Bochum/Hattingen. Von Seefrosch bis Karpfen und Herkulesstaude bis Wasserpest: Am Kemnader See und der Ruhr gibt es viel zu entdecken. Ein Biologe verrät Details.

Richard Köhler kennt die Bochumer Gewässer wie seine Westentasche. Schließlich arbeitet der Biologe seit Jahrzehnten bei der Biologischen Station Östliches Ruhrgebiet und beschäftigt sich Tag ein Tag aus mit Mückenlarven, Wasserlinsen, Flussbarsch und Co. Wenn man wissen will, was am Kemnader See und in der Ruhr so kreucht und fleucht, fragt man also am besten ihn. Zu allererst schickt er voraus: „Die Ruhr ist ein natürlicher Flusslauf. Hier unterscheidet sich die Flora und Fauna von stehenden Gewässern. Flussstauseen wie der Kemnader See sind eine Mischform zwischen Fluss und See. Hier fällt die Strömung weg, aber das Wasser wird immer noch häufiger ausgetauscht als in richtigen Seen“, so der Biologe.

Seefrosch gibt Konzerte am Abend

Die Ruhr habe sich in Bezug auf die Wasserqualität in den letzten Jahren deutlich verbessert. Entsprechend viel gebe es für den geschulten Blick zu entdecken. „Man kann Köcherfliegen, und Mückenlarven finden und in den Buchten sowie am Uferbereich halten sich viele Grünfrösche auf“, sagt Köhler. Vor allem der Seefrosch sei in den Abendstunden anzutreffen. „Jeder, der nachts schon mal an der Ruhr war, hat ihn gehört, er kann recht laut rufen“, sagt der Experte. Die Fische in den beiden Gewässern würden bewirtschaftet, das heißt: Vereine und Angler setzen Tiere ein, um sie später wieder angeln zu können. „Es ist also nicht ganz die natürliche Fauna, aber man kann auch nur einsetzen, was dort leben kann“, kommentiert Köhler. Das seien etwa Flussbarsche, Rotfedern, Karpfen und Aale.

Auch interessant

Amerikanischer Krebs macht Probleme

An der Ruhr und am Kemnader See leben auch eine Reihe an Arten, die ursprünglich nicht hier heimisch waren, sondern vom Menschen eingebracht wurden. „Die meisten dieser Arten sind unauffällig und man kann sie als Bereicherung verstehen. Manche Arten bereiten dem Naturschutz aber Probleme“, sagt Köhler. Einer dieser Kandidaten ist der rote amerikanische Sumpfkrebs, der sich im Kemnader See und im angrenzenden Ölbach immer weiter ausbreitet. „Die Art wurde vermutlich von Gartenteichbesitzern eingesetzt. Früher konnte man die Krebse fürs Aquarium kaufen, heute ist da untersagt“, weiß der Experte. Die Krebse könnten sehr alt werden – und seien in der Vergangenheit vermutlich von Menschen ausgesetzt worden, die beispielsweise ihren Teich abgeschafft haben.

Ein ganzes Haus nur für die Natur

Das Haus Ruhrnatur befindet sich an der Alte Schleuse 3 in Mülheim an der Ruhr. Zu den Angeboten zählen zum Beispiel Führungen durch das Wasserkraftwerk, eine Ausstellung über die Natur an der Ruhr und Mikroskopieren von Kleintieren.

Das Haus Ruhrnatur hat täglich (außer montags) von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Erwachsene zahlen 5 Euro, Kinder (ab 5 Jahre) 3 Euro. Weitere Infos: www.haus-ruhrnatur.de

Folge des Klimawandels

„Sie vermehren sich prächtig und können heimische Krebse verdrängen“, sagt Köhler. Für Laien seien die Unterschiede auf den ersten Blick oft nicht erkennbar. Während heimische Krebse an der sogenannten Krebspest versterben würden, würden die amerikanischen Krebse sie überleben. „Überall wo die amerikanischen Krebse angesiedelt sind, sterben heimische Krebse deshalb über kurze Zeit ab. Das Wasser ist für sie dann verloren, man kann sie nicht wieder ansiedeln“, erläutert der Experte. Eigentlich kämen die Tiere aus südlicheren Regionen. „Es ist anzunehmen, dass ihre Ansiedelung auch eine Klimawandelfolge ist.

Die Nilgans kam aus Afrika

Ein Temperaturunterschied von einem halben Grad kann schon dafür sorgen, dass sie sich hier wohlfühlen“, erklärt Köhler. Naturschützer würden den Bestand gerne begrenzen, aber es gebe kaum eine Möglichkeit, sie wieder loszuwerden. Ursprünglich auch nicht heimisch seien die Kanadagans und die aus Afrika stammende Nilgans. Diese haben so wenig Scheu, dass sie Inlineskatern teilweise vor die Füße laufen. „Bei Freizeitsportlern sorgt aber meist die Wasserpest für Ärger“, sagt Köhler. Durch die Wasserpflanzen kämen die Bootsfahrer schlechter voran. Während die Pflanze die Freizeitmöglichkeiten einschränke, sei sie aus ökologischer Sicht aber kein Problem.

Die Herkulesstaude oder Bärenklau: Die Pflanze sollte nicht angefasst werden, die Berührung kann zu Verletzungen führen.
Die Herkulesstaude oder Bärenklau: Die Pflanze sollte nicht angefasst werden, die Berührung kann zu Verletzungen führen. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Herkulesstaude ist gefährlich

Bei allem, was man am Kemnader See oder an der Ruhr beobachten möchte, rät Köhler zu Vorsicht. „Die Ruhr hat noch eine alte Ufermauer, aus Zeit, wo sie noch schiffbar war. Diese ist verdeckt von Bewuchs“, sagt er. Wenn man einmal hereinfalle, habe man große Probleme, wieder herauszukommen. Die um den Kemnader See herum wachsende Herkulesstaude sollte man außerdem besser nicht anfassen – sie enthält eine Substanz, die die Lichtreaktion der Haut verstärkt und zu einer Art Verbrennung führt. „Sogar bis zum Krankenhausaufenthalt“, sagt Köhler. Er hat deshalb noch einen ganz anderen Tipp: „Aus der Ferne beobachten oder das Haus Ruhrnatur besuchen – dort gibt es viel in Aquarien zu sehen.“