Bochum-Wattenscheid. Wattenscheider Händler klagen über ein schlechtes Weihnachtsgeschäft. Die Fußgängerzone schreckt Kunden ab – aus verschiedenen Gründen.
Zu viele Leerstände, keine attraktiven Geschäfte und preissensible Kunden. In der Wattenscheider Fußgängerzone lassen kurz vor Weihnachten nicht nur die Tannenbäume, die an den Straßenlaternen befestigt sind, die Köpfe hängen. In den übrig gebliebenen Einkaufsläden kleben lauter Rabattschilder in den Schaufenstern. Und dennoch klagen die meisten Händlerinnen und Händler über ein verhaltenes Weihnachtsgeschäft. Mit zwei Ausnahmen, für die die Kundschaft offenbar sogar aus anderen Städten anreist.
Weihnachtsshopping: „Wer bummeln möchte, fährt nicht nach Wattenscheid“
„Walking in the Winter Wonderland“ – schallt es aus den Musikboxen im Kleidungsgeschäft „Primus Fashion Discount“ am Alten Markt. „X-Mas-Shopping – 1000 heiße Preise“, steht in dicker roter Schrift auf Plakaten, die von der Decke hängen. Doch von Weihnachtsstimmung und Kauflaune fehlt hier jede Spur. „Wattenscheid ist tot“, sagen zwei Verkäuferinnen, die anonym bleiben möchten. Das Geschäft liefe „einigermaßen gut“, wenn auf dem Alten Markt die Herbst- oder Gertrudiskirmes stattfinde. „Deshalb wäre es wäre schön, wenn es in Wattenscheid einen größeren Weihnachtsmarkt gäbe“, sagt eine von ihnen. Platz sei schließlich genug und Laufkundschaft würde es auch anziehen. „Warum den Weihnachtsmarkt also nur in die Innenstadt quetschen?“
„Wer Bummeln möchte, fährt lieber ins Bochumer Zentrum oder in andere Städte – aber längst nicht mehr nach Wattenscheid“, sagt auch Cornelia Popp, Filialleiterin im Tchibo auf der Oststraße. Es fehle an Geschäften, für die es sich zu kommen lohnt. An einem Mittwochvormittag schlendern dort immer mal wieder Frauen mit Kinderwägen oder Senioren mit Rollatoren durch den Laden, bestellen Kaffee und Apfelkuchen oder begutachten Winterpullis und Pudelmützen. „Aber spätestens ab 14 Uhr ist hier tote Hose“, sagt Popp. Selbst an Samstagen mangele es auch Laufkundschaft. „Wirklich schade, weil die Passage eigentlich so schön ist.“
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Fehlende Geschäfte und sparsame Kunden
Eine Bonita-Verkäuferin erinnert sich noch an „bessere Zeiten“. „Früher gab es hier Horten, das Schuhgeschäft Lackmann, Gerry Weber oder das Herrenbekleidungsgeschäft ‚die Hose‘. Nun haben wir zweimal KiK, zweimal Woolwoorth, tausend Nagelstudios, Friseure, Billigläden oder Leerstände – ist doch kein Wunder, dass die Leute wegbleiben“, beklagt die gebürtige Wattenscheiderin. Es fehle auch an Unterwäschegeschäften oder modernen Kleidungsgeschäften für jüngere Menschen. Die Coronapandemie habe die Situation noch schlechter werden lassen, weil nun häufiger Online eingekauft werde.
In den Blumengeschäften Risse und Galinnis stehen die Weihnachtssterne und Blumengestecke mit Christbaumkugel und Rentierfiguren schon bereit. Doch der Verkauf läuft anderthalb Wochen vor Weihnachten noch schleppend. „Die Leute sind sparsamer geworden, aus Angst vor der Inflation und explodierenden Energiepreisen“, meint Floristin Carmen Galinnis. Der Handel in Wattenscheid habe sich bis heute nicht von den Corona-Einbußen erholt. Bei Risse hofft man darauf, dass der Verkauf in der kommenden Woche vor Heiligabend noch anläuft.
Für „LeichtSinn“ und „feinschliff“ kommen Kunden gerne nach Wattenscheid
Deutlich bessere Stimmung herrscht hingegen bei „LeichtSinn“ am Alten Markt. Laut Mitarbeiterin Astrid Kühnel besuchen Menschen aus dem ganzen Ruhrgebiet den Concept-Store, um zwischen beigen Winterpullis, roten Duftkerzen und allerlei Feinkost-Delikatessen nach Weihnachtsgeschenken zu suchen oder sich selbst mal etwas zu gönnen. Das Geheimnis: „Wir verkaufen Dinge, die es nicht überall zu kaufen gibt, nehmen uns Zeit für die Kunden und geben uns viel Mühe mit der Dekoration, damit jeder Besuch ein besonderes Erlebnis ist“, so Kühnel. Man müsse den Kunden schließlich etwas bieten, damit sie gerne in die Innenstädte kommen.
In der Goldschmiede „feinschliff“ auf der Voedestraße lassen nicht nur Kunden aus Wattenscheid, sondern auch aus Köln, Berlin oder sogar von der Costa Brava individuellen Schmuck anfertigen. „Vor Jahren hat mal jemand aus Los Angeles eine Krawatten-Sticknadel bei mir anfertigen lassen“, erinnert sich Ladenbesitzerin Andrea Möhle-Remus. Die Menschen kämen das ganze Jahr über auf Empfehlung. Der Laden laufe gut, weil man nicht auf Laufkundschaft angewiesen sei. Dabei verlässt sich die Goldschmiedin schon seit Jahren nicht mehr nur auf das Weihnachtsgeschäft, weil sie einen Trend erkannt hat: „Heutzutage schenken sich viel weniger Menschen etwas zu Weihnachten als früher“, sagt sie. „Da wundert es mich, dass der Dezember nicht mehr den größten Teil des Jahresumsatzes ausmacht.“