Bochum. In modernen E-Autos steckt mehr Bochum, als vielen klar ist: Experte Prof. Michael Schugt erklärt, warum Bochum auch ohne Opel Auto-Stadt ist.

„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, hat Altkanzler Helmut Schmidt gesagt. Das mag manchmal stimmen. Immer nicht. Im Fall von Michael Schugt ganz bestimmt nicht. Der gebürtige Bochumer hatte vor langer Zeit die Idee, dass seine Heimatstadt trotz der Schließung des Opel-Werks eng mit der Autoproduktion verbunden bleibt. So ist es auch gekommen.

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Wie viel Bochum in E-Autos steckt

„Wir sind ein Automobilstandort - nur anders“, sagt der promovierte Ingenieur und meint damit seinen Arbeitgeber Keysight Technologies ebenso wie die Stadt Bochum. Getriebe, Motoren und komplette Autos – so wie früher in den Opel-Werken I und II in Laer und Langendreer – werden hier zwar nicht mehr gebaut. Aber in modernen, elektrobetriebenen Autos steckt mehr Bochum drin, als vielen klar ist.

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„Wir stellen für die Welt das Prüfequipment zur Verfügung, um E-Autos bauen zu können“, so Schugt. Keysight sei Marktführer für die Batterie, „also für die wichtigste Komponente im E-Auto“. Und davon profitieren weitere Bochumer Firmen: Voltavision etwa. Schugt: „Das ist das größte Labor für das Testen von Batterien in Europa für alle Automobilfirmen. Wir liefern das ganze Equipment, mit dem Voltavision testet.“ Auch Volkswagen Infotainment und die Bosch-Tochter Etas, deren neuen Standorte auf Mark 51/7 im früheren Opel-Werk kurz vor der Fertigstellung stehen, setzten auf Keysight-Produkte.

Bochumer Start-up hat Prüftechnik für Batterien entwickelt

Die Batterie-Prüftechnik ist aber nicht nur deshalb „Made in Bochum“, weil der US-Konzern nun seinerseits auf Mark 51/7 ein Technologiezentrum eröffnet und damit die Sparte „Automotive and Energy“ im Ruhrgebiet verortet hat. Bochum ist tatsächlich die Keimzelle dieser Technik. Erdacht und weiterentwickelt wurde sie in dem Startup-Unternehmen Scienlab, das Michael Schugt gemeinsam mit Partnern 2001 gegründet hat. 2018 hat der US-Konzern Keysight Technologies das Unternehmen gekauft.

Weltweites Wachstum klappt nicht nur organisch

„Wir sind mit Scienlab deshalb in Keysight aufgegangen, weil wir gesagt haben, wir können das weltweite Wachstum nicht organisch schaffen.“ Investitionen, wie sie ein Konzern vornehmen kann, seien für ein mittelständische Unternehmen kaum möglich. „Das Verheiraten mit einem Weltunternehmen wie Keysight ist für uns der Schlüssel zum Wachstum gewesen“, sagt Schugt.

Ruhrgebiet bringt viele kluge Köpfe hervor

In Bochum und auf Mark 51/7 zu wachsen, habe dabei geradezu auf der Hand gelegen. „Wir sind hier, weil wir hier mit den umliegenden Hochschulen und der Infrastruktur einfach die Köpfe gewinnen können,die wir für Innovationen benötigen.“

Der Keysight-Standort aus der Luft. Drumherum werden in den nächsten Jahren weitere Büro- und Forschungsgebäude entstehen.
Der Keysight-Standort aus der Luft. Drumherum werden in den nächsten Jahren weitere Büro- und Forschungsgebäude entstehen. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Schon 2018, kurz nach der Übernahme, ist es Schugt und seinen Kollegen gelungen, den Konzern vom Standort Bochum zu überzeugen. „Wir sind durch das leere Presswerk gegangen.“ Und damals flammte die Vision vom Autostandort Bochum wieder auf.

Der Traum vom Bochumer "BoMobil" ist geplatzt

Jahre zuvor hatte der heute 59-Jährige schon einmal eine ähnliche Vision. Es war die Hoffnung, im Opel-Werk Elektroautos herzustellen. Erste Schritte hatte es gegeben, das mit Knowhow von der Hochschule Bochum – an der Schugt seit 2004 als Professor lehrt – entwickelte „BoMobil“ in Serie fertigen zu können. Im „BoWerk“, das damals in einem kleinen Teil des Opel-Werks I eingerichtet wurde, hatten Studenten mit einem „innovativen Ansatz ein neues Fahrzeug konzipiert“, so Schugt damals. Wäre das Opel-Werk nicht geschlossen worden, das „BoMobil“ wäre in Laer womöglich in Serie gegangen.

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Es ist anders gekommen. Aber: Für die gescheiterte wie für die realisierte Vision gilt gleichermaßen: Ohne kluge Köpfe und ohne Ambitionen lassen sich große Ziele nicht umsetzen. Das Innovationsökosystem Ruhrgebiet mit seinen Hochschulen und Startups hat beides. Davon ist Michael Schugt überzeugt.

Das Ruhrvalley ist längst keine Vision mehr

„Die Wissenschaft muss Impulsgeber sei“, sagt er. „Und aus der Wissenschaft müssen wir exzellente Studienangebote und relevante Aktualität mit Ausrichtung auf angewandte Forschung haben. Daraus entspringen die Innovationstreiber“. Wie Scienlab, Voltavision und wie die vielen anderen Firmen, die Bochum und die Region zum Ruhrvalley machen. Noch so eine Vision, mit der sich Helmut Schmidt vermutlich schwer getäuscht hätte.