Bochum. Als „Zigeunerin“ wurde sie auf Anordnung der Kripo Bochum ins KZ deportiert: Das Schicksal der achtfachen Mutter Eva Winterstein berührt.

Welche Mitschuld trug die Polizei an den Gräueln der NS-Zeit in Bochum? Eine jetzt eröffnete Dauerausstellung im Bochumer Polizeipräsidium dokumentiert die Geschehnisse in den 30er und 40er Jahren. Beispielhaft wird das Schicksal von Eva Winterstein nachgezeichnet, die der verfolgten Minderheit der Sinti und Roma angehörte.

NS-Ausstellung in Bochum: „Zigeunerlager“ in Witten-Dorney

1884 wird Eva Winterstein in der Schweiz geboren. Als sie 1938 in Düsseldorf heiratet, hat sie bereits sechs Kinder.

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„Im August 1939 gelangte die Familie nach Witten“, hat Polizeidirektorin Nina Fischer mit ihrem zehnköpfigen Team recherchiert. In einem so genannten „Zigeunerlager“ in Witten-Dorney kommt es zur Zwangsunterbringung. Ab Oktober 1939 ist es „Zigeunern und Zigeunermischlingen bei Strafandrohung verboten, ihren aktuellen Wohn- und Aufenthaltsort zu verlassen“.

Dafür zuständig ist die Schutzpolizei, die „Sicherheit und Ordnung“ im Lager zu gewährleisten hat. „Dabei war allen Beteiligten zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger bewusst, dass die ,Zigeuner‘ abtransportiert werden sollten“, betont Nina Fischer.

Der Holzstuhl, auf dem Eva Winterstein 1942 bei der Bochumer Polizei erkennungsdienstlich behandelt wurde, ist in der Ausstellung im Original zu sehen: hier mit Polizeidirektorin Nina Fischer.
Der Holzstuhl, auf dem Eva Winterstein 1942 bei der Bochumer Polizei erkennungsdienstlich behandelt wurde, ist in der Ausstellung im Original zu sehen: hier mit Polizeidirektorin Nina Fischer. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Bochumer Kriminalpolizei bereitete Deportation ins KZ vor

Die Bedingungen für die Sinti-Familien sind schwierig. Im Lager herrscht Hunger. Jede Abwesenheit, jede Rückkehr muss bei der Polizei gemeldet werden. In den Dienststellen in Bochum und Witten erfolgen Vernehmungen. „Sie dienten dem Ziel, (...) die Aufenthaltsorte von weiteren Angehörigen zu erheben, die nach der Vorstellung der Nationalsozialisten zu verfolgen waren.“

Eva Winterstein wird am 22. Dezember 1942 wegen „vornehmlich asozialen Verhaltens“ erkennungsdienstlich behandelt und in Vorbeugehaft genommen. „Die darauf folgende Deportation wurde durch die verantwortlichen Kriminalbeamten ,sorgsam‘ vorbereitet“, heißt es.

Eva Winterstein starb im KZ – wenige Tage vor der Befreiung

Auf Anordnung der Kriminalpolizei Bochum wird die inzwischen achtfache Mutter am 21. Januar 1943 in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Es folgt eine Odyssee durch die KZs Buchenwald, Auschwitz, Mauthausen und ab März 1945 Bergen-Belsen.

Am 15. April 1945 wird das KZ Bergen-Belsen von britischen Truppen befreit. Kurz zuvor hat die SS die Akten vernichtet. Bekannt ist: Das Lager war total überfüllt, Seuchen breiteten sich aus. Eva Winterstein erlebt die Befreiung nicht mehr. Ihre Tochter, die mit ihr in Bergen-Belsen ankam, erklärt später, ihre Mutter sei „am Fleckfieber und Bauchtyphus“ verstorben .

Angehörige erhielten 3600 Mark Wiedergutmachung

Die Angehörigen bemühen sich noch Jahrzehnte nach dem Krieg um Wiedergutmachung. Die Hinterbliebenen von Eva Winterstein erhielten für den erlittenen „Schaden an der Freiheit“ ihrer Frau und Mutter „eine Kapitalentschädigung in Höhe von 3600 DM“.

„Das Wiedergutmachungsverfahren der Bezirksregierung Arnsberg endete 1958 mit der Auszahlungsanweisung der Entschädigungszahlung“, weiß Nina Fischer. Die Erinnerung an Eva Winterstein und weitere Opfer des NS-Terrors lebt fort: in der Ausstellung „Schlaglichter: von Verblendung zu Veränderung“ im Polizeipräsidium an der Uhlenstraße.