Bochum. Im Prozess um den Garagen-Mord in Bochum hat die Kripo die Tat mit einem Mafia-Stil verglichen. Sie sprach von „absolutem Vernichtungswillen“.

„Das war einer der herausragendsten Fälle, die mir je begegnet sind“, sagt der erfahrene Bochumer Kriminalhauptkommissar Arndt Mallepree (52) am Dienstag vor dem Schwurgericht. Drei Meter neben ihm sitzt der 27-jährige Dortmunder, der am 7. März einen 58-jährigen Bochumer mit sieben Schüssen in dessen Auto heimtückisch erschossen haben soll – „mit absolutem Vernichtungswillen“, wie der Polizist sagte.

Um auf seine Spur gekommen zu sein, habe die Kripo Bochum „alle Karten gezogen, die uns der Rechtsstaat gegeben hat. Wir haben fast jedes Mittel eingesetzt, das die Strafprozessordnung kennt“.

Täter schoss sieben Mal auf das arg- und wehrlose Opfer in einem Auto

Der 52-Jährige hatte die Mordkommission geleitet. Sie hieß „MK Garage“, denn Tatort war die Gemeinschaftsgarage des Bochumers am Hustadtring. Das Opfer war gerade in seinen Audi TT gestiegen, hatte den Motor gestartet, als fünf Schüsse durch die Karosserie einschlugen und zwei weitere durchs vordere Seitenfenster – direkt in den Kopf. „Kann man von einer Hinrichtung sprechen?“, fragt Staatsanwalt Philipp Rademacher. Dieses Wort sei ihm damals durch den Kopf gegangen, so Mallepree. Die Art der Tat sei „wie in Mafia-Kreisen“.

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Die Ermittlungen waren absolute Schwerstarbeit, weil keinerlei Tatmotiv erkennbar war. Das allein lebende Opfer hatte keine Feinde, lebte zurückgezogen. Von seinem Arbeitskollegen (50) bei der Telekom in Dortmund kam dann der entscheidende Hinweis: ein kleines Wortgefecht wegen einer banalen Verkehrsstreitigkeit in der Dortmunder Nordstadt zwischen dem jetzt Angeklagten und dem späteren Opfer wenige Tage vor dem Mord. Der 27-Jährige hatte während des Wortgefechts den Polizeinotruf 110 angerufen, um Unterstützung zu bekommen.

Kripo Bochum setzte zum „großen Lauschangriff“ an

Trotzdem war die Kripo noch skeptisch, nun den Täter zu haben. „Ein Mensch, der die Polizei anruft wegen so einer Nichtigkeit, der erschießt nicht Tage später einen Menschen“, sagte Mallepree den Richtern. „Das war für uns nicht vorstellbar.“ Das sollte sich aber ändern.

Die Kripo setzte einen „großen Lauschangriff“ ein, denn die Handynummer hatte der Verdächtige ja selbst beim Polizeinotruf hinterlassen. Die MK überwachte ihn sowohl technisch als auch optisch, hörte seine Telefonate mit, durchleuchtete sein halbes Leben.

Die mutmaßliche Tatwaffe wurde in der Wohnung des Angeklagten gefunden. Sie war in einen Teppich unter einem Bett eingerollt.
Die mutmaßliche Tatwaffe wurde in der Wohnung des Angeklagten gefunden. Sie war in einen Teppich unter einem Bett eingerollt. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Die Kripo holte sogar ein Gutachten von Sportwissenschaftlern der Uni Köln ein, um die Gangart des Verdächtigen zu untersuchen. Denn mittlerweile war bekannt, dass der Mann im Dezember 2022 auch einen Porsche in Dortmund geraubt haben soll, ebenfalls mit einer Schusswaffe. Am Tatort aufgefundene Patronenhülsen waren identisch mit denen vom Tatort in Bochum. Weil der Porsche-Raub von einer Hauskamera gefilmt worden war und die Kripo heimliche Videoaufnahmen während der Observierung des Verdächtigen gemacht hatte, konnten die Wissenschaftler die jeweiligen Bewegungen vergleichen.

„Deutschenhass“ und „deutsche Kakerlaken“

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Auch wegen Mordfall in Dortmund überprüft

Die Kripo hatte zeitweise auch überprüft, ob der 27-jährige Angeklagte, ein türkischer Pizza-Auslieferungsfahrer, auch für den Mord an einem 32-jährigen Dortmunder in der Hirtenstraße in Dortmund verantwortlich ist.

Am 29. Mai 2022 war das Opfer ebenfalls in einem Auto sitzend durch mehrere Schüsse getötet worden. „Aus meiner Sicht war dies ein äußerst kaltblütiger Täter. Solche Täter haben wir in Deutschland nicht viele“, sagt MK-Leiter Arndt Mallepree.

Vorgeworfen wird dem Angeklagten dieser Mord jetzt aber nicht. „Es ist bei Hinweisen geblieben, die mit unserem Fall in Bochum Copy-and-paste sind.“ Heißt: identisch. Bis heute ist der Mord in Dortmund ungeklärt.

Zudem stellte sich bei Funkzellenauswertungen heraus, dass das Handy des 27-Jährigen am Tatort zur Tatzeit eingeloggt war. All dies und noch manches mehr führte zum Zugriff am 24. Mai in der Wohnung des Beschuldigten in der Dortmunder Nordstadt.

Um 6 Uhr stürmte ein Spezialeinsatzkommando gewaltsam durch die Wohnungstür und fesselte den 27-Jährigen. Unter dem Bett, eingewickelt in einen Teppich, lag die mutmaßliche Tatwaffe. Außerdem gefunden wurden Munition und ein Einhandmesser.

Ein weiterer Kripobeamter (36) erklärte den Richtern, dass bei der Telefon-Observierung auch ein „Deutschenhass“ des Angeklagten aufgefallen sei. Von „deutschen Kakerlaken“ etwa habe er geredet. Und dass er dem „deutschen Volk“ nur dunkle Wolken und keine Sonne gönne.

Im Prozess schweigt der Mann.