Bochum. Der Kinderbuchklassiker „Der Struwwelpeter“ kommt im Theaterrevier Bochum auf die Bühne. Trotz derber Spaße ist die Aufführung liebevoll gemacht.
Einen Kinderbuchklassiker gräbt das Junge Schauspielhaus zum Spielzeitstart im Theaterrevier aus: „Der Struwwelpeter“ nach den Erzählungen von Heinrich Hoffmann besitzt noch immer jenen morbiden Witz, der schon den Kindern im 19. Jahrhundert das Gruseln lehrte. Zum Glück kommt die Vorlage in der frech-fröhlichen Regie von Katharina Birch so einfallsreich und liebevoll auf die Bühne, dass sich niemand ernsthaft zu Fürchten braucht. Obwohl: Spannend ist es schon…
Kinderbuchklassiker kommt in Bochum auf die Bühne
Vom Suppenkasper bis zum Zappelphilipp: Es ist erstaunlich, wie viele Figuren aus dem „Struwwelpeter“ Einzug in unsere Alltagssprache gehalten haben. Doch so beliebt die Namen auch sind: Auf ihre Protagonisten wartet oft ein heftiges Schicksal. Weil der böse Friederich („Das war ein arger Wüterich“) nicht aufhört, Katzen und Vögel zu quälen, beißt ihm der Hund halt ins Bein. Und weil Daumenlutscher Konrad partout nicht auf seine „Frau Mama“ hören will, werden ihm die Daumen eben abgeschnitten – mit einer riesigen Schere, die auch einige Kinder bei der Premiere im Theaterrevier etwas erschrocken dreinschauen lässt.
Vom fliegenden Robert bis Hanns-guck-in-die-Luft
Katharina Birch und Dramaturgin Cathrin Rose nehmen die Geschichten des Frankfurter Arztes Heinrich Hoffmann, die er 1844 für seinen Sohn schrieb, also durchaus ernst. Mögen die Bücher wegen ihrer garstigen Erziehungsmethoden heute oft im untersten Regal des Bücherschranks verschwunden sein, so offenbaren sie bei näherem Hinsehen doch einen ungestümen Hang zur Anarchie und zum völlig übertriebenen Schabernack, der gerne übersehen wird. Diesen Faden nehmen Birch und Rose beherzt auf.
Acht Episoden werden auf der hinreißend altmodischen Drehbühne (erfunden von dem Kollektiv Georg & Paul) kunstvoll ineinander gedreht. Direkt zu Beginn schauen sämtliche Figuren schon kurz vorbei: darunter der fliegende Robert und Hanns-guck-in-die-Luft, der in der famosen Darstellung von Tim-Fabian Hoffmann der Figur aus dem Bilderbuch täuschend ähnlichsieht.
Mit dem rabiaten Charme einer Nina Hagen
Den Struwwelpeter selbst, der bekanntlich nie zum Friseur ging, gibt Danai Chatzipetrou in ihrem ersten Auftritt im Bochumer Ensemble mit dem rabiaten Charme einer Nina Hagen. Am Tisch des hyperaktiven Zappelphilipps („Was der Vater essen wollt‘, unten auf der Erde rollt“) sorgt sie zudem als unterwürfige Mutter für herzliche Lacher. Karin Moog führt als Erzähler, Arzt und strenger Vater durch die Szenen und hat offenbar großen Spaß daran, diesen einen Teller Suppe auf gar keinen Fall essen zu wollen.
Regisseurin Birch, die im letzten Jahr schon „Die Schöne und das Biest“ ins Schauspielhaus brachte, verpasst ihrer kurzen, aber eindrucksvollen Aufführung einige wunderbare szenische Einfälle. Die uralten Verse zünden immer noch. Donnernder Beifall! Am Daumen gelutscht hat danach garantiert niemand mehr.
Für Kinder ab acht Jahren. Dauer: etwa 50 Minuten. Wieder am 30. September und 1. Oktober im Theaterrevier (Prinz-Regent-Straße 50-60). Karten: 0234 3333 5555