Bochum. Der Stoffladen am Prater Bochum schließt. Für die Mitarbeiter wird es emotional. Im Schlussverkauf gibt es viel Zuspruch – und unschöne Szenen.
Lange haben sie die Gedanken verdrängt. Doch die Tage werden immer weniger, bis es endgültig vorbei ist. „Die ganzen Wochen über haben wir das Thema vor uns hergeschoben. Jetzt wird es ernst“, sagen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Alfatex, dem bekannten Stoffladen am Prater in Bochum-Hofstede. In einer Woche, am Samstag, 25. November, wird zum letzten Mal geöffnet. Dann ist Schluss. Nach 34 Jahren.
„Sowas noch nicht erlebt“: Die letzten Tage von Alfatex in Bochum
Heike Olbrich kämpft immer wieder mit den Tränen. Die 46-Jährige leitet die Alfatex-Filiale in Bochum. Vor 30 Jahren hat sie hier angefangen und nie woanders gearbeitet. „Das ist unser Zuhause, unsere Familie, die wir verlieren“, sagt sie in der morgendliche Runde, wenn das Personal bei einem Kaffee noch für eine halbe Stunde zusammensitzt, ehe um 10 Uhr die Tür aufgeschlossen wird.
Hier hocken sie jetzt und erzählen, geben Einblicke in ihr Seelenleben und lassen den Emotionen freien Lauf. Es sind meist traurige, aber durchaus auch schöne Momente, von denen sie berichten. Von Kunden, die sie umarmen, ihnen Mut machen, Trost spenden. Die kleine Präsente mitbringen, ihnen Süßigkeiten zur Aufmunterung schenken und Prosecco mit ihnen trinken.
„Der Kundenkontakt wird uns sicher am meisten fehlen“, sagt Gabi Peters (53). Sie ist erst fünf Jahre im Team, aber mindestens genauso angefasst wie die „alten Hasen“. Reinhold Brall etwa, seit fast 30 Jahren Raumausstatter bei Alfatex und – wie er selbst sagt – mit der „Lizenz zum Dekorieren“. „Mir ist zum Heulen zumute“, gesteht der 61-Jährige. „Ich kriege jedes Mal Gänsehaut, wenn ich mit den Kunden über die Situation rede.“ Ein bisschen helfe ihm, schon eine neue Stelle zu haben. In der selben Branche, nur in Essen.
Alfatex-Aus in Bochum: So geht es für die Mitarbeiter weiter
Auch Gabriele Bukowski (62) ist auf dem Arbeitsmarkt schnell fündig geworden. Nach 25 Jahren Alfatex fängt sie am 1. Dezember bei Baltz an – in der Abteilung für Heimtextilien. Das passt. Sorgen um die Zukunft mache man sich eh nicht, sagt Andrea Barthel (48), die erst vor einem Jahr dazustieß und sich nun schon wieder eine neue Stelle suchen darf. „Wir sind alles Fachkräfte. Und die werden gesucht“, sagt sie selbstbewusst.
Das sieht auch Heike Olbrich so. Ein schönes Zeichen sei der Besuch der Geschäftsführung der Adler-Modemärkte im Hannibal-Center gewesen. „Als sie erfahren haben, dass wir schließen, kamen die rüber und boten uns an, sich bei ihnen zu bewerben. Sie suchten Personal“, freut sich Olbrich über die Wertschätzung, die nach dem letzten Tag aber erstmal durchatmen, sich sammeln „und dann einen tollen neuen Job finden“ will.
Bis dahin haben sie und ihr Team noch alle Hände voll zu tun. Das Geschäft brummt. „Aber erst, seit die Schilder mit den Rabatten hängen“, sagt Olbrich. Vorher sei es über viele Jahre ruhig gewesen – mit der Schließung als Folge.
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Jetzt aber gehe es Schlag auf Schlag. „Ich stehe an der Kasse“, berichtet Andrea Barthel. „Da fällt mir abends die Hand ab. Aber in der Kasse ist kaum was drin. Das tut schon weh.“ Auch das Verhalten vieler Kunden, die vor allem wegen der Rabatte kämen, falle negativ auf. „Das hat vor zwei Wochen angefangen – die Schattenseiten des Schlussverkaufs“, sagt das Team.
Ausverkauf bei Alfatex in Bochum: Weiteren Rabatt gibt es nicht
Einige kämen drei Mal wieder, weil sie die Einkäufe mit einer Wagenladung nicht nach Hause bekämen. Das Benehmen sei vielfach schlecht, da würden Stoffe einfach rausgerupft. Manche seien zudem unverschämt, wollten am Preis noch was drehen, obwohl dieser schon um 50 Prozent reduziert ist. Dabei sei die Ware top. „Es tut wirklich weh, richtig gute Stoffe so zu verramschen“, sagt Gabi Peters.
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Auch wenn die letzte Woche bevorsteht, weiter runter gehen die Preise nicht, kündigt Heike Olbrich an. Inzwischen würden auch die Möbel vertickt. „Von dem Erlös finanzieren wir unsere kleine Weihnachtsfeier am Wochenende.“ Danach werden die Mitarbeiter noch mal Vollgas geben und alle an den letzten sechs Tagen durcharbeiten. Freie Tage gibt es jetzt nicht mehr. Dafür verteilt Olbrich immer wieder Taschentücher...
Alfatex-Aus: Das sagen die Kunden
Viele Kunden reagieren bestürzt auf das Aus von Alfatex. Von Beginn an habe sie hier eingekauft, sagt Angela Jungbluth aus Wanne-Eickel. Sie sei Puppenmacherin und habe hier immer alles gefunden, was sie benötigt. Auch der Kontakt zum Personal sei prima gewesen, „nicht so anonym“. „Ich wünsche allen nur das Allerbeste.“
Cornelia Leschke aus Bochum hat bei Alfatex stets das Zubehör für ihr Näh-Hobby und Patchwork-Kurse gekauft. „Ich bin sehr traurig und weiß jetzt gar nicht, wo ich das künftig herbekomme. Es gibt sonst nichts in dieser Art.“
Erika Münch hat erst am Vortag davon erfahren, dass Alfatex schließt – und ist dann gleich von Gelsenkirchen nach Bochum gedüst. „Der beste Laden, den es im Umkreis gibt. Das ist so schade.“