Bochum. Sie bohrten Kanäle für Glasfaserkabel, trafen eine Gasleitung – später explodierte ein Haus. Zwei Arbeiter stehen deswegen in Bochum vor Gericht.

  • Vor dem Landgericht Bochum hat der Prozess gegen zwei Mitarbeiter einer Tiefbaufirma begonnen
  • Ihnen wird vorgeworfen, für die tödliche Hausexplosion vom 10. Januar 2023 verantwortlich zu sein
  • Beide Angeklagten äußerten vor Gericht großes Bedauern
  • Bochums Feuerwehrchef Simon Heußen schildert den Abend des Unglücks aus Sicht des Einsatzleiters

Acht Monate nach der tödlichen Explosion eines Einfamilienhauses im Grenzbereich von Bochum-Linden und Dahlhausen ist am Montagmorgen (11. September) vor dem Bochumer Landgericht der Prozess gegen zwei Beschäftigte einer Tiefbaufirma (51 und 30 Jahre alt) gestartet.

Prozess um Hausexplosion in Bochum: Um diese Fragen geht es

Wer trägt die Verantwortung für die Gasexplosion, bei der eine Bochumerin starb? Die Anklage wirft den beiden Tiefbauarbeitern das „Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge“ vor. Zentrale Fragen wurden beim ersten Verhandlungstag deutlich:

  • Warum bohrten die Angeklagten genau auf Höhe der unterirdischen Gasleitung? Lieferte ein Messgerät falsche Werte?
  • Warum wurde die Leitung nach dem Zwischenfall nicht weiter überprüft? Er habe nichts gerochen, kein Zischen gehört, sagte der angeklagte Vorarbeiter vor Gericht. Die Anklage wirft den beiden Männern vor, nichts weiter unternommen zu haben, um ihren „Feierabend nicht zu gefährden“.

Prozessauftakt nach Hausexplosion in Bochum: Chronik zum Verhandlungstag

12.46 Uhr: Wir beenden an dieser Stelle das Newsblog aus dem Gericht für heute. Am Donnerstag, 14. September wird der Prozess fortgesetzt. Das Gericht hat elf Sitzungstage bis zum 27. Oktober terminiert.

12.30 Uhr: Zwischenzeitlich werden die gesetzlichen Vorschriften zur „Erkundungs- und Sicherungspflicht“ für Baufirmen bei Arbeiten an öffentlichen Leitungen vorgelesen. Demnach hätten die Stadtwerke nach dem Zwischenfall sofort informiert werden müssen, was nicht geschehen ist.

11.26 Uhr: Das Haus, das am späten Abend explodierte, hatte keinen Gasanschluss. Trotzdem drang das aus der Leitung ausströmende Gas auf unbekannte Weise in den Keller. Simon Heußen: „Gas sucht sich den geringsten Widerstand.“ Etwa durch Hohlräume. Weil Gas etwas leichter als Luft sei, steige es „minimal nach oben“.

Feuerwehrchef berichtet im Zeugenstand über den Einsatz

11.15 Uhr: Nach kurzer Pause wird die Verhandlung fortgesetzt. Im Zeugenstand: Bochums Feuerwehrchef Simon Heußen, der am Unglücksabend als Einsatzleiter vor Ort war. „Das Gebäude war komplett eingestürzt“, schildert der 44-Jährige. Das Todesopfer habe gesichtet, wegen der Einsturzgefahr aber zunächst nicht geborgen werden können. Die Gaskonzentration, die vor Ort gemessen wurde, sei bedrohlich gewesen. „Zehn Volumenprozent“, sehr entzündlich. So eine Konzentration habe er noch nicht erlebt.

10.42 Uhr: Zurück zur Gasleitung: Laut jüngerem Angeklagten lag diese 1,10 Meter tief und war 20 mm dick. Der Bohrkopf war laut Messgerät aber 1,65 Meter tief. War das Messgerät falsch? Das wird der Prozess klären. Die Verhandlung ist nun erst einmal bis 11 Uhr unterbrochen.

10.38 Uhr: Beide Angeklagten sind nicht vorbestraft.

Angeklager (30): „Mir war klar, das war unsere Baustelle. Schock ohne Ende“

10.19 Uhr: Nun kommt der jüngere Angeklagte zu Wort. „Herzliches Beileid an die Familie“, sagt der 30-Jährige. „Ich bin geschockt, noch heute“. Tags darauf, auf einer anderen Baustelle, habe er aus dem Radio von der Explosion gehört. „Mir war klar, das war unsere Baustelle. Schock ohne Ende, als ich die Bilder gesehen habe.“ So eine Katastrophe kenne er sonst nur aus den Medien. Fürs unterirdische Bohren habe er keinen speziellen Lehrgang gemacht, sondern sei nur im Job angelernt worden.

In Bochum hat der Prozess um die tödliche Gasexplosion vom Januar begonnen. Die 51 und 30 Jahre alten Angeklagten sollen beim Bohren von Schächten für Glasfaserkabel eine Gasleitung getroffen haben. Laut Anklage strömte mindestens zwölf Stunden lang Gas aus dem Leck – in der Folge explodierte ein Wohnhaus.
In Bochum hat der Prozess um die tödliche Gasexplosion vom Januar begonnen. Die 51 und 30 Jahre alten Angeklagten sollen beim Bohren von Schächten für Glasfaserkabel eine Gasleitung getroffen haben. Laut Anklage strömte mindestens zwölf Stunden lang Gas aus dem Leck – in der Folge explodierte ein Wohnhaus. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

10.15 Uhr: Weiter geht es darum, warum die Gasleitung durchbohrt wurde. Josef Große Feldhaus fragt: Wo lag denn der Fehler? War die Gasleitung falsch eingezeichnet oder gab es einen Messfehler? Der Hauptangeklagte sagt: „Ich zerbreche mir immer noch den Kopf. Ich bin am Rechnen und Tun: Wo war der Fehler gewesen? Ich komme nicht drauf!“

9.52 Uhr: Der jüngere Angeklagte ist der Schwiegersohn des Hauptangeklagten. Der 30-Jährige hätte laut Anklage darauf bestehen müssen, dass intensiver kontrolliert würde und höhere Vorgesetzte informieren müssen.

Prozess um Gasexplosion: „Keiner hat was gerochen!“

9.45 Uhr: Das Unglück passierte, nachdem schon 130 bis 140 Meter unterirdisch gebohrt waren. Dann sagte einer: Gasgeruch! Er habe die Maschine ausgemacht und alles kontrolliert, schildert der Vorarbeiter. Er habe „mit der Nase am Boden gelegen“, aber nichts gerochen. „Ich habe gesagt: Riecht noch einer was? Keiner hat was gerochen!“ Er habe auch nicht gehört, dass er etwas durchgebohrt habe. Tatsächlich füllte sich der Boden in 1,50 Meter Tiefe aber mit Erdgas. Das Gericht wird dazu im Verlauf des Prozesses einen Sachverständigen anhören.

9.38 Uhr: Im Prozess geht es nun um den Schaden an der Gasleitung, der die spätere Explosion auslöste: Zwei Löcher à 150 mm wurden in der unterirdischen Leitung festgestellt. Um die Verlegung von Glasfaserleitungen vorzubereiten, hatten die Bauarbeiter ein „horizontales Spülbohrverfahren“ angewandt. Der Hauptangeklagte hatte die Bohrmaschine bedient. Der Boden sei felsig gewesen, das Steuern deshalb nicht so einfach.

9.22 Uhr: Der ältere der beiden Angeklagten, der 51-jährige Vorarbeiter, zeigt laut seinem Verteidiger „tiefstes Bedauern“. Er würde die Zeit gerne zurückdrehen, „ es tut ihm unendlich leid.“ Er habe mit einer Wasserleitung gerechnet, nicht mit einer Gasleitung. Er habe keinen Grund zur Nachschau gesehen, weil er kein Gas gerochen und kein Zischen gehört habe. Er habe „alles Erforderliche getan“. Sein Anwalt sagt: „Er war sich sicher, dass keine Gefahr besteht und keine Menschen gefährdet sind“. Der Angeklagte selbst sagt vor Gericht: „Es tut mir leid um die Familie, mein Beileid.“

Was von dem Wohnhaus blieb, war nur ein Trümmerfeld: Am Abend des 10. Januar 2023 kam es an der Keilstraße im Bochumer Südwesten zu einer gewaltigen Gasexplosion, eine Bewohnerin kam ums Leben. Nun stehen zwei Mitarbeiter einer Tiefbaufirma vor Gericht.
Was von dem Wohnhaus blieb, war nur ein Trümmerfeld: Am Abend des 10. Januar 2023 kam es an der Keilstraße im Bochumer Südwesten zu einer gewaltigen Gasexplosion, eine Bewohnerin kam ums Leben. Nun stehen zwei Mitarbeiter einer Tiefbaufirma vor Gericht. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

9.14 Uhr: Der Saal im Bochumer Landgericht ist etwa halbvoll, rund 20 Zuschauende und Medienleute verfolgen den Prozessbeginn. Die Anklage wird regelrecht im Eiltempo verlesen. Vorwurf: Die beiden Angeklagten sollen den Bohrschaden nicht kontrolliert haben, um ihren „Feierabend nicht zu gefährden“.

9 Uhr: Der Prozess beginnt. Bevor die Verhandlung startet, stehen mehrere Fotografen vor der Anklagebank, halten die Szene fest.

Tödliche Hausexplosion in Bochum: Das war passiert:

Das war am Abend des 10. Januar 2023 passiert: Das Wohnhaus an der Keilstraße war komplett zusammengefallen, nachdem zuvor bei Bauarbeiten in der Nähe der Straße eine unterirdische Gasleitung durchbohrt worden war – wohl die Ursache für die Hausexplosion. Damals war eine Tiefbaufirma im Auftrag von Vodafone mit der Verlegung von Kabelkanälen für Glasfaserkabel beschäftigt, als das Unglück passierte. Die 61-jährige Bewohnerin des Hauses kam unter den Trümmern ums Leben. Ihr Sohn (35), der sich zur Unglückszeit im Obergeschoss aufhielt, erlitt Prellungen und Schürfwunden.

Der 51-jährige Angeklagte soll als Vorarbeiter das Sagen auf der Baustelle gehabt haben. Die Anklage wirft ihm das „Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge“ vor. Er soll damals spätnachmittags zusammen mit einem ebenfalls angeklagten Kollegen den horizontalen Bohrvorgang gesteuert und dabei die Gasleitung getroffen haben. Obwohl er Pläne über die Leitungsverläufe gehabt habe, soll er es unterlassen haben, kritische Stellen händisch freizulegen, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Monatelang saß er in U-Haft.

Sein Kollege soll nach dem Durchbohren Gasgeruch wahrgenommen und dies dem Vorarbeiter auch mitgeteilt haben. Dieser soll dann zwar nichts gerochen, aber entgegen der Vorschriften keine weitere Kontrolle vorgenommen und die Baustelle zusammen mit dem Kollegen verlassen haben.

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