Bochum. Ein Abbild der alten Germania-Statue soll zurück auf einen Marktplatz in Bochum. Der Plan eines Geschichtsvereins stößt jedoch auf Widerstand.
Der Sockel steht noch am Rande des Marktplatzes in Bochum-Langendreer, aber die Germania-Statue, die früher auf ihr thronte, ist längst verschwunden. 1981 wurde sie mit einem Kran entfernt, weil der Zahn der Zeit zu sehr an dem Kriegerdenkmal gezehrt hatte. Seither empfängt sie die Besucher des Stadtarchivs, wo sie im Eingangsbereich einen Platz gefunden hat. Ein in Bochum bislang noch recht unbekannter Verein will der Germania nun zu einem Comeback an ihren früheren Standort verhelfen, stößt dabei jedoch auf Widerstand.
Verein aus Bochum plant Rückkehr von Denkmal und löst Debatte aus
Von einem „spannenden Projekt“ spricht Florian Schur, der es sich als Vorsitzender des „Westfälischen Geschichtsvereins Bochum“ zur Aufgabe gemacht habe, „verlorene, aber kulturgeschichtlich wertvolle Denkmäler, die aus dem öffentlichen Raum verschwunden sind, wieder ihrer historischen Bedeutung zukommen zu lassen“. In diesem Fall beabsichtige man eine Rekonstruktion der Langendreerer Germania-Statue auf ihrem ursprünglichen Sockel am Marktplatz. Diese solle aus einem 3D-Drucker kommen.
Das von dem Bochumer Bildhauer Wilhelm Gardy geschaffene Germania-Denkmal wurde am 4. Juli 1886 enthüllt. Es war den 13 Gefallenen aus Langendreer gewidmet, die am preußisch-österreichischen Krieg 1866 (einer) und am deutsch-französischen Krieg 1870/71 (zwölf) teilgenommen haben. Die Namen stehen noch heute seitlich an dem Sockel am Marktplatzplatz, gegenüber der Alten Bahnhofstraße.
Auf der Vorderseite ist – kaum noch zu erkennen – eine Strophe von „Die Wacht am Rhein“, der inoffiziellen Hymne des Kaiserreichs, eingraviert, auf der Rückseite ein Landwehrkreuz mit dem Schriftzug „Mit Gott für König und Vaterland“. Die Widmung vorne lautet: „Langendreer seinen in den Kämpfen 1866 und 1870/71 gefallenen Kriegern“.
Die Statue der Germania stützt sich mit der linken Hand auf das gesenkte Schwert, in der rechten hielt sie eine Kaiserkrone. Diese wurde ihr schon 1919 abgeschlagen. Am Ende des Zweiten Weltkriegs verschwand der Helm zu ihren Füßen. 2007 wurden an den Figuren des Sockel-Reliefs die Köpfe zerschlagen. Zu diesem Zeitpunkt stand die Germania bereits im Stadtarchiv, weil die aggressive Industrieluft dem Sandstein im Laufe der Jahrzehnte zu sehr zugesetzt hatte.
Stadtarchiv Bochum informiert über historische Bedeutung der Germania-Statue
Im Stadtarchiv wird auch über die historische Bedeutung der Germania informiert. Sie sollte die Ehrung der Gefallenen mit der Feier der Nation verbinden. Die Siege, die zur Gründung des deutschen Kaiserreichs im Januar 1871 geführt hatten, seien mit schweren Opfern errungen worden. Diesen sei aber „Sinn“ zugesprochen worden. Auch die Söhne Langendreers seien für die Güter gestorben, „derer wir uns heute erfreuen“, habe es bei der Einweihung des Kriegerdenkmals geheißen.
„Die Kontextualisierung der Germania-Statue ist uns ein wichtiges Anliegen, daher wird sie in unserem Haus öffentlich zugänglich entsprechend präsentiert“, erklärt Stadtsprecher Peter van Dyk. „Die Rekonstruktion und Wiedererrichtung dieses aus dem Geist des Nationalismus und Militarismus des Kaiserreichs entstandenen Denkmals deckt sich hingegen nicht mit der Haltung, die das Stadtarchiv zur Auseinandersetzung mit unserer Geschichte hat. Dies gilt übrigens auch für den Umgang mit anderen Denkmälern, die vergleichbaren Kontexten zugeordnet werden können.“
Auch Clemens Kreuzer, Hobby-Historiker aus Langendreer, sieht das Ansinnen des Westfalischen Geschichtsvereins Bochum kritisch. Dabei hatte er sich als CDU-Ratsvertreter Anfang der 1980er Jahre sehr für den Erhalt der Germania-Statue an Ort und Stelle eingesetzt. „Sie ein nahezu halbes Jahrhundert später durch eine Attrappe zu ersetzen, wäre historisch, denkmalpflegerisch und künstlerisch fragwürdig. Außerdem würden nationalistische Motive vermutet werden können.“ Sie sei ein Teil der Langendreer Geschichte, „die man sich nicht zu eigen machen sollte“.
Rückkehr für Germania? Hobby-Historiker aus Bochum-Langendreer äußert Zweifel
Sinn ergebe es für ihn allenfalls, „den original erhaltenen Sockel mit seinen anmutenden, aber beschädigten Reliefs zu restaurieren, vielleicht eine erläuternde Tafel mit einigen Angaben zur Geschichte und geistesgeschichtlichen Einordnung des Denkmals und einer Abbildung seiner ursprünglichen Gestalt an die Seite des Sockels zu stellen“. Diesen Sockel stehenzulassen, sei damals in der politischen Debatte um die Germania ein Kompromiss gewesen.
Florian Schur als Vorsitzender des Westfälischen Geschichtsvereins Bochum, 2018 gegründet und in der Heimatstube an der Neustraße 5 beheimatet, weist nationalistisches Gedankengut von sich. „Wir haben keinen Kontakt zu rechten Gruppen und sehen uns als liberalkonservativen Verein“, sagt der 33-Jährige. Man wolle an dem Plan festhalten und habe über den „Heimatscheck“ des Landes NRW auch schon erste finanzielle Unterstützung (200 Euro) erhalten. Insgesamt benötige man wohl 15.000 Euro.
Bochumer Geschichtsverein plant Bürgerinitiative und Bürgerbegehren
Es sei geplant, mit einer Bürgerinitiative und einem anschließenden Bürgerbegehren die Politik davon zu überzeugen, eine Kopie der Germania auf dem noch erhaltenen Sockel zu errichten. „Wir glauben, dass die Germania in eine moderne Gesellschaft passt, die sich ihrer Wurzeln bewusst ist“, sagt Schur, der gerade sein Studium in Geschichte, Kunstgeschichte und Archäologie abgeschlossen hat.
Zur Kontaktaufnahme hat der Westfälische Geschichtsverein Bochum eine E-Mail-Adresse eingerichtet: germaniabo24@gmail.com .