Bochum-Gerthe. Die Stadt Bochum wird in einem ehemaligen Pflegeheim in Gerthe obdachlose Menschen betreuen. Was die Miete und das Personal kosten.
Die ehemalige Senioreneinrichtung „Haus Gloria“ in Bochum-Gerthe wird künftig ein Heim für Obdachlose: Der Haupt- und Finanzausschuss hat in seiner Sitzung am Mittwoch (20.) der Anmietung der Immobilie Lothringer Straße 21a von der „Ruhr Haus GmbH“ zugestimmt. Die Ratsmehrheit hatte das Vorhaben bereits vor einem Monat auf den Weg gebracht.
Das Haus mit ca. 1400 Quadratmetern Wohnfläche soll für zunächst fünf Jahre angemietet werden mit der Option auf Verlängerung. Die Miete beträgt monatlich rund 15.000 Euro. Die Eigentümerin verpflichtet sich im Vorfeld, Renovierungen vorzunehmen.
Für die erkrankten Bewohner wird es Nachtdienste geben
Die Menschen, die nach Gerthe kommen werden, sind teils erheblich erkrankt. Deshalb wird es erforderlich sein, neben der sozialpsychiatrischen Pflege auch Nachtdienste einzurichten. Die Personalkosten liegen jährlich bei etwa 400.000 Euro. Durch die Anmietung der ehemaligen Pflegeeinrichtung steht der Standort an der Herzogstraße in Hofstede wieder ausschließlich für Flüchtlinge zur Verfügung.
Durch intensivere Begleitung in kleineren Gruppen soll für die Wohnungslosen eine Zukunftsperspektive gesucht werden. Das kann die Vorbereitung und Vermittlung in eigenen Wohnraum, z.B. auch ambulant betreutes Wohnen, sein. Die Stadt plant, in Gerthe die Menschen begrenzt auf ein Jahr unterzubringen.
Die Zahl obdachloser Menschen in Bochum hat sich seit 2015 laut Stadtverwaltung verfünffacht. Gleichzeitig bleiben Wohnungslose länger in Sammelunterkünften – das städtische Hilfssystem gerät unter Druck. Um die Lage zu entzerren, sollen stadtweit neun weitere Standorte angemietet werden.
Der Protest geben die Pläne im Stadtteil wuchs
Als die Pläne der Stadt bekannt wurden, wuchs der Protest im Stadtteil, besonders, weil sie im Vorfeld nicht kommuniziert worden waren. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich drei Kindertageseinrichtungen; Eltern und Kita-Leitungen hatten gar eine Petition formuliert und ihre Bedenken aus Sorge um die Kinder geäußert. Zwei Bürger-Informationsveranstaltungen vermochten dann zunächst nicht, die Wogen zu glätten.
Die Bezirksvertretung Nord hatte in ihrer letzten Sitzung die Verwaltungspläne abgelehnt, sperrt sich aber nicht generell gegen die Unterbringung Wohnungsloser im Zentrum von Gerthe. Die Forderung: im „Haus Gloria“ weniger Menschen unterzubringen. Vorgesehen ist bislang, dort 42 Frauen und Männer zu betreuen.
Experten: Größe von 42 Plätzen ist überzogen
Dazu erklärt Gabriela Schäfer, stellvertretende Vorsitzende des Hauptausschusses sowie des Ausschusses für Soziales und Gesundheit, auf Anfrage: „Ich finde es bemerkenswert, dass sich auch Experten aus dem therapeutischen Bereich zu Wort gemeldet haben mit dem Hinweis, die Größe von 42 Plätzen an der Lothringer Straße sei überzogen. Inzwischen teile ich diese Meinung. Deshalb wollen wir für den Sozialausschuss am 17. Oktober das soziale Konzept der Betreuung – auch was die Zahl der Bewohner betrifft, darauf ausrichten.“
Die Ansicht teilt auch Ernst Steinbach, SPD-Ratsmitglied aus dem Bochumer Norden. „Die Lösung muss für beide Seiten tragbar sein. Die Stadt muss ja nicht über 40 Leute in einem Haus unterbringen; kleinere Gruppen sind menschenwürdiger.“
Koalition setzt sich für weniger Plätze und Einzelzimmer ein
Die rot-grüne Ratskoalition nimmt in einer Pressemitteilung Stellung: Sie will das Betreuungskonzept zur Wohnungslosenunterkunft an der Lothringerstraße 21a anpassen und die Anregungen aus dem Bezirk Nord ernst nehmen. Nach den Vorstellungen von SPD und Grünen soll es im ersten Jahr nur Einzelzimmer anstatt Doppelzimmer geben. Nach einem Jahr soll dann bewertet werden, ob die Kapazität erweitert wird oder es bei der aktuellen Belegung bleibt.
Parallel zur endgültigen Beschlussfassung über die Anmietung des Objekts durch den Haupt- und Finanzausschuss am heutigen Mittwoch haben SPD und Grüne einen entsprechenden Antrag für den Sozialausschuss im Oktober eingebracht. Gabriela Schäfer (SPD) und Sonja Lohf (Grüne): „Wir setzen uns dafür ein, vorerst die Zahl der Plätze zu reduzieren. Uns ist sehr daran gelegen, dass alle Einrichtungen und die Nachbarn gut miteinander auskommen.“