Bochum. Apotheken in Bochum bleiben am Mittwoch fast ausnahmslos geschlossen. Auch Hausärzte streiken. Um diese Kritik an der Gesundheitspolitik geht es.
- Apotheker und Hausärzte protestieren am Mittwoch, 15. November, gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung
- Die meisten Apotheken in Bochum bleiben geschlossen, auch viele Arztpraxen dürften nur eingeschränkt erreichbar sein
- Der Protest dreht sich unter anderen um Unterfinanzierung und Lieferengpässe
Anhaltende Lieferengpässe, Personalmangel, unzureichende Vergütung: Am Mittwoch, 15. November, schließen rund 90 Prozent der Apotheken in Bochum, um gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung auf die Straße zu gehen. Sie wollen auf die Missstände in der Pharmazie aufmerksam machen, so Ralph Hohmann, Bezirkssprecher des Bochumer Apothekerverbands und Inhaber der Kronen-Apotheke. Bereits im Juni gab es einen bundesweiten Protest. Nun folgt ein weiterer, diesmal auch mit Hausarztpraxen.
„Wir protestieren, weil die Bundesregierung die Struktur der Apotheken vor Ort endlich stärken muss, ansonsten droht weiter eine massive Gefährdung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung“, sagt Inka Krude, Sprecherin der Bochumer Apothekerschaft.
Apotheken: Viele Medikamente sind nicht lieferbar
Akute Lieferengpässe von Medikamenten erschweren die Arbeit der Apotheken. Die Folge: Versorgungsschwierigkeiten der Patienten und Patientinnen. In Ralph Hohmanns Apotheke sind etwa 300 Produkte nicht lieferbar, darunter Antibiotika, Schmerzmittel, Augentropfen, Anti-Depressiva. In größeren Apotheken seien es sogar bis zu 800 Produkte. Apotheken versuchen, die Versorgungsprobleme durch die eigene Herstellung von Medikamenten und das Ausweichen auf ähnliche Produkte auszugleichen. So sollen die Kunden und Kundinnen trotzdem versorgt werden, so der Apotheker. Diese Mehrarbeit werde jedoch nicht zusätzlich vergütet. Die Voraussetzung für diesen Ausgleich sei zudem eine flächendeckende Infrastruktur von Apotheken.
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Bochum: Ein Drittel der Apotheken seit 2012 geschlossen
Die flächendeckende, wohnortnahe Versorgung mit Arzneimitteln sei jedoch aufgrund der Missstände und vielen Schließungen gefährdet. „Wir dürfen keine Apotheken mehr verlieren, weil wir sonst unsere flächendeckende Versorgung verlieren“, befürchtet Hohmann. Seit 2012 habe es 32 Schließungen in Bochum gegeben. Zur Zeit gebe es in Bochum noch 76 Apotheken - ein Rückgang um fast 30 Prozent in den vergangenen elf Jahren. Im laufenden Jahr haben bereits drei Apotheken geschlossen. Zwei weitere werden bis zum Jahresende folgen. Die Schließungen spiegeln sich vor allem in den Randgebieten wider, so Hohmann. „Es geht nicht darum, dass die Inhaber keine Lust mehr haben, es lohnt sich finanziell einfach nicht mehr. Manche Kollegen sagen, sie können ihre Apotheke nur noch führen, weil sie sich selbst ausbeuten.“
Honorar für Apotheken: Festbetrag lange nicht erhöht
„Das Honorar der Apotheken besteht zu einem wesentlichen Anteil aus einem Festbetrag“, so Krude. Dieser sei seit über zehn Jahren nicht angepasst worden. Gleichzeitig seien die Kosten um 60 Prozent gestiegen, so Hohmann. Diese Differenz sei existenzgefährdend. Pro abgegebener Packung eines Arzneimittels auf Rezept liege der Festbetrag bei 8,35 Euro. Er müsse jedoch auf 12 Euro ansteigen.
Viele junge Apotheker und Apothekerinnen wollen unter diesen Bedingungen die Apotheken nicht übernehmen, wenn der Inhaber in Rente geht. Daher schließen viele. Fachkräftemangel, Ruhestand und finanzielles Risiko treffen zusammen.
Apotheken ohne Apotheker, ohne Notdienste, ohne Eigenherstellung
Inka Krude kritisiert das vorgestellte Reformvorhaben von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Er wolle Apotheken ohne die eigene Herstellung von Rezepturen, ohne Notdienste und teils ohne approbierte Apotheker und Apothekerinnen schaffen. Dadurch würde ein Zweiklassensystem in der Arzneimittelversorgung entstehen.
„Wir wollen Politiker auf unsere Situation aufmerksam machen. Es kann so nicht weitergehen. Es braucht andere gesetzliche Strukturen, um die Apotheken wirtschaftlich zu stabilisieren,“ sagt Ralph Hohmann. Er gehe für seine Mitarbeitenden, eine bessere Bezahlung und vor allem für seine Patienten und Patientinnen auf die Straße.
Bochum: Auch Hausärzte protestieren
Gemeinsam mit Apotheken aus ganz NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland beteiligen sich die Bochumer Apothekerinnen und Apotheker an der zentralen Kundgebung in Dortmund. Auch der Hausärzteverband Westfalen-Lippe hat Hausärzte und Hausärztinnen aufgerufen, sich dem Protest anzuschließen.
Notdienstapotheken stehen bereit
Den Kunden und Kundinnen wird empfohlen, Medikamente in den Tagen vor oder nach dem 15. November zu besorgen. In akuten Fällen gibt es Notdienstapotheken, um die Versorgung am Protesttag sicherzustellen. In Bochum sind das laut AKWL-Notdienstkalender die Park-Apotheke an der Alten Bahnhofstraße 161 in Langendreer und die Bahnhof-Apotheke an der Dr.-C-Otto-Straße 121 in Dahlhausen.