Bochum. In Bochum warten Bürger bis zu einem Jahr auf Wohngeld. Einer schwerkranken 65-Jährigen läuft die Zeit davon. Ihr Schicksal, die neuen Zahlen.
„Es geht nicht nur um mich. Ich will für alle kämpfen“, sagt Carola Kraft. Empört zeigt sich die 65-Jährige über das lange Warten aufs Wohngeld. Im Oktober 2023 habe sie den Antrag gestellt. „Bisher habe ich nichts gehört. Und Tausenden anderen geht‘s noch schlimmer.“ Die Stadt bestätigt einen Antragsstau und Bearbeitungszeiten bis zu einem Jahr.
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Carola Kraft ist leidgeprügt. Die ehemalige Altenpflegerin ist an Krebs erkrankt und hat einen künstlichen Darmausgang. Eine Kämpfernatur ist sie gleichwohl. Auf großes Interesse stieß im Herbst 2023 ein WAZ-Bericht, in dem die Bochumerin ihre vergebliche Suche nach einem Pflegedienst schilderte. 15 Anbieter habe sie angerufen. Überall habe sie Absagen erhalten. Grund: kein Personal. „Alarmierend“ sei das. Ihr Schritt in die Öffentlichkeit war erfolgreich. Mithilfe der WAZ konnte kurzfristig ein Pflegedienst gefunden werden.
Langes Warten auf Wohngeld: „Von der Stadt kommt nichts“
Nun hat Carola Kraft (die wegen ihrer schweren Erkrankungen aktuell im Krankenhaus behandelt werden muss) die Stadtverwaltung ins Visier genommen. Es sei „ein Skandal“, dass die Wartezeiten auf eine Bewilligung des Wohngeldes derart lange dauerten.
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Ihr Fall sei dabei „noch einer der harmloseren“, will sie erfahren haben. Vor mehr als sechs Monaten lief ihr Wohngeldbezug aus. „Ich musste einen Folgeantrag stellen. Das habe ich sofort getan.“ Bislang ohne Ergebnis. „Von der Stadt kam nichts. Auf meine telefonischen Nachfragen heißt es nur: ,Wir kommen nicht mehr nach.‘“
Wohngeldstelle bittet von Anfragen abzusehen
Dabei habe sie zweifelsfrei Anspruch auf die Beihilfe. Sie sei auch dringend darauf angewiesen. „Ich beziehe 1100 Euro Rente. Meine Seniorenwohnung an der Glücksburger Straße kostet monatlich 484 Euro Miete. Da sind die 214 Euro Wohngeld, die ich bisher bekommen habe, eine große Hilfe.“
Die Wohngeldstelle sei derzeit stark belastet, so das Rathaus. Auf der Internetseite bochum.de wird um Verständnis gebeten, „dass reine Sachstandsanfragen, sowohl per Mail als auch telefonisch, bis auf Weiteres zugunsten der Fallbearbeitung nicht beantwortet werden“. Anfragen sollen nur die Bürgerinnen und Bürger stellen, deren Erstantrag älter als fünf Monate und deren Weiterleistungsantrag älter als drei Monate ist.
13.500 Haushalte in Bochum erhalten Wohngeld
Als Grund führt die Verwaltung die Wohngeldreform an. Deutlich mehr Menschen mit geringem Einkommen können seit Januar 2023 unterstützt werden. Folge: Die Zahl der wohngeldberechtigten Haushalte in Nordrhein-Westfalen stieg von rund 160.000 auf 480.000.
Aktuell gibt es in Bochum 13.500 Haushalte mit laufendem Wohngeldbezug, teilt Stadtsprecher Peter van Dyk auf WAZ-Anfrage mit. Zum Vergleich: 2022 waren es 5500 Haushalte. Die Wohngeldstelle sah und sieht sich einer Flut von Neuanträgen gegenüber. „Die besondere Herausforderung lag im Jahr 2023 darin, dass die Reform viele Neueinstellungen erforderte und die neuen Kräfte von nur sehr wenigen erfahrenen Sachbearbeitern eingearbeitet werden mussten“, sagt van Dyk, betont aber zugleich: „Es gibt keine unbesetzten Stellen in der Bochumer Wohngeldstelle.“
4000 Erstanträge sind noch nicht abschließend bearbeitet
Derzeit würden Weiterleistungsanträge zumeist innerhalb von drei Monaten bearbeitet; „manchmal auch in deutlich kürzerer Zeit“. Komplexe Erstanträge aus dem ersten Jahr der Reform dauerten in vielen Fällen bis zu ein Jahr.
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Das heißt in Zahlen: Es liegen noch 4000 nicht abschließend bearbeitete Erstanträge vor. „Angesichts einer zu erwartenden Ablehnungsquote von zehn bis 15 Prozent ist also mit rund 3500 zusätzlichen Wohngeld-Haushalten in Bochum zu rechnen“, erklärt van Dyk.
Seniorin hofft auf schnellen Bescheid: „Geld wird immer knapper“
Neben dem zeitnahen Bearbeiten von neuen Anträgen hat der Abbau der noch nicht abgeschlossenen Fälle aus dem Jahr 2023 hohe Priorität, versichert die Stadt.
Der Antrag von Carola Kraft gehört dazu. Die 65-Jährige hofft auf einen schnellen Bescheid. „Das Geld wird immer knapper. Und ich hab‘ nicht mehr lange.“