Bochum. Am Morgen des 7. März 2023 wird Christian N. erschossen. Eine Hausbewohnerin hört laute Geräusche. Zwölf Stunden später findet sie den Toten.

Nur ein Wort hat der Hauptangeklagte am zweiten Prozesstag im Garagenmordfall vor dem Landgericht Bochum gesagt. „Ja“, antwortet er auf die Frage von Richter Nils Feldhaus, ob er Stellung nehmen möchte zu drei Videos, die im Gerichtssaal gezeigt wurden. „Nein“, fährt Anwältin Gesine Ickert dazwischen. Vorerst nicht.

Garagenmord: Hauptangeklagter sagt am zweiten Prozesstag nur ein Wort

So bleiben die Videos zunächst unkommentiert. Weder der 26-jährige Dortmunder, der am 7. März 2023 in einer Tiefgarage am Hustadtring in Bochum-Querenburg den 58-jährigen Bochumer Christian N. mit sieben Schüssen getötet haben soll, noch der mitangeklagte 29-jährige Wittener äußern sich an diesem Morgen.

Die Videos zeigen eine mehrminütige Szene aus dem Jahr 2021. Vor einem DHL-Paketfahrzeug steht offenbar der angeklagte, heute 26-jährige Dortmunder und führt ein Wortgefecht mit einem Ehepaar, das das Gespräch mit einem Handy aufgenommen hat. Der Paketzusteller soll zu schnell in der verkehrsberuhigten Zone gefahren sein. Der Dortmunder wirft den Eheleuten, die die Polizei gerufen haben, Ausländerfeindlichkeit vor.

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Bildzeitung sucht Videomaterial: Richter hält undichte Stelle in der Justiz für möglich

Doch nicht nur deshalb kommen die Videos zur Sprache. Richter Feldhaus berichtet von einem Telefonat mit dem Mann, der das Filmmaterial erstellt hat. Dieser habe erzählt, vor einiger Zeit sei ein Reporter der Bildzeitung an seiner Haustür erschienen und habe nach den Videos gefragt. Er frage sich, wie der Reporter an seine Adresse komme und fürchte, dass demnächst Angehörige des Angeklagten bei ihm schellen. „Ich kann nicht ausschließen, dass es eine undichte Stelle in der Justiz gibt“, so Feldhaus. Aus seiner Sicht sei es „ein Unding“, dass ein Bild-Reporter vor der Haustür auftauche und nach Beweismaterial frage.

Notfallsanitäter hat den Tod des 58-Jährigen festgestellt

Mehrere Zeugen werden an diesem Morgen gehört; darunter eine Polizistin der Streifenwagenbesatzung, die als Erste am Tatort erschien. Befragt wird auch ein Notfallsanitäter, der als erster Rettungshelfer vor Ort war und der am Abend des 7. März den Tod des in seinem Audi TT sitzenden, 58-jährigen Telekom-Mitarbeiters festgestellt hat. „Er saß leicht nach vorne gebeugt, die Haare verdeckten sein Gesicht. Es sah so aus, als habe er mehrere Einschusslöcher an der linken Schulter“, sagt der 31-jährige Bochumer und blickt zwischenzeitlich auf sein Telefon. Vom Display liest er aus einem Gedächtnisprotokoll, das er erstellt hat.

Alarmiert hatte die Polizei eine 32-jährige Bochumerin, die mit ihrer Familie in der Hustadt wohnt. Gegen 20.30 Uhr sei sie an jenem Tag in die Tiefgarage gefahren, habe noch einige Minuten in ihrem Wagen gesessen und Nachrichten auf dem Telefon geschrieben. „Dann bin ich zu dem Auto herübergegangen, weil ich mich gewundert habe, dass es an war. Ich habe den Mann auf dem Fahrersitz gesehen und bin sofort rausgerannt.“

Nachbarin sagt aus: „Erst vier, fünf schnelle Schüsse hintereinander“

Am Morgen zuvor hatte die Bochumerin zwischen 20 nach acht und halb neun oben in ihrer Wohnung möglicherweise die tödlichen Schüsse vernommen. Sie habe mehrere Schüsse gehört oder laute Geräusche, die sich wie Schüsse angehört haben. „Vier-, fünfmal schnell hintereinander und dann nach ein paar Sekunden noch zweimal“, sagt sie. Sie sei sich aber nicht sicher gewesen und habe ihren Mann gefragt, der kurz darauf nach Hause gekommen sei, ob er etwas gehört habe. „Nein“, habe er gesagt. „Da war das Thema vom Tisch.“

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Das Opfer war seit 1999 bei der Telekom beschäftigt. In einem Lebenslauf, den die Polizei in seinen Unterlagen gefunden hat, nennt er als Hobbys Joggen, Musik und Bücher. In der Wohnung lagen die Mitgliedsausweise eines Schießvereins sowie des Bundes Deutscher Schützen und eine Schusskarte mit Einschusslöchern, aber keine Schusswaffe.

Gericht hofft, dass der Gefängnisarzt von seiner Schweigepflicht entbunden wird

Wie der Angeklagte an die Adresse von Christian N. gelangt ist, mit dem er einige Tage zuvor in einem harmlosen Verkehrsstreit aneinandergeraten ist, bleibt noch ungeklärt. Ermittlungen der Polizei, deren Protokolle Richter Feldhaus vorgelesen hat, sind bislang erfolglos geblieben, ungeklärt ist auch, warum zunächst lediglich sechs Patronenhülsen am Tatort gefunden wurden; später dann noch eine siebte.

Die Verteidiger des Hauptangeklagten haben beantragt, dass ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit ihrem Mandanten sprechen darf – nicht aus Misstrauen gegenüber der vom Gericht bestellten Gutachterin, sondern um mehr über die Person des Angeklagten zu erfahren, so Anwalt Ralf Bleicher. Das Gericht wiederum möchte, dass der Angeklagte den Gefängnisarzt von seiner Schweigepflicht entbindet.

Fortgesetzt wird der Prozess am 26. September.