Bochum. In der Ukraine hat Nataliia Ivanova Deutsch und Englisch unterrichtet. Als sie in Bochum ankam, musste sie selbst wieder die Schulbank drücken.

Als sie im Sommer vergangenen Jahres ihre Koffer packte, da dachte Nataliia Ivanova noch, dass sie in wenigen Monaten wieder zurück sein wird. Zu Hause – in der ukrainischen Seehafenstadt Cherson. Den Aufenthalt in Deutschland könnte sie nutzen, um ihre Sprachfertigkeiten weiter zu verbessern, so ihr Gedanke. Doch es kam alles anders.

Cherson wurde von russischen Soldaten besetzt und die Perspektive, mit ihrem Sohn (13) zurückzugehen, wurde immer hoffnungsloser. Ivanova wurde klar: Wir bleiben. Dass Deutschland das Ziel ihrer Flucht war, ist kein Zufall: In der Ukraine hat die 37-Jährige als Deutsch- und Englischlehrerin gearbeitet. "Ich konnte die Sprache also schon sprechen", sagt sie.

Ukrainerin unterrichtet in Bochum andere Flüchtlinge

Als sie das Jobcenter-Mitarbeiter Thomas Mehring schilderte, wusste der gleich: Das sind gute Chancen, auch hierzulande schnell einen Job zu finden. Weiterer Pluspunkt: Ivanova hatte ihre Zeugnisse und Abschlusszertifikate mitgebracht. "Ich musste dennoch zunächst an einem Sprachkurs teilnehmen", sagt sie. Zeitnah stellte sich heraus: Im Kurs für das Sprachniveau B2 ist Ivanova nicht richtig aufgehoben – sie kann direkt im höheren Niveau C1 einsteigen.

Recht schnell ergab sich eine weitere Perspektive: Die Sprachschule bot ihr eine Stelle als Lehrerin an. Ivanova schlug ein. "Ich gebe dort Sprachkurse für andere Flüchtlinge", sagt sie. Die über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finanzierten Kurse unterrichtet Ivanonva in Teilzeit.

Wie viele Ukrainer in Bochum arbeiten

"Ich habe zwar lieber Kinder unterrichtet, aber ich bin froh über meinen Job", sagt Ivanova. Eine strenge Lehrerin sei sie nicht, sie versuche die Sprache spielerisch zu vermitteln. Ihre deutschen Lieblingswörter: "witzig" und "komisch". "Ich frage mich immer wieder, warum in der deutschen Sprache ein Haus an einer Straße liegt und nicht steht", sagt sie und lacht.

Dass Ivanova so problemlos einen Job gefunden hat – ab kommenden Monat wechselt sie an eine Sprachschule in Essen – ist keine Selbstverständlichkeit. Von den 1723 ukrainischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zwischen 15 Jahren und dem Rentenalter, die in Bochum leben, wurden 110 Menschen in Arbeit vermittelt (Stand November 2023). Eine Quote von rund sechs Prozent.

Abschied von alten Berufsbildern

"Es kommen auch Menschen hier hin, die in der Ukraine zum Beispiel als Rechtsanwältin oder Zollbeamtin gearbeitet haben. Davon bleibt hier leider nicht viel übrig", sagt Mehring. Für die Geflüchteten bedeute das nicht selten ein schmerzvoller Abschied von ihrem alten Berufsbild.

Drei Viertel der Geflüchteten aus der Ukraine seien Frauen. "Die Fachkräftestellen, die hier offen sind, lassen sich damit nicht besetzen. Klassische Handwerksberufe sind zum Beispiel nur ganz wenige dabei", sagt Mehring. Die Leistungs- und Integrationsbereitschaft sei jedoch hoch.

Arbeitgeber gesucht: "Es braucht Mut"

"Es braucht auch Mut von Seiten der Arbeitgeber, jemandem aus der Ukraine eine Jobmöglichkeit zu geben", sagt Mehring. Das Jobcenter wünscht sich mehr Unternehmen, die diese Bereitschaft zeigen. Anders als hierzulande würden die Menschen nicht über alles einen Schein oder Zeugnis haben. "Ich würde mir wünschen, man würde die Menschen mehr vorarbeiten lassen", sagt Mehring.

Wer als Arbeitgeber einem ukrainischen Flüchtling Arbeit anbieten kann, kann dabei auch auf Unterstützung vom Jobcenter setzen. So werden Stellen nicht nur mit Coachings, sondern auch finanziell gefördert.

>>> Info: Bürgergeld für Flüchtlinge

Hierzulande leben rund eine Million Geflüchtete aus der Ukraine. Etwa 700.000 davon beziehen zurzeit Bürgergeld.

Geflüchtete aus der Ukraine erhalten laut einem Beschluss der Bundesregierung von Juni 2022 im Gegensatz zu allen anderen Geflüchteten automatisch Bürgergeld.

Dadurch bekommen sie 502 Euro im Monat statt Asylbewerberleistungen in Höhe von 410 Euro im Monat.