Bochum. „Kinderwillkommensfeste“ statt Taufen: Das ist für immer mehr junge Familien eine Alternative. Eine freie Rednerin wird in Bochum rege gebucht.
„Ich war nie Mitglied einer Kirche, mein Mann ist ausgetreten: Konfessionen und Glauben spielen für uns keine Rolle“, sagt Jessica Frenzel. Im September erwartet sie ihr erstes Kind. Eine kirchliche Taufe kommt nicht infrage. Auf eine feierliche Zeremonie wollen die Eltern aber nicht verzichten. Bei Svenja Malessa haben sie für das Frühjahr 2024 ein „Kinderwillkommensfest“ gebucht. Für die freie Traurednerin tut sich damit ein neuer Geschäftszweig auf.
Kirchen verlieren Mitglieder – das spiegelt sich nicht nur bei Trauungen wider
Der Bedeutungsverlust der christlichen Religionen schreitet voran. Seit einem Jahr gehören erstmals weniger als die Hälfte der Menschen in Deutschland der katholischen oder evangelischen Kirche an. Auch in Bochum nehmen die Abgänge deutlich zu. Das Amtsgericht verzeichnete 2022 insgesamt 4474 Kirchenaustritte. Im Jahr 2021 waren es 2953, im Jahr zuvor 1746.
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Die Entwicklung spiegelt sich sowohl bei Beerdigungen als auch Hochzeiten wider. Auf kirchlichen Beistand wird zunehmend verzichtet. Freie Rednerinnen und Redner haben Hochkonjunktur, in traurigen wie in schönen Momenten.
Freie Traurednerin war zuvor Moderatorin bei Radio Bochum
Svenja Malessa hat daraus eine Profession gemacht. 2015 wechselte die langjährige Radio-Bochum-Moderatorin (damals noch mit ihrem Mädchennamen Svenja Wahle) ins Rednerinnen-Fach. Bei jährlich mehr als 30 freien Trauungen tritt sie vor das Brautpaar und dessen Gäste, meist zwischen Mai und September.
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„Es könnten dreimal so viel sein. Die Anfragen steigen stetig“, sagt die 33-Jährige. Und das trotz Kosten von 1400 Euro inklusive Vor- und Traugesprächen, Planung, 24-Stunden-Rufbereitschaft (die vielfach sehr rege genutzt wird) und der rund 45-minütigen Zeremonie. „Jedes Paar ist individuell. Der Aufwand wird vielfach unterschätzt“, betont die Langendreererin.
„Kinderwillkommensfeste“ werden oft im heimischen Garten gefeiert
Als Jessica Frenzel schwanger wurde und erfuhr, dass es „Kinderwillkommensfeste“ gibt, sei die Entscheidung schnell gefallen: „Das machen wir!“ Ihre Familie und Freunde freuten sich riesig auf die Geburt im Herbst. Ein großes Gartenfest müsse her, gut ein halbes Jahr danach. „Wir alle wollen unser Glück gemeinsam feiern. Als freie Taufe, ohne Kirche, aber in würdigem Rahmen. Dazu gehören auch zwei Freunde, die Taufpaten unseres Sohnes werden“, sagt Jessica Frenzel.
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So sei es fast immer, schildert Svenja Malessa, selbst Mutter eines dreijährigen Sohnes und keiner Kirche zugehörig. Feier im Garten oder Restaurant, Taufpaten, Essen, Trinken, kleine Geschenke vom Stofftier bis zum Mobile, quirlige, ungezwungene Fröhlichkeit. „Ich höre oft: ,Wir feiern das Leben unseres Kindes!’“ Ganz ohne Pastor und Priester, ohne Sakrament und Gottes Segen.
Manche Hochzeitspaare melden sich als werdende Eltern wieder
„Ich erzähle über die Partnerschaft, den Kinderwunsch, die Schwangerschaft, wie es ist, eine Familie zu sein, und all die gute Wünsche, die den neuen Erdenbürger begleiten“, sagt Svenja Malessa. Ihr Auftritt fällt dabei kürzer aus als bei Trauungen, ebenso die nötige Vorbereitungszeit. Entsprechend geringer ist die Gage. Bei den „Kinderwillkommensfesten“ liegt sie bei 550 Euro.
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Gut ein Dutzend freie Taufen hat Svenja Malessa inzwischen begleitet. Sie darf sicher sein, manche ihrer Hochzeitspaare später als Eltern wiederzusehen. So wie bei Jessica und Christian Frenzel. 2018 gaben sie sich das Ja-Wort – mit Svenja Malessa als Traurednerin. „Wir waren begeistert“, sagt die werdende Mama und ist gewiss, dass „unsere Svenja“ auch für ihren Sohn die richtigen Worte finden wird.
Infos: hochzeitsrauschen.de