen pro Jahr etwa 6000 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entzogen, 15.000 MWh klimaneutrale Wärme erzeugt und 3300 Tonnen Pflanzenkohle (Biochar) produziert werden. Novocarbo will nach eigenen Angaben bis 2033 etwa 200 Produktionsstätten eröffnen.