Bochum. In einem früheren Seniorenheim in Bochum sollen Geflüchtete untergebracht werden. Dagegen formiert sich Widerstand. Er geht einigen aber zu weit.
Ein früheres Seniorenheim in Bochum-Langendreer soll zu einer Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert werden. Das Land plant an der Grabelohstraße eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) für 300 Geflüchtete. Das sorgt in der Nachbarschaft für Unruhe. Über eine Bürgerinitiative wollen Anwohner nun versuchen, das Vorhaben zu verhindern.
Senioren leben in dem großen Häuserkomplex an der Grabelohstraße nicht mehr. Weil ihnen die Mietkosten zu hoch waren, hatten die Senioreneinrichtungen Bochum, eine Stadttochter, in Langendreer und Werne neu gebaut und die Bewohner dorthin umgesiedelt. Seither steht die Einrichtung an der Grabelohstraße leer. Eigentlich sollte sie zu einem modernen Seniorenzentrum umgebaut werden, doch jetzt wurde sie vom Eigentümer der Bezirksregierung Arnsberg als Unterkunft für Geflüchtete angeboten.
Abstimmungen zwischen Eigentümer und Stadt Bochum
Aktuell, so heißt es aus Arnsberg, „werden finale Abstimmungen mit dem Eigentümer sowie der Stadt Bochum geführt“. Eine Entscheidung „soll kurzfristig getroffen werden“. Ob es dazu kommt, ist noch offen. Aber: „Die bisherigen Abstimmungen verlaufen positiv“, teilt Ursula Kissel, Sprecherin der Bezirksregierung, auf WAZ-Anfrage mit. Und man ist offenbar so optimistisch, dass schon von einer Bürgerinformationsveranstaltung „voraussichtlich im Januar oder Februar 2024“ die Rede ist.
In Bochum betreibt das Land neben der geplanten Einrichtung in der Grabelohstraße derzeit noch die Notunterkunft in Wattenscheid (Auf dem Esch) sowie die Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) am Harpener Feld. Dort kommen geflüchtete Personen zunächst an und werden registriert, ehe es in der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE), in diesem Fall Unna, zu Erstuntersuchungen, Anhörungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) etc. kommt. „Im Anschluss werden die Personen in einer Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) oder – sofern notwendig – in einer Notunterkunft (NU) untergebracht. Die in der ZUE oder NU untergebrachten Personen befinden sich nach wie vor in dem laufenden Asylverfahren“, erklärt Ursula Kissel.
Anwohner wollen sich „mit Händen und Füßen wehren“
In der Nachbarschaft der Grabelohstraße zeigt man sich wenig erfreut über die aktuelle Entwicklung. Kurz nach Bekanntwerden der Überlegung, aus dem früheren Seniorenheim ein ZUE zu machen, „ging im Viertel die Post ab. Das war natürlich sofort Gesprächsthema“, berichten Joachim Marquardt und Markus Stein, die in der Nähe wohnen. „Und kurz darauf saßen auch schon 20 Nachbarn zusammen in der Marktbörse, um zu überlegen, was man tun kann“. Infolgedessen sei die Bürgerinitiative „Grabeloh aktuell“ entstanden, flankiert von einer Online-Petition, über die bereits 925 Unterschriften gesammelt wurden (Stand 12. Dezember).
„Wir haben uns bei der Namensgebung bewusst auf den Standort bezogen“, sagt Marquardt. Auch, weil man nicht in die rechte Ecke gerückt werden wolle. „Fakt ist, dass wir uns mit Händen und Füßen gegen diesen Schwachsinn wehren werden. Mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln.“ Die Umgebung sei ein reines Wohngebiet, noch dazu sei im Bebauungsplan und per Ratsbeschluss von 2022 fest verankert, dass besagtes Terrain für ein Altenpflegeheim zu nutzen ist, fügt Stein an. „Auch kommen keine Familien zur Grabelohstraße, sondern junge Männer“, haben Marquardt und Mitstreiter Sorge vor „Verwahrlosung und Übergriffigkeiten“.
Bezirksbürgermeister: „Es gibt noch viele Fragezeichen“
Die lokale Politik betrachtet die Entwicklung rund um die Grabelohstraße mit Sorge. Mehrere Mandatsträger der Bezirksvertretungen berichten von Anfeindungen aufgebrachter Bürger nach einer Begehung vor Ort. „Wir mussten beim Verlassen des Parkplatzes durch ein Spalier von aufgebrachten Menschen“, berichtet Bezirksbürgermeister Dirk Meyer (SPD). Einige hätten sich vor die Autos gestellt, „um den Dialog zu erzwingen“, schildert CDU-Bezirksvertreter Yannik Theis. „Das ist nicht die richtige Art.“
Meyer sagt, er habe sich „nicht bedroht gefühlt“, das sei anderen Mandatsträgern aber möglicherweise anders gegangen. „Ich habe auf jeden Fall Ängste und Sorgen wahrgenommen und aufgefangen.“ Er habe in der Folge mit mehreren Anwohnern gesprochen und Gespräche angeboten. „Es gibt noch viele Fragezeichen. Mein Ziel ist es, noch vor Weihnachten ruhig und sachlich zu informieren.“
Stadt Bochum verweist auf die Bezirksregierung
Sofern er das überhaupt könne. Zum einen herrsche ja noch keine Klarheit, „weil die Mietverträge noch gar nicht unterschrieben sind“. Zum anderen liege das Ganze gar nicht in der Verantwortung der Lokalpolitik, sondern der Bezirksregierung. „Am Ende wird Arnsberg Rede und Antwort stehen müssen“, so Meyer.
Auch im Rathaus sieht man die Verantwortung bei der Bezirksregierung und möchte sich daher nicht weiter äußern. Ob eine Nutzung des früheren Seniorenheims gegen Inhalte des Bebauungsplanes verstößt, werde geprüft, teilt Stadtsprecher Thomas Sprenger auf WAZ-Anfrage mit.
Resolution von SPD, Grünen und CDU
Im Eindruck der Anfeindungen durch Anwohner vor dem früheren Seniorenheim an der Grabelohstraße in Bochum-Langendreer verfassten die drei großen Fraktionen in der Bezirksvertretung Bochum-Ost eine gemeinsame Resolution, die sie zur Sitzung am Mittwoch, 13. Dezember, einbringen wollen. Überschrift: „Gewaltfreie Kommunikation ist die Basis unserer Demokratie“.
„Die Bezirksvertretung Ost hat immer den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern gepflegt“, heißt es darin, unterschrieben von Beate Scheffler (SPD), Detlef Kühlborn (Grüne) und Yannik Theis (CDU). „Stadtentwicklungsprojekte werden im Gespräch mit den Anwohnerinnen und Anwohnern gestaltet und deren Wünsche und Anregungen soweit möglich berücksichtigt. Bürgerinnen und Bürger dürfen bei besonderer Betroffenheit zu Tagesordnungspunkten der Bezirksvertretung sprechen.“ All dies geschehe in gegenseitigem Respekt und Wertschätzung.
Diese wertschätzende, gewaltfreie Kommunikation sei eine wichtige Basis für die Demokratie und das Miteinander. „Wir werden daher nicht akzeptieren, wenn Bürgerinnen und Bürger versuchen, ihre Meinung mit verbaler oder gar körperlicher Gewalt durchzusetzen. Wer uns bedroht, macht sich strafbar und verlässt den demokratischen Konsens.“ Auch wenn man in Einzelfragen politisch um die richtige Lösung streite: „Die Mitglieder der Bezirksvertretung sind sich einig darin, dass die Ausübung ihres politischen Amtes nur in einem Umfeld möglich ist, in dem Gewalt und Gewaltandrohung keinen Platz haben.“