Bochum. Im Prozess um eine tödliche Gasexplosion in einem Wohnhaus in Bochum wurden die Plädoyers gehalten. Hier sind die Strafanträge.
Der Bohrführer (51), der an der tödlichen Gasexplosion eines Einfamilienhauses in Bochum beteiligt war, soll ins Gefängnis. Staatsanwältin Jasmin Cramer forderte am Mittwoch zwei Jahre und acht Monate Haft wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässigen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und fahrlässiger Körperverletzung.
Verteidiger Roman von Alvensleben will Freispruch. Auch der zweite Angeklagte (30) soll freigesprochen werden, wie Verteidigerin Linda Vierks erklärte.
Der Fall ist einzigartig. Am 10. Januar hatten die Angeklagten, Mitarbeiter einer Essener Tiefbaufirma, im Auftrag von Vodafone an der Ecke Keilstraße/Auf dem Pfade an der Grenze Dahlhausen/Linden Kabelschächte für Glasfaserleitungen verlegt. Der Bohrer wühlte sich unterirdisch im „horizontalen Spülbohrverfahren“ durch die steinige Erde.
Um 17 Uhr begann die Katastrophe: Erst geräuschlos, dann mit ohrenbetäubender Wucht
Der 51-Jährige hatte das Sagen auf der Baustelle und steuerte die Maschine. Der 30-Jährige, ein Arbeiter, stand rund 100 Meter entfernt oberhalb des Bohrkopfes und überwachte mit einem Sensor dessen aktuelle Position. Bis 17 Uhr waren 130 bis 140 Meter geschafft. Dann begann die Katastrophe – erst geräuschlos, am Ende mit ohrenbetäubender Wucht.
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Der Bohrer hatte in etwa 1,30 Meter Tiefe eine Gasleitung mit 20 Zentimeter Durchmesser getroffen, obwohl er sich eigentlich unter ihr vorarbeiten sollte. Die Stahlwände des Rohres wurden vorn und hinten komplett durchtrennt. Die Löcher waren je 15 Zentimeter groß. Der Bohrkopf erwischte die Leitung genau mittig und im rechten Winkel, sonst wäre er wohl seitlich abgerutscht.
Bewohnern des Bochumer Hauses wurde von den Trümmern erschlagen
Große Mengen Gas traten ins Erdreich aus und verbreiteten sich stetig. Gegen 20.50 Uhr gab es eine gewaltige Explosion im Keller des Einfamilienhauses an der Keilstraße 60. Das Gebäude fiel in sich zusammen. Die Eigentümerin (61) wurde von den Trümmern erschlagen. Ihr Sohn (36) im Obergeschoss wurde äußerlich wie durch ein Wunder nur leicht verletzt.
Das Haus hatte zwar gar keinen Gasanschluss. Doch ein Gutachter vermutet, dass die Ölheizung im Keller sehr viel gashaltige Luft von außen angesaugt hat. 35 Kubikmeter Luft seien in den Stunden zwischen dem Durchbohren und der Hausexplosion im Keller ausgetauscht worden. Eine elektrische Zündquelle wie das Anspringen des Ölheizungsbrenners könnte ausgereicht haben, um das Gas zu entzünden.
Dass der Bohrkopf auf einen Widerstand getroffen war, hätte der Bohrführer befürchten müssen. Denn kurz darauf soll einer der Bauarbeiter „Gas! Gas! Gas!“ gerufen haben, weshalb der Bohrer denn auch gestoppt und der Bohrkopf etwas zurückgezogen wurde. Alle weiteren Anwesenden, auch die Angeklagten, rochen aber nach eigener Bekundung nichts. Auch weitere kleinere Prüfungen ergaben nichts. Alle gingen in den Feierabend, ohne zuvor eine Grube auszuheben, um die Ursache für den Widerstand aufzuspüren.
Staatsanwältin: Angeklagter hätte Baugrube ausheben müssen
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Genau dies macht Anklägerin Cramer dem Bohrer zum Vorwurf. Außerdem hätte er schon vor dem Unglück eine Grube öffnen müssen, denn eine „blinde Unterquerung“ sei verboten. Schließlich hätte er nach dem „Gas“-Ausruf sofort die Stadtwerke alarmieren müssen.
Verteidiger von Alvensleben meint aber sinngemäß, dass die enormen Folgen des Unglücks wegen einer unglücklichen Verkettung der Umstände nicht dem Angeklagten zuzurechnen seien: „Da hat sich etwas verselbstständigt, das weder vorhersehbar noch erkennbar war.“
Freispruch beantragte die Staatsanwältin indes für den Mitangeklagten. Er habe keine herausragende Stellung auf der Baustelle gehabt und keine Sorgfaltspflicht verletzt.