Bochum. Im Fall des explodierten Wohnhauses in Bochum ist ein Mann verhaftet worden. Er soll sich um eine durchbohrte Gasleitung nicht gekümmert haben.
Nach der Explosion in einem Wohnhaus am 10. Januar in Bochum-Linden hat es am Montag eine erste Verhaftung gegeben. Auf Antrag von Staatsanwalt Phillip Rademacher hat das Bochumer Amtsgericht einen Haftbefehl gegen einen 51-jährigen Mann aus Niedersachsen erlassen. Er sitzt jetzt in U-Haft.
Die Strafverfolgungsbehörde verdächtigt ihn dringend, eine „Sprengstoffexplosion durch Unterlassen mit Todesfolge“ herbeigeführt zu haben. Der Mann soll damals in der Keilstraße als Verantwortlicher einer Essener Tiefbaufirma im Auftrag von Vodafone mit der Verlegung von Kabelkanälen beschäftigt gewesen sein; in diese sollten später von einer weiteren Firma Glasfaserkabel verlegt werden.
Beschuldigter soll einfach Feierabend gemacht haben, obwohl Gefahr drohte
Bei den Arbeiten wurde eine Gasleitung durchbohrt. Staatsanwalt Rademacher sagte am Montagnachmittag auf WAZ-Anfrage: „Er hat es unterlassen, nach Durchbohrung der Gasleitung die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr gegenwärtiger Gefahr von Leib und Leben oder Sachwerten zu ergreifen.“ Er soll einfach Feierabend gemacht und den Dingen seinen Lauf gelassen haben. Wenige Stunden später gab es es eine schwere Explosion in dem Wohnhaus, das völlig zerstört wurde; eine 61-jährige Bewohnerin starb unter den Trümmern.
Nach Auswertung des ersten Sachverständigengutachtens und Würdigung der derzeitigen Sach- und Rechtslage hat sich dieser Verdacht erhärtet, teilen Staatsanwaltschaft und Polizei mit. Am Montag wurde der Mann in Düsseldorf festgenommen und dem Haftrichter vorgeführt.
Noch gegen zwei weitere Männer wird ermittelt
Auch gegen zwei weitere Mitarbeiter derselben Tiefbaufirma wird noch ermittelt, anfangs gab es sogar acht Beschuldigte.
Nach Recherchen der Bochumer WAZ-Redaktion hatte die Ursache für das folgenschwere Explosionsunglück in Dahlhausen/Linden von jenem späten Dienstagabend schon früh festgestanden. Hinweise aus der Bevölkerung hatten die Aufmerksamkeit auf Erdarbeiten gelenkt, die auf der Straße „Auf dem Pfade“ stattgefunden haben. Tatsächlich hat eine Spezialbohrer die Gasleitung der Stadtwerke komplett durchbohrt.“
Ursache für Haus-Explosion gefunden
Die Polizei hatte die Ermittlungen ebenfalls hochgestuft. Zunächst war eine Ermittlungsgruppe gebildet worden. Dann wurde daraus die Mordkommission „MK Baum“. Einzelheiten wollen weder Polizei noch Staatswaltschaft derzeit mitteilen. Jedoch bestätigte Staatsanwalt Rademacher die wesentlichen Rechercheergebnisse der WAZ, ohne auf Details weiter einzugehen.
Horizontal-Spülbohrverfahren wurde angewandt
Demnach begann am Dienstagnachmittag (10.1.) die Spezialbohrmaschine eines Essener Tiefbauunternehmens mit einem sogenannten Horizontal-Spülbohrverfahren damit, ein Bohrgestänge etwa 100 Meter entfernt vom Unglücksort parallel zum Straßenverlauf Auf dem Pfade voranzutreiben. Eigentlich hätte diese Arbeit offenbar erst in der kommenden Woche stattfinden sollten. Ein Zeuge hatte beobachtet, dass „gegen 17 Uhr zwei Männer direkt gegenüber des zerstörten Hauses ein Loch“ gegraben hätten.
Die Arbeiter gehörten zu einem Essener Tiefbaubetrieb, der als Subunternehmen eines Generalunternehmers im Auftrag von Vodafone Rohre für Glasfaserkabel verlegte. Dies bestätigte ein Unternehmenssprecher am Donnerstagabend. Das Unternehmen hatte eine gültige sogenannte Aufbruchgenehmigung der Stadt Bochum. „Die Verantwortung für die Bauausführung sowie die Verpflichtung, etwa vorhandene Leitungen zu erkunden, liegt beim Antragsteller“, so dazu die Stadt Bochum.
Vodafone: Das ist eine schreckliche Tragödie
Es gibt auch eine Stellungnahme von Vodafone. Konzernsprecher Volker Petendorf: „Die Haus-Explosion in Bochum ist eine schreckliche Tragödie. Den Hinterbliebenen dieses Unglücks gilt unser herzliches Beileid, den betroffenen Anwohnern unsere aufrichtige Anteilnahme.“ Wie der Mobilfunkkonzern weiter mitteilt, hätten die bisherigen Recherchen ergeben, dass der Dienstleister bei seinen Bauarbeiten dort „versehentlich eine dort verlegte Gasleitung offenbar beschädigt“ habe. „Ob die Beschädigung letztendlich Ursache für das Unglück sei, wird derzeit untersucht. Dies ist momentan Gegenstand der behördlichen Ermittlungen, die wir vollumfänglich unterstützen“, so der Konzernsprecher.
Bei einer solchen Genehmigung erhalten die Tiefbaufirmen auch die genauen Lagepläne von Versorgungsleitungen, wie Telekommunikation, Wasser, Abwasserkanäle und – nicht zuletzt – Gas. Im Kreuzungsbereich Keilstraße/Auf dem Pfade kreuzen sich zwei solche Gasleitungen. Wie die Staatsanwaltschaft erläutert, sei nun auch Gegenstand der Ermittlungen, ob die genaue Lage dieser Leitungen dem Tiefbauunternehmen bekannt gewesen ist. Die Firma wirbt selbst auf ihrer Homepage damit, dass mit dieser Technik große Aushubarbeiten vermieden werden können. Der Ausgang ist bekanntlich tragisch. Eine 61-jährige Frau verlor ihr Leben, ihr 35-jähriger Sohn erlitt Verletzungen und eine ganze Wohnsiedlung steht bis heute unter Schock.
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Am Donnerstag (12.) wurde eine erste Befragung in den Räumen des Essener Unternehmens durchgeführt. Außerdem erwirkte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss, bei dem etliche Beweismittel sichergestellt worden seien.
Klare Erkenntnisse, weiteres Vorgehen
Mittlerweile gibt es über den genauen Hergang eine recht klare Erkenntnis. Das Bohrgerät traf gegen 18 Uhr auf die Gasleitung, die entlang der Keilstraße verläuft. Das stabile Stahlrohr wurde durch den Bohrer komplett perforiert. Es soll ein Eintritts- und auch ein Austrittsloch geben. Bauarbeiter haben am Donnerstagabend unter Polizeischutz die Stelle freigelegt, um Beweise zu sichern.
Das Bohrfahrzeug und ein dazugehöriger Gerätelastwagen sind von der Polizei beschlagnahmt. Das Bohrgestänge steckt noch im Erdreich. Am Freitagmittag wurden sowohl der Bohrkopf als auch das beschädigte Teilstück der Gasleitung beschlagnahmt und durch die Polizei als Beweismittel sichergestellt und abtransportiert.
Gegenstand der weiteren Ermittlungen ist noch, warum das Gas sich ausgerechnet in dem jetzt total zerstörten Wohnhaus zu einer kritischen Konzentration sammeln konnte. Es gibt einen Schacht der Telekom sowie Kanalrohre, die jetzt untersucht werden.
Dazu teilte Staatsanwalt Rademacher mit, dass nun ein Sachverständiger für Explosionen und ein weiterer für Tiefbausachverhalte ihre Arbeit aufnehmen. Gegenstand dieser Untersuchungen dürfte unter anderem sein, wie das Gas seinen Weg in das später explodierte Gebäude gefunden hat.