Bochum. Alles sollte mit dem E-Rezept besser laufen. Doch die Technik versagt regelmäßig. Apotheker in Bochum sind verzweifelt, Versorgung sei gefährdet.
Apotheken in Bochum haben derzeit massive Probleme, ihre Patienten zu versorgen. Nicht nur in Bochum ist das so: Rund ein Drittel der Apotheken in Westfalen-Lippe seien betroffen, so der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL). Die Ursache liege nicht bei den Apotheken. Stattdessen versage die Technik, mit der die E-Rezepte verarbeitet werden – und das regelmäßig. Die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bürger sei daher bedroht, so Thomas Rochell, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes.
Eingeführt wurde das E-Rezept im Januar: Es sollte Zeit sparen, weniger fehleranfällig sein und die Zusammenarbeit zwischen Arztpraxen, Apotheken und Krankenkassen erleichtern. Doch seit der Einführung gab es Probleme, die sich in den letzten Monaten noch weiter verschärft haben sollen. Der Grund: „Je mehr Rezepte ausgestellt werden, desto mehr Probleme gibt es“, sagt Ralph Hohmann, Vorsitzender der Bezirksgruppe Bochum im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) und Inhaber der Kronen-Apotheke.
Ohne funktionierende Technik keine Medikamente
Bei technischen Störungen können Ärzte die E-Rezepte nicht speichern und Apotheker die Rezepte nicht abrufen, kritisiert Hohmann. „Alle haben die gleichen Probleme. Wir sind an einen Zentralrechner angeschlossen.“ Vor allem zwischen 8 und 9 Uhr morgens falle das System aus. Am Mittwoch habe der Bochumer Apotheker fast nur Papierrezepte anstelle von E-Rezepten bekommen: „Das bedeutet, bei den Ärzten ist etwas ausgefallen.“
Wenn die E-Rezepte nicht abrufbar sind, können die Apotheken die verschreibungspflichtigen Medikamente nicht an die Patienten ausgeben. „Wir müssen 90-Jährige unverrichteter Dinge wegschicken und bitten, den Weg noch einmal auf sich zu nehmen. Wir müssen Eltern mit weinenden Kindern auf dem Arm vertrösten. Gerade in Akutfällen müssen Patienten ihre Arzneimittel aber schnell erhalten“, so Hohmann.
Für die betroffenen Apotheken entstehe durch den Ausfall ein enormer wirtschaftlicher Schaden, der existenzgefährdend sei. Mittlerweile seien annähernd zwei Drittel der Rezepte elektronisch, so Hohmann. Funktioniert die Technik nicht, laufe so gut wie nichts mehr. „Die betroffenen Kollegen können ihren Betrieb in der Zeit des Ausfalls eigentlich dichtmachen.“
Nicht alle Apotheken sind betroffen
Doch nicht alle Apotheken haben dieses Problem. Um E-Rezepte verarbeiten zu können, brauchen die Apotheken und Ärzte einen „elektronischen Heilberufeausweis“. Zwei Anbieter gibt es in Bochum dafür, die von der Digitalisierungsagentur des Bundes (Gematik) zertifiziert wurden.
Die Schwierigkeiten beim Schreiben und Lesen der E-Rezepte treten vor allem bei dem Anbieter „medisign“ auf, so Ralph Hohmann. Auf WAZ-Anfrage teilt „medisign“ mit, die „Unannehmlichkeiten“ zu bedauern und Analysen durchgeführt zu haben, die aktuell ausgewertet werden: „Wir sind sicher, in den nächsten Tagen wieder stabilen Service bieten zu können.“
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„Bei uns läuft alles“: Vorteil von E-Rezepten
Apothekerin Inka Krude ist schon jetzt zufrieden mit ihrem System: Sie benutzt den anderen Anbieter „D-Trust“. An einer Hand könne sie die Ausfälle in ihrer Apotheke abzählen: „Bei uns läuft alles.“ Den großen Vorteil von E-Rezepten sieht sie darin, dass sie direkt in der Praxis geändert werden können. Patienten müssen also nicht extra den erneuten Weg zum Arzt auf sich nehmen. Auch Hohmann sei das bewusst, doch ein schneller Wechsel zu einem anderen Anbieter sei nicht ohne weiteres möglich, damit seien Kosten und Zeit verbunden.
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Selbst wenn das System bei Inka Krude reibungslos funktioniert, gebe es ein Problem, wodurch sich die Medikamentenausgabe verzögert: Einige Ärzte schalten die Rezepte nicht direkt frei, sondern erst in einem Bündel mit weiteren. Löst ein Patient direkt nach dem Arztbesuch ein Rezept bei der Apotheke ein, könne das unter Umständen nicht funktionieren. Auch Hohmann bestätigt das.
Das Gesundheitsministerium muss reagieren
Die Probleme mit den E-Rezepten treffen auf eine ohnehin schwierige wirtschaftliche Lage der Apotheken. Rochell mahnt nun an, dass der Bund in Anbetracht der Probleme überlegen müsse, das System vorübergehend vom Netz zu nehmen. Und er empfiehlt den Patienten: „Bitten Sie Ihren Arzt, ein klassisches rosafarbenes Papierrezept auszustellen, bis alles rund läuft.“