Bochum. Ingolf Bertram war Diabetiker, dann streikten die Nieren. In Bochum bekam er neue Organe – und feiert jetzt zweimal Geburtstag im Jahr.

Ingolf Bertram hat Schmerzen – und strahlt trotzdem. „Bandscheibenvorfall“, sagt er bei der Jubiläumsveranstaltung „30 Jahre Transplantationszentrum im Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer“. Nicht schön, aber angesichts dessen, was er hinter sich hat, eher nebensächlich. Bertram hat zwei neue Organe in seinem Körper: eine Niere und die Bauchspeicheldrüse. „Die funktionieren super und ich bin einfach nur glücklich.“

Am 15. Dezember 2018 wurden ihm die Organe eingepflanzt. Seither sieht der 65-Jährige diesen Tag als seinen zweiten Geburtstag im Jahr an. Bertram weiß, dass er Glück gehabt hat. Drei Jahre habe er auf die Transplantation im Knappschaftskrankenhaus warten müssen. „In dieser Zeit habe ich auch viele andere Patienten kennengelernt, die währenddessen gestorben sind.“

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Mit 14 Jahren wurde bei ihm Diabetes festgestellt. Er habe bewusst und gut mit der Krankheit gelebt, sagt der evangelische Pfarrer im Ruhestand, „aber es grenzt schon an ein Wunder, dass ich heute nicht blind bin und noch alle Gliedmaßen habe“. Mit etwa 40 seien die Nierenwerte auf ein konstant niedriges Niveau gesunken, zehn Jahre später sei es ihm schlagartig schlechter gegangen, „die Nierenleistung lag nur noch bei zehn Prozent“.

Professor Richard Viebahn (links) vom Knappschaftskrankenhaus in Bochum-Langendreer hat Ingolf Bertram 2018 erfolgreich zwei neue Organe eingepflanzt. Das verbindet die beiden – bis heute.
Professor Richard Viebahn (links) vom Knappschaftskrankenhaus in Bochum-Langendreer hat Ingolf Bertram 2018 erfolgreich zwei neue Organe eingepflanzt. Das verbindet die beiden – bis heute. © Gernot Noelle

2015 ging es an die Dialyse. „Für meine Frau war das ein Schock“, sagt Bertram. „Damit wurde einem die Bedrohlichkeit der Krankheit bewusst.“ Er hatte zum zweiten Mal geheiratet, Zwillinge (heute 10) bekommen, das dritte Kind (heute 8) war gerade unterwegs. „Sie wollte ich unbedingt aufwachsen sehen, mit ihnen was machen können“, beschreibt Bertram sein Ziel; seinen Antrieb, all das, was kommen sollte, gut zu überstehen.

Irgendwann um Mitternacht kam der Anruf: „Die Organe sind da.“ Die Kinder schliefen. „Ich hatte kaum Zeit, mich von ihnen zu verabschieden, haben jedem einen Kuss gegeben. Und wusste nicht, ob wir uns wiedersehen werden.“ Die OP glückte, doch noch zwei weitere Wochen durfte die Familie nicht zu ihm – Infektionsgefahr. „Das war hart, hatte aber eine noch engere Bindung untereinander zur Folge“, berichtet Bertram.

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Seither betrachtet er jeden Tag, den er mit seinen Lieben verbringen kann, als Geschenk. „Alles läuft bestens“, freut sich der Dortmunder und ist Professor Richard Viebahn, der ihn operiert hat, unheimlich dankbar. „Ich muss auch nie wieder Insulin nehmen. Manchmal streichel ich über die Stellen, an denen die Organe sitzen, und sage ,Macht weiter so’.“

Der Familie des Verstorbenen, von dem die gespendeten Organe stammen, hat Ingolf Bertram einen Dankesbrief geschrieben – anonym. „Zu viele Informationen können auch belasten“, weiß der frühere Seelsorger. „Beide Seiten.“