Bochum. Eine Bochumer Hausärztin wird in einer Werbekampagne der Kassenärzte zur „Praxisheldin“. Warum sich Dr. Andrea Jelinski als Mutmacherin eignet.
„Ich habe meine Entscheidung nie bereut“, sagt Dr. Andrea Jelinski. In Langendreer ist die 45-Jährige seit acht Jahren als Hausärztin tätig. Nun wird sie auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt: als eines von vier Gesichtern der Kampagne „Praxisstart“ der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Deren Mission: Mehr junge Medizinerinnen und Mediziner für eine Niederlassung zu gewinnen.
Dr. Eckhard Kampe spricht von einem „bislang einzigartigen Aderlass“. 1005 Ärztinnen und Ärzte praktizieren in Bochumer Praxen, davon 223 Hausärzte. Nach Berechnungen des Bezirksleiters der KVWL werden 40 Prozent seiner Kolleginnen und Kollegen bis 2028 aus Altersgründen ausscheiden. Dabei sei es jetzt schon schwierig, Nachfolger zu finden. Besonders betroffen sind Hausärzte. Aktuell stehen stadtweit fünf Hausarztpraxen leer. Die Entwicklung bereite auch bei den Fachärzten wegen der vielen Renteneintritte Sorge, so Kampe.
Kassenärzte starten neue Kampagne „Praxisstart“
Die KVWL will gegensteuern. „Praxisstart“ heißt ihre 2014 gegründete Kampagne, die Medizinstudenten, aber auch Fachärzte aus Kliniken ermuntern soll, den Schritt zur eigenen Praxis zu wagen. Der Werbefeldzug wurde jüngst generalüberholt. Neben ausführlichen Informationen über die Möglichkeiten in der ambulanten Versorgung geben nun vier „Praxishelden“ online Einblicke in ihre Arbeit und machen Lust auf die Selbstständigkeit.
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![Die Harpener Hausärzte Sara und Alexander Könn haben ihre Nachfolge in diesem Jahr geregelt. Hunderte weitere Ärztinnen und Ärzte in Bochum gehen in den nächsten fünf Jahren in Rente. Die Harpener Hausärzte Sara und Alexander Könn haben ihre Nachfolge in diesem Jahr geregelt. Hunderte weitere Ärztinnen und Ärzte in Bochum gehen in den nächsten fünf Jahren in Rente.](https://img.sparknews.funkemedien.de/239613037/239613037_1694961072_v1_1_200.jpeg)
Andrea Jelinski zählt zu den KV-„Praxishelden“. „Weil ich den ganzen Menschen behandeln will“, prangt neben ihrem Foto auf der Kampagnenseite www.praxisstart.info. Nahe bei ihren Patientinnen und Patienten wolle sie als Hausärztin sein, bekräftigt sie im WAZ-Gespräch und zeigt sich „glücklich und zufrieden“, ihr Ziel erreicht zu haben.
![1400 Patientinnen und Patienten versorgt Dr. Andrea Jelinski in ihrer Hausarztpraxis an der Alten Bahnhofstraße in Bochum-Langendreer. 1400 Patientinnen und Patienten versorgt Dr. Andrea Jelinski in ihrer Hausarztpraxis an der Alten Bahnhofstraße in Bochum-Langendreer.](https://img.sparknews.funkemedien.de/240582736/240582736_1699976205_v16_9_1200.jpeg)
Hausärztin: In der Klinik bleibt der Mensch vielfach auf der Strecke
Nach ihrer Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Assistentin (MTA) am Knappschaftskrankenhaus Langendreer und einem Medizinstudium an der Ruhr-Universität war die Bochumerin in zwei Herner Kliniken tätig: in der Chirurgie und in der Inneren Abteilung im Marien-Hospital; in der Orthopädie im Evangelischen Krankenhaus. Freude bereiteten ihr zuletzt nur noch die Notdienste. Ihre Zustandsbeschreibung des Klinikalltags klingt ernüchternd: „Der Mensch bleibt auch wegen des enormen finanziellen Drucks vielfach auf der Strecke.“
2015 entschied sie, auf eine Oberarzt-Karriere zu verzichten und sich als Hausärztin niederzulassen. Hier, meint sie, „findet das richtige Leben statt und nicht in der Klinik!“ An der Alten Bahnhofstraße 29 in Langendreer übernahm Andrea Jelinski die alteingesessene Praxis von Dr. Lahr. „Ich bin angekommen“, sagt sie heute. Das Verhältnis zu ihren 1400 Patienten sei deutlich intensiver und umfassender, als es in einem Krankenhaus jemals machbar wäre. Auch ohne eine klinische High-Tech-Medizin sei es ihr und ihren vier Mitarbeiterinnen (darunter eine Auszubildende) möglich, Erkrankungen aller Art frühzeitig zu diagnostizieren und zu behandeln.
Auch das Privatleben kommt als Hausärztin nicht zu kurz
„Immer wieder großartig“ sei es, gerade ältere Menschen vor einem Krankenhausaufenthalt zu bewahren, schwärmt Jelinski. Anders als im Krankenhaus sei auch der Ausgleich zwischen Berufs- und Privatleben gesichert, etwa an den freien Wochenenden: „Die Work-Life-Balance stimmt.“
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Gern mache sie als „Praxisheldin“ dem medizinischen Nachwuchs Mut, gleichfalls eine Niederlassung anzustreben. Zwar sei es ein erhebliches Defizit, dass im Medizinstudium die Betriebswirtschaftslehre fehle. Aber: „Die Kassenärztliche Vereinigung leistet auch in diesem Bereich Unterstützung. Und das Bochumer Hausärztenetz bietet die Gewähr, dass man auch mit einer Einzelpraxis niemals alleine ist.“
Für die Gertherin steht fest: „Ich will meine Praxis in Langendreer bis zum Ruhestand führen.“