Bochum. Seit Januar gibt es das E-Rezept. Eigentlich soll damit alles besser laufen – aber Wartezeiten und Ausfälle belasten Apotheken in Bochum.
Das E-Rezept soll Zeit sparen, weniger fehleranfällig sein und die Zusammenarbeit zwischen Arztpraxen, Apotheken und Krankenkassen erleichtern. Es soll also alles einfacher machen – solange es funktioniert. In der Praxis sieht das anders aus.
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„Es hakt permanent“, sagt Walter Wolf von der Glückauf-Apotheke in Laer. 70 Minuten lang konnten die Apotheken am vergangenen Mittwoch keine Rezepte einlösen – wegen einer bundesweiten Störung des Gematik-Servers, in dessen Cloud die E-Rezepte liegen. „Wir fanden das nicht lustig. Solche Ausfälle dürfen nicht passieren.“ Wenn das System abstürzt, gebe es keine Alternative. „Wie kann man das so extrem zentralisieren und keine Ausweichmöglichkeit haben?“, fragt Wolf.
Auffällig sei, dass es die Ausfälle immer zu Stoßzeiten gebe. „Regelmäßig um elf Uhr geht das System in die Knie.“ Dann können die Apotheken keine Daten abrufen und Rezepte abrechnen. Wolfs Lösung: „Wir gehen teilweise sonntags in die Apotheke, weil dann die Auslastung nicht so hoch ist.“
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Instabiles System führt zu Problemen bei E-Rezepten
Aus Wolfs Sicht hängt das mit einem zu komplexen und schlecht strukturierten System zusammen. Die Glückauf-Apotheke sei dafür eine der Testapotheken gewesen. Dieser Testlauf habe nicht funktioniert. „Man hat kurz vor knapp gemerkt, dass es nicht klappt und es trotzdem umgesetzt. Es ist ein unfertiges, nicht zu Ende gedachtes System.“
Das sieht auch Yvonne Loges von der Apotheke am Freigrafendamm in Altenbochum so. „Wir wurden ins kalte Wasser geworfen. Es ist katastrophal, dass das System so instabil ist.“ Immer wieder gebe es Verzögerungen dabei, Rezepte abzurufen und abzurechnen. Laut Loges zieht das viele Probleme nach sich. „Die Patienten bekommen ihre Medikamente nicht. Wir müssen beim Arzt nachfragen. Er ist genervt, weil er mehr Anrufe bekommt. Und der Patient muss zweimal fahren, weil er das Medikament noch nicht hat.“
Lange Wartezeiten und Umsatzverluste beim E-Rezept
Für die Apothekerin ist das eine finanzielle Herausforderung. Ende Januar habe sie wegen eines technischen Fehlers der Gematik 500 Rezepte nicht abrechnen können. „Wenn sie im Februar nicht eingelöst worden wären, hätte ich 50.000 Euro Schaden gehabt.“ Sie habe Rezepte über 5000 Euro, teilweise über 16 000 Euro. „Wenn die nicht bezahlt werden, war’s das. Das fange ich nicht ab.“
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Die Apotheken bemängeln außerdem, dass das System zu langsam ist. „Das Rezept zu lesen, dauert ewig lange. Ich habe mir eine 250er-Leitung bestellt, aber das ändert nichts“, sagt Wolf. „Wir haben lange Schlangen, weil es nicht läuft.“
Für die Apotheken führt das zu Unruhe – und zu Umsatzeinbußen. „Ich habe stundenlang Stress mit Kunden. Wir wissen nicht, was wir machen sollen“, sagt Wolf. Viele Kunden habe die Apotheke halten können, aber nicht alle. Das kennt auch Aous Abdulrahman. Er führt eine Apotheke am Bochumer Hauptbahnhof und habe viele Laufkunden, die er schnell verliere. Deswegen sei es wichtig, dass sie ihre Medikamente direkt bekommen. „Manche haben Verständnis, aber andere müssen zur Arbeit oder haben Termine und gehen.“
Bochumer Apotheken wünschen sich eine Absicherung für das E-Rezept
Viele Dinge seien durch das E-Rezept komplizierter geworden. Zum Beispiel ließen sich Rezepte nicht mehr korrigieren. „Wenn der Arzt etwas verschreibt, was es nur in Krankenhäusern gibt, hätten wir früher gesagt: Er meinte bestimmt 20 Stück statt 50. Mit dem E-Rezept geht das nicht mehr.“ Ein weiteres Problem gebe es, wenn Patienten ein Medikament umtauschen möchten. Auch das sei nicht mehr möglich. „Jetzt muss ich beim Abrechnungszentrum stornieren, beim Arzt stornieren, das ist sowas von Quatsch“, ärgert sich Abdulrahman. „Das E-Rezept soll die Bürokratie verringern, aber das Gegenteil ist der Fall. Ich mag Technologie, aber nur, wenn sie hilft, und das tut sie nicht.“
Wirklich helfen würde es aus Sicht der Apotheken, zum einen das System der Gematik zu stabilisieren. Zum anderen müsste es eine Absicherung geben, um das Geld von der Krankenkasse zurückzubekommen. Bisher hätten die Apotheken ihre Rezepte dort über ein Formblatt eingereicht, das wie ein Scheck funktionierte. „Jetzt habe ich nichts mehr in der Hand. Das Rezept landet irgendwo im Nirwana und geht hoffentlich nicht verloren“, sagt Wolf. Ähnliche Gedanken macht sich auch Yvonne Loges. „Wenn Fehler passieren, muss in Ausnahmefällen ein Papier-Rezept gelten, damit wir nicht so angstbelastet sind.“
Bis dahin sorgt sich Loges um die Zukunft der Apotheken – und um die Patienten. „Was ist, wenn wir nicht mehr da sind? Bei der Internet-Apotheke bekomme ich ein Medikament nicht in zwei Stunden.“ Viel Hoffnung habe sie nicht. „Manchmal habe ich das Gefühl, wir sollen kaputtgemacht werden. Ich hoffe, dass wir durchhalten, aber ich weiß nicht, wie lange.“
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