Bochum. Viele Bochumer wollen ihre alte Heizung austauschen. Vielleicht warten sie. Die Stadtwerke sagen im Herbst, wo sie das Fernwärmenetz ausbauen.

Was tun mit der alten Heizung? Viele Hausbesitzer in Bochum stellen sich diese Frage, seit die Pläne für das Gebäudeenergiegesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf dem Tisch liegen. Eine Wärmepumpe scheint die beste Lösung zu sein. „Nicht aber für uns“ sagt der Eigentümer einer Wohnung in einem Gebäudekomplex in Altenbochum. Er wie viele andere Bochumer setzen eher darauf, ans Fernwärmenetz der Stadtwerke angeschlossen zu werden. Aber geht das überhaupt?

Viele Verbraucher informieren sich über Fernwärme

Im genannten Fall müsste es doch ein Klacks sein. Schließlich reicht die Fernwärmeleitung des Energieversorgers bis zum nahe gelegenen Vonovia-Hauptquartier an der Universitätsstraße. Bei einem Ortstermin wollen Techniker demnächst prüfen, ob ein Anschluss ans benachbarte Netz in Frage kommt. „Das hängt unter anderem von der Leistung ab, die aus dem vorhandenen Netz an diesem Netzpunkt zur Verfügung steht“, sagt Stadtwerke-Sprecher Jascha Dröge. Das werde aktuell geprüft.

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WAZ_Bochum_Fernwärme_Karte_ONLINE © funkegrafik nrw | Anda Sinn

Die Nachfrage nach Fernwärme steige. „Telefonisch erhalten wir täglich eine Vielzahl von Anfragen von Privat- und Gewerbekunden“, so Dröge. Mit der Wohnungswirtschaft bestehe bereits „ein reger Austausch“ zu potenziellen Erweiterungsgebieten für die Fernwärme der Stadtwerke.

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Fernwärmenetz in Bochum wird ausgebaut – bis zur Verdoppelung

230 Kilometer lang ist das Trassennetz, mit dem die Stadtwerke Bochum Holding GmbH sowie ihre beiden Tochterunternehmen Gas Westfalen GmbH (WGW) und die FUW GmbH (FUW) die Fernwärmeversorgung in Bochum sicherstellen (Karte). Zudem werden die Inselnetze „Laerfeld“ (Leitungslänge sechs km) und „Am Neggenborn“ (Leitungslänge zehn km) im Bochumer Osten betrieben, die über eigene Blockheizkraftwerke verfügen. Insgesamt werden derzeit 26.200 Bochumer Haushalte und statistisch gesehen damit etwa knapp 54.000 Einwohner mit Fernwärme versorgt.

Und dabei wird es nicht bleiben. „Das Wärmenetz soll ausgebaut werden“, sagt der Stadtwerkesprecher. Diskutiert würden „Ausbauszenarien bis hin zu einer langfristigen Verdoppelung der derzeitigen Länge des Bochumer Wärmenetzes“. Bis zum Herbst sollen konkrete Netzausbaugebiete definiert werden.

Bochumer Fernwärme ist besonders emissionsarm

Die Fernwärme stammt nach Angaben der Stadtwerke derzeit zu etwa 55 Prozent aus ihren eigenen Erzeugungsanlagen; vor allem aus dem Heizkraftwerk (HKW) Hiltrop und dem HKW der „unique“ an der Ruhr-Universität Bochum. Hinzu kommen kleinere Erzeugungsanlagen wie das mit Deponiegas betriebene HKW Kornharpen. Dröge: „Nach einer Modernisierung werden hier künftig zwei neue BHKW-Module für die Umwandlung des Deponiegases in Ökostrom und umweltfreundliche Fernwärme sorgen.“ Die übrigen 45 Prozent des Bochumer Wärmebedarfs werden von „uniper Wärme“ gedeckt.

Grünen schlagen Kauf von Altgeräten vor

Die Pläne der Stadtwerke, Nah- und Fernwärmelösungen für einzelne Quartiere anzubieten, würde aus Sicht der Grünen-Fraktion im Rat bedeuten, dass „Individuallösungen entfallen“.

In einer Anfrage an den Umweltausschuss heißt es: „Bürgerinnen und Bürger, die unmittelbar vor einer Kaufentscheidung für eine neue Heizanlage stehen, fehlen mitunter noch Informationen, wann nachhaltige Alternativen in welchen Quartieren in Bochum festgesetzt, zu Verfügung stehen oder gefördert werden sollen.

Es könnten, so die Grünen, für den Übergang ältere fossile Heizungen zur Miete oder zum Kauf angeboten werden und zu diesem Zweck Altgeräte zentral angekauft und gelagert werden. Denn: „Klimapolitisch ist der Einbau von älteren fossilen Heizungen als Zwischenlösung sinnvoller als der Einbau von neuen Öl- und Gasheizungen, die mitunter mehrere Jahrzehnte laufen“, so die Grünen.

Durch die hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung und den Bezug erneuerbarer Wärme werden, so die Stadtwerke, weniger CO2-Emissionen ausgestoßen als bei Heizungsanlagen, die mit Erdgas oder Heizöl betriebenen Heizungsanlage. Der durchschnittliche spezifische Emissionswert für die Bochumer Fernwärme liege derzeit bei etwa 190 Gramm CO2 je Kilowattstunde (kWh) und werde von 2025, wenn uniper „noch grünere Wärme“ liefere, auf etwa 175 g CO2/kWh reduziert. Zum Vergleich: Die Emissionen einer mit Erdgas betriebenen Heizungsanlage liege bei 230 g CO2/kWh, eine mit Heizöl betriebene Heizungsanlage verursache im Durchschnitt Emissionen von 310 g CO2/kWh.

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Pläne für vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energiequellen

„Aber es geht noch besser“, heißt es beim Energieversorger mit Blick auf die Dekarbonisierung, d.h. den Umstieg auf kohlenstofffreie und erneuerbare Energiequellen. Er hat Pläne für eine zu 100 Prozent „dekarbonisierte leitungsgebundene Wärmeversorgung“ entwickelt, d.h. für eine Reduzierung von Kohlendioxidemissionen auf Null durch den Einsatz kohlenstoffarmer Energiequellen. Die mit Hilfe externer Berater ausgemachten Potenziale sollen jetzt vor dem Hintergrund ihrer technischen und wirtschaftlichen Umsetzbarkeit genauer untersucht und dann schrittweise umgesetzt werden, „um so den Anteil erneuerbarer Energien im Bochumer Fernwärmenetz kontinuierlich zu erhöhen“, so der Stadtwerke-Sprecher.

Dabei werden eine Reihe unterschiedlicher Technologieoptionen geprüft, wie z.B: Tiefengeothermie, Groß-Wärmepumpen, Biomasseheizkraftwerke, Solarthermie, Wärme aus Grubenwasser, die Nutzung von (industrieller) Abwärme und sogenannte Power-to-Heat-Anlagen, mit denen Wärme durch elektrische Energie erzeugt wird. „Für das Ziel, die Wärmeversorgung in die Klimaneutralität zu führen, wird es einen Mix dieser Technologien geben müssen“, erklärt Jascha Dröge. Im Transformationsplan werde erarbeitet, wann, wo und welche der genannten erneuerbaren Erzeugungsanlagen errichtet werden sollen und welche Rahmenbedingungen hierfür erfüllt sein müssen.

100 Millionen Euro binnen fünf Jahren für das Fernwärmenetz

Wie viel Geld die Stadtwerke in die Hand nehmen müssen, um das zu realisieren, sei noch unklar, es hänge ab von der Transformationsplanung. In den vergangenen fünf Jahren haben die Stadtwerke bereits mehr als 100 Millionen Euro in die Bochumer Fernwärmeinfrastruktur investiert. Allein 59 Millionen Euro hatte das städtische Tochterunternehmen ausgegeben, um 2014/15 das HKW Hiltrop zu modernisieren (47 Millionen Euro) und eine 4,5 Kilometer lange Transportleitung vom Kraftwerk zur Fernwärmestation an der Bergstraße zu bauen.