Das Weiterbildungszentrum startete den Betrieb am 22. November 1946. Direktor Ratenhof im WAZ-Interview über Geschichte und Gegenwart der Institution.

  • Die Initiative zur Gründung der Institution ging seinerzeit von den Briten aus
  • Das Programm orientiert sich an den gesellschaftlichen Erfordernissen
  • Ein Themenbereich erfreut sich besonderer Beliebtheit

Was war der Anlass zur Gründung der Volkshochschule?

Thomas Ratenhof: Die Initiative ging von den Briten aus, die in ihrer Besatzungszone den Auftrag zur Gründung von Volkshochschulen an die Kommunen gaben. Eine, wie ich meine, sehr weitsichtige und kluge Entscheidung, um nach dem von den Nationalsozialisten entfesselten Entsetzen des Zweiten Weltkriegs durch Erwachsenenbildung, auch politische Bildung, den Neuanfang beziehungsweise die Rückkehr zu demokratisch verfassten Strukturen zu unterstützen.

Bochum gehörte zu den ersten Kommunen, die dann schon sehr zügig, sozusagen noch in den Trümmern der Stadt und bei knappsten Ressourcen, ihre Volkshochschule einrichteten. Damit haben die klugen damaligen Verantwortlichen dem Buch im Wappen unserer Stadt in ihrer Definition als „Wissensstadt“ doch schon sehr entsprochen.

Gründungsjahr 1946 – war der Zweite Weltkrieg Thema im Programm oder wurde das noch aus geklammert?

Politische Bildung, „Demokratie lernen“ war sicherlich ein Ziel. Das wird deutlich daran, dass zum Beispiel Themen der europäischen Zusammenarbeit im wirtschaftlichen wie im sozialen Entwicklungskontext bereits zu Beginn des Lehrbetriebs angesprochen wurden. Intention war von Beginn an eine möglichst offene Bildungsoption für Erwachsene, Bildung für alle und auch die Vermittlung demokratischer und kultureller Werte. Eine explizite Auseinandersetzung mit dem Thema Zweiter Weltkrieg vermute ich im Kontext von 1946 noch nicht. Es wurden aber sicherlich die genannten Gegenakzente zur NS-Zeit gesetzt.

Wie hat sich das Programm verändert? Lassen sich sozial- und kulturgeschichtliche Zäsuren benennen und die Auswirkungen auf das Programm?

Das Programm hat sich immer an gesellschaftlichen Erfordernissen orientiert, von der Bergmann-Betreuung zum Nachholen von Schulabschlüssen für heimgekehrte Soldaten über die sogenannte realistische Wende, dem Beginn eines emanzipatorischen Bildungsansatzes in den 1960er Jahren bis zu heutigen Angeboten von Integrationskursen als größter Integrationskursträger der Stadt.

Es heißt Volkshochschule – nutzen wirklich alle Bevölkerungsschichten das Angebot?

Durch Ermäßigungstatbestände von 70 Prozent für ALG II-Empfänger und möglichst günstige Entgelte versuchen wir, unserem Grundsatz „offen für alle“ nachzukommen. Als großer Bildungsbetrieb halten wir einen Mix aller Bevölkerungsschichten in der VHS für sinnvoll.

Welche Programmbereiche sind aktuell besonders ausgeprägt?

Wir sind nach wie vor mit allein 200 Veranstaltungen im Fremdsprachenbereich pro Semester in 17 Sprachen großer Sprachenanbieter. Für besonders wichtig halte ich derzeitig aufgrund unserer gesamtgesellschaftlichen Situation die politische Bildung und unsere Integrationskurse. Weitere wichtige Bereiche sind nachträgliche Schulabschlüsse und die Grundbildung, zum Beispiel die Alphabetisierung.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der VHS? Gibt es Pläne oder Perspektiven?

70 Jahre sind eine gute Basis für die Zukunft. Im Dezember 2015 hat der Rat der Stadt einstimmig den Ausbau der VHS-Deutschkurse ermöglicht und so hoffe ich, dass die Volkshochschule in der Bochumer Tradition von 1946 auch weiterhin einen Beitrag leisten kann, stets den aktuellen Weiterbildungsherausforderungen zu begegnen, denn Bildung ist der Schlüssel zur Teilhabe von Menschen und unsere Zukunftsressource.