Bochum. Im Prozess um tödliche Schüsse in einer Bochumer Tiefgarage hat der Angeklagte gestanden. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so eskaliert.“
Kurz vor dem geplanten Ende des Mordprozesses um die tödlichen Schüsse auf einen 58-jährigen Bochumer in dessen Auto am Hustadtring in Bochum hat der Hauptangeklagte (27) ein Geständnis abgelegt. Monatelang hatte er geschwiegen, jetzt ließ er über seine Verteidigerin Gesine Ickert eine Erklärung vorlesen.
Dort schilderte der Türke die Tat vom 7. März 2023 in einer Version, die mehr oder weniger auf einen Totschlag im Affekt hinausläuft. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so eskaliert.“ Angeklagt ist aber heimtückischer Mord, was im Regelfall die Höchststrafe bedeutet.
Mordprozess in Bochum: Mann in Tiefgarage in der Hustadt erschossen
Der später getötete Bochumer, so der 27-Jährige, habe ihn am 3. März vor einer Ampel an einer Straßenkreuzung in Dortmund von hinten zweimal mit einer Lichthupe angeblinkt („nah an der Stoßstange“) und sich dann links neben ihn gestellt. „Weg mit dir, du Flüchtling! Sonst liegst du wie Mehmet Kubaşik.“ Dieser Mann (39), ein Deutscher türkischer Herkunft, war 2006 in Dortmund von Rechtsextremen (NSU) erschossen worden.
Der Bochumer habe auch sein Handy auf ihn gerichtet und fotografiert. Er, der Angeklagte, habe befürchtet, dass der Bochumer ihm etwas antun würde. „Na, lebst Du noch?“, habe er ihm auf der Straße am Tag danach gesagt. Der Bochumer arbeitete bei der Telekom ganz in der Nähe der Wohnung des Angeklagten in der Dortmunder Nordstadt. „Ich hatte Angst, dass er mich umbringt“, so der Angeklagte. Und: „Ich war wütend, dass er das Foto gemacht hatte.“
Situation sei eskaliert, schildert der Angeklagte
Er habe dann die Wohnadresse des Bochumers herausbekommen und ihn am 7. März in dessen Sammelgarage am Hustadtring zur Rede gestellt. „Lösch das Foto!“ Mitgenommen habe er eine Schusswaffe, mit der habe er den Kontrahenten aber nur „einschüchtern“ wollen. Doch dieser habe ihn nicht ernst genommen und ihn obszön beleidigt. Nachdem der Bochumer in sein Auto eingestiegen sei, um wegzufahren, habe er mehrfach auf ihn durchs Seitenfenster und die Heckscheibe geschossen.
„Nach der Beleidigung habe ich die Nerven verloren“, so der Angeklagte. Die Situation sei eskaliert, nicht geplant gewesen. „Wegen so eines Vorfalls sollte niemand sterben müssen.“
Ein Foto soll der Bochumer in Wahrheit nie gemacht haben.
Auch Raubüberfall auf einen Dortmunder ist Thema
Geäußert hat sich der Angeklagte auch zu einem Raubüberfall auf einen Dortmunder Chef einer Abschleppfirma am 21. Dezember 2022. Mit einer Schusswaffe vor dem Gesicht war dem 65-Jährigen auf offener Straße der Porsche Cayenne geraubt worden. Der Angeklagte räumte auch dies ein.
Motiv: Er sei verärgert gewesen, weil der 65-Jährige ihm vier Jahre zuvor für seinen Audi A6 nach einem Totalunfallschaden nur 250 Euro gegeben habe. Zuvor habe er 14.000 Euro zusammengespart, um den A6 kaufen zu können. Unter dem Verlust des Autos habe er „sehr gelitten“.
Den Porsche habe er nicht weiterverkaufen wollen. Er habe ihn dem Mann nur „weggenommen, damit es ihm so ging wie mir“. Er habe gewusst, dass der Porsche wenig später gefunden werden würde, was auch der Fall war.
Psychologischer Gutachter attestiert gestörtes Sozialverhalten
Ein psychologischer Gutachter (65) attestierte dem 27-jährigen Angeklagten, der bis zur Verhaftung im Mai als Pizzafahrer jobbte, „ein gestörtes Sozialverhalten“ und „narzisstische Kränkungen“. Er reagiere „misstrauisch und paranoid auf die Mitwelt“ nach dem Motto: „Man gönnt ihm nichts.“ „Er sucht in der Außenwelt den Grund für seine Enttäuschung.“ Er glaube: „Alle wollen, dass es ihm schlecht geht.“ Er sei „sehr lange nachtragend“ und habe sich in „Rachefantasien“ reingesteigert.
Eine Psychiaterin ergänzte: „Er fühlt sich gekränkt und benachteiligt.“ Und verfahre dann nach dem biblischen Motto: „Auge um Auge.“
Der Angeklagte sei „strafrechtlich voll verantwortlich“. Der Psychologe bestätigte dies: Es gebe „keine Anzeichen für eine organische Schädigung“ und „keine Anhaltspunkte für eine psychische Störung“.
Angeklagt ist auch der enge Freund (29) des 27-Jährigen. Er soll nach den tödlichen Schüssen das Auto des mutmaßlichen Mörders vom Tatort weggefahren haben. Das Urteil soll in den nächsten Tagen fallen. Dann werden die Richter auch sagen, ob sie den Versionen des 27-Jährigen folgen oder sie für erfunden halten. Dem Mann droht lebenslange Haft.