Bochum. Ein 91-Jähriger fordert nach einem Sturz mehr Rücksichtnahme beim Busfahren. Was andere Bochumerinnen und Bochumer in Bus und Bahn erleben.

Mit Flyern, die an den Haltestangen baumeln, suchen sie dieser Tage den oder die „LieblingsbusfahrerIn“: Bis zum 30. Juni ruft ein Bündnis aus Verkehrsunternehmen und Fahrgastverband Pro Bahn gemeinsam Kundinnen und Kunden im ÖPNV auf, schöne Geschichten zu teilen. Jene, die mit Herzblut und Begeisterung am Steuer von Linienbussen und Straßenbahnen sitzen, sollen über den Wettbewerb ein Gesicht bekommen. Und die herzigen Geschichten gibt’s bestimmt. Die Reaktionen, die die WAZ-Berichterstattung über die Erlebnisse eines Bochumers (91) mit der Bogestra hervorgerufen hat, dürften indes das Kontrastprogramm dazu bilden.

„Was erleben Sie in Bus und Bahn?“, haben wir vergangene Woche gefragt. Anlass war die Klage des 91-Jährigen, der wiederholte Probleme beim Busfahren mit Rollator schilderte und erzählte, wie er unlängst stürzte, nachdem er sich von einem Fahrer zum Ausstieg gedrängt gefühlt hatte. Ein gutes Dutzend Zuschriften hat die Redaktion daraufhin erhalten, fast ausschließlich mit ähnlichen Erfahrungen. Hier bilden wir Auszüge davon ab.

Zittern, wenn die Mutter (86) allein mit dem Bus unterwegs ist

„Mein Mann ist 88 Jahre alt und auch auf einen Rollator angewiesen“, schreibt Eva-Maria Röder. Viele Busfahrer „warten nicht, bis Senioren sitzen“. Sie habe ihren Mann schon oft auffangen müssen bei der Abfahrt, um Schlimmeres zu verhindern. Wolfgang Bürhaus schildert ähnliche Beobachtungen: Ohne seine Mithilfe könne seine Frau – auch sie ist auf den Rollator angewiesen – nicht gefahrlos aus dem Bus aussteigen. „Sie hat auch den Rollatortrainigstag besucht“, berichtet Bürhaus, Fazit: „Von der Theorie ist die Praxis weit weg.“

Anneliese Jarchow fühlt sich ebenfalls unsicher: „Um einen Sturz zu vermeiden, fahre ich nicht ohne Begleitung mit einem Bus der Bogestra“, schreibt sie. „Ich rufe ein Taxi, die Fahrer sind freundlich und hilfsbereit. Aber man muss es sich finanziell leisten können.“

Jutta B. (Name geändert) berichtet: „Auch ich zittere jedes Mal, wenn meine fast 87-jährige schwer herzkranke und gehbehinderte Mutter alleine mit dem Bus unterwegs ist.“ Nicht nur einmal sei es vorgekommen, dass die Seniorin in der Tür eingequetscht worden sei und schlimme Hämatome erlitten habe. Als sie kürzlich gemeinsam mit ihrer Mutter unterwegs war, „konnte ich mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass der Busfahrer einfach schon losfuhr, sie aber noch nicht einmal den Notsitz in der Mitte des Busses erreicht hat und fast gestürzt wäre“, schildert B. weiter. Ihr Wunsch: „Ein bisschen mehr Verständnis und Geduld!“

Bus fährt los – „keine Chance, einen Sitzplatz zu erreichen“

Auch Ilse Dilger schließt ihre E-Mail an die Redaktion mit dem Wunsch, „dass jeder Verkehrsteilnehmer gesund nach Haus kommen kann“. Die Realität im ÖPNV empfindet sie hingegen „für alte und behinderte Menschen sowie für Mütter mit mehreren Kleinkindern“ als „lebensgefährlich“: „Ich habe erlebt, dass der Bus einfach losfuhr, als ich mit zwei Gehstöcken unter dem rechten Arm, dem Portemonnaie in der rechten Hand und dem Fahrschein, den ich gerade erhalten hatte, in der linken Hand, keine Chance hatte, mich festzuhalten oder einen Sitzplatz zu erreichen.“ Auch sie habe es schon erlebt, dass sie beim Ausstieg in der Tür eingeklemmt wurde. „Der Busfahrer konnte sich wohl nicht vorstellen, dass ein Behinderter mehr Zeit zum Ausstieg braucht.“

Nicht immer sind Einschränkungen so sichtbar wie durch einen Rollator.
Nicht immer sind Einschränkungen so sichtbar wie durch einen Rollator. © picture alliance / dpa | Bernd Wüstneck

„Bewegungseinschränkungen lassen sich durch andere nicht einschätzen, also sollten gerade Personenbeförderer den Aussagen von Fahrgästen glauben“, findet Claudia Reith. Auch sie erlebe es häufig, dass Busse nicht abgesenkt werden. „Warum hat der Busfahrer nicht kurz beim Aussteigen mitgeholfen oder über Mikro die anderen Fahrgäste ums Helfen gebeten?“, fragt sich Claudia Hoffmann. Sie stelle fest, dass Fahrerinnen und Fahrer mitunter „höchst unflexibel sind, wenn es um Problemlösungen geht“. Ihre „persönliche Krönung“: „Der Bus hat mich zweimal nicht mitgenommen, da der Fahrer offensichtlich nicht wusste, dass die Haltestelle Ersatzhaltestelle für seine Linie war.“

Busfahren in Bochum: „mehr Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft“ gewünscht

WAZ-Leser Udo Kämper vermisst beim Beispiel aus der vergangenen Woche den „Servicegedanken“ – nicht nur beim Busfahrer, sondern auch beim Bogestra-Sprecher. Dass dieser den gehbehinderten 91-Jährigen zum Austausch einlädt, sei „schon anmaßend“, findet Kämper. Der Bogestra bräche „kein Zacken aus der Krone“, wenn jemand mit einem Blumenstrauß beim verletzten Rentner zu Hause vorbeischauen würde. „Das könnte man kundenfreundlich nennen.“

Brigitte Bürger schildert Probleme ihrer Mutter, die auf den Rollstuhl angewiesen ist. „Es gibt sehr viele Busfahrer, die es nicht für nötig halten, die Rampe raus zu machen“, habe sie beobachtet. Herbert Nagel hingegen äußert Zweifel an der Schilderung im Fall des 91-Jährigen. „Kein Mitarbeiter der Bogestra wird in aller Öffentlichkeit vor Zeugen einem überaus betagten Mann, der zudem erkennbar beeinträchtigt ist, diese Worte zurufen“, glaubt er. Er wisse, schreibt Nagel, „aus eigenem Erleben, wie schnell jemand, wie in diesem Fall, ,vorverurteilt’ wird“.

Was erleben Sie in Bus und Bahn?

Welche Erfahrungen machen Sie, liebe Leserinnen und Leser, bei Fahrten mit Bus und Bahn? Erleben Sie ähnliche Fälle von Rücksichtslosigkeit, fühlen Sie sich als Fahrgast unsicher? Oder haben Sie Positives
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