Bochum. Vier Jahre nach der Ausrufung des Klimanotstands will Bochum mit einer klaren Strategie was fürs Klima tun. Vor der Entscheidung knirscht es.
Was war das für ein Hype, als Bochum 2019 den Klimanotstand ausrief. Ein gewaltiges Wortgeklingel mit praktisch keinen konkreten Auswirkungen. „Die Kommune wird die Auswirkungen auf das Klima sowie die ökologische, gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit bei jeglichen davon betroffenen Entscheidungen berücksichtigen“, hieß es da prominent. Aber vielleicht geht es ja jetzt tatsächlich los: Die Stadt Bochum will sich eine Nachhaltigkeitsstrategie geben. Es wird konkret: Ein milliardenschweres Projekt, allein die gesamten Investitionskosten bis 2035 werden auf rund 11,2 Milliarden Euro geschätzt.
Das Hunderte Seiten starke Paket wurde jetzt in den Umweltausschuss (13. Dezember) zur Beratung und am Donnerstag, 14. Dezember, im Rat zur Entscheidung gestellt. Es geht im Wesentlichen darum, das Klimaschutzkonzept von 2019 fortzuschreiben und eine Nachhaltigkeitsstrategie für die Stadt Bochum zu entwickeln. Daraus wurde der „Klimaplan Bochum 2035“ und eine Teilnahme am Projekt „Global nachhaltige Kommune NRW“. Darin ist Bochum eine von sechs ausgewählten Modellkommunen, die gefördert und unterstützt eine maßgeschneiderte Strategie zu entwickelt haben.
Über 200 Aktivitäten werden definiert
Orientiert an den 17 weltweit definierten Nachhaltigkeitszielen, (darunter: keine Armut, kein Hunger, bezahlbare und saubere Energie oder nachhaltige Städte und Gemeinden) wurde von einer Kern- und einer 50-köpfigen Steuerungsgruppe, in der außer Vertretern der Stadtverwaltung und Parteien die verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen unserer Stadt vertreten sind, Ziele erarbeitet. Beteiligt waren etwa der BUND, das Netzwerk für bürgernahe Stadteinwicklung, Radwende aber auch Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.
Definiert wurden in einem sogenannten Zielkonzept mehr als 200 verschiedene Aktivitäten und Maßnahmen, die allesamt helfen sollen, unsere Stadt klimaneutral und nachhaltig aufzustellen. Definiert sind konkrete Schritte und Zeiten, die Ziele sollen nach diesem Konzept zumeist entweder bis 2030 oder 2035 erreicht sein.
Drei Beispiele aus diesem umfangreichen Zielkonzept
- Die Bochumer Parks- und Grünflächen der Stadt sollen mindestens in Teilbereichen artenreich und insektenfreundlich sowie essbar bepflanzt werden.
- Eine systematische, frühzeitige Flächenanalyse identifiziert Flächenpotenziale für die Errichtung bzw. den Ausbau erneuerbarer Energien und die dafür notwendige technischen Infrastruktur und Energiespeicher.
- Für die Bochumer Schulen werden unter Beteiligung der Schüler*innen und Eltern Schulwegpläne und Radschulwegpläne erstellt und umgesetzt.
Aus diesem ambitionierten Konzept und Gutachten hat die Stadtverwaltung nun einen Beschluss hergeleitet, wie es konkret weitergehen soll. Darin ist die Rede von 15 bis maximal 30 Aktivitäten, die vom nächsten Jahr an angegangen und nach fünf Jahren überprüft werden sollen. Das sogenannte Starterpaket. Außerdem seien die für die Stadt zu erwartenden Kosten genau zu definieren.
Schon gibt es Widerstand und Änderungswünsche
Bevor es nun noch eine einzige Beratung darüber im politischen Raum gegeben hat, gibt es Widerstand und das gleich von mehreren Seiten. Die Stadtgestalter haben bereits im Oktober vergeblich versucht, auf einige Probleme aufmerksam zu machen. So zeigten sie auf, dass die ersten Schritte bereits im vergangenen Jahr hätten beginnen können und schlugen einen neuen, der Realität angepassten Entwicklungspfad vor. „Das ist blanker Aktionismus, es ist völlig absurd, dass die Stadt bis 2035 klimaneutral werden könnte“, so Volker Steude, der sich einen ehrlicheren Entwicklungspfad gewünscht hätte.
Eine ähnliche Stoßrichtung verfolgt eine Gruppe von neun Organisationen, die zwar in der Steuerungsgruppe mitarbeiteten, ihre Gedanken und Vorstellung aber nicht ausreichend vertreten sehen. Dazu ist eine Eingabe für die Ratssitzung erarbeitet worden, die die Steuerungsgruppe als Kontrollgremium verstetigen möchte. „Wir haben für die Ratssitzung oder den Umweltausschuss zudem Rederecht beantragt“, so Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt, vom Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung.
Schließlich gibt es noch einen Änderungsantrag, der von CDU, UWG und FDP im Rat unterstützt wird. Ein Kern dieses Antrags ist, dass „im Hinblick auf die angespannte Haushaltslage jährlich ein festes Budget für die Aktivitäten festgelegt“ werden soll. „Ist das Budget erreicht, werden Maßnahmen angepasst und gegebenenfalls in das nächste Haushaltsjahr verschoben.“