Wattenscheid/Bochum. Die Tafel Bochum & Wattenscheid hebt ihren Aufnahmestopp auf – und rechnet mit Hunderten Neuanfragen. Womöglich stehen dann Änderungen an.

Vor knapp einem Jahr zogen sie die Notbremse. Seit Anfang Juni 2022 gilt bei der Tafel Bochum & Wattenscheid ein Aufnahmestopp: Bedürftige können sich seitdem nicht mehr für die Lebensmittelausgabe registrieren. Jetzt gibt es Neuigkeiten: Der Stopp werde zum 1. Juni aufgehoben, kündigt die Tafel an.

„Im vergangenen Jahr sind wir ja förmlich überrannt worden“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Stefan Schulze. Der Ukraine-Krieg, Preissteigerungen und Inflation führten dazu, dass etwa 50 Prozent mehr Hilfesuchende zur Tafel kamen – gleichzeitig gingen die Lebensmittelspenden in der Krise um etwa 40 Prozent zurück. „Wir waren im vergangenen Sommer mit unseren Kapazitäten einfach an der Grenze“, erklärt Schulze, „sowohl bei den verfügbaren Lebensmitteln als auch personell.“

Tafel: „Können nicht länger verantworten, die Leute abzuweisen“

Also zogen die Tafel-Verantwortlichen in Bochum und Wattenscheid die Reißleine, verhängten den Aufnahmestopp – wohlgemerkt als „eine der letzten Tafeln“ in der Region. „Wir alle“, sagt Schulze, „hatten am Anfang der Krise die Hoffnung, dass sie möglichst bald vorbeigeht.“

Nun ist ein Jahr vergangen, und es sei „absolut nicht absehbar, dass sich in naher Zukunft an der Lage etwas ändern wird“. Für die Tafel sei es nicht länger vertretbar, Menschen in einer Notsituation allein zu lassen. „Wir können es nicht länger verantworten, die Leute abzuweisen“, sagt der Vorsitzende.

Warten an der Lebensmittelausgabe: Rund 750 Menschen nutzen das Angebot der Tafel Bochum & Wattenscheid regelmäßig – dahinter stehen meist noch Familien.
Warten an der Lebensmittelausgabe: Rund 750 Menschen nutzen das Angebot der Tafel Bochum & Wattenscheid regelmäßig – dahinter stehen meist noch Familien. © FUNKE Foto Services (Archiv) | Jakob Studnar

50 bis 70 Anfragen pro Woche – trotz Aufnahmestopps

Der Aufnahmestopp bedeutete freilich nicht, dass die Nachfrage nachließ. 50 bis 70 Anfragen für Registrierungen hätten sie pro Woche weiter bekommen, berichtet Stefan Schulze. Telefonisch, per Mail, manche schrieben einen Brief, andere kamen persönlich zu einer der Ausgabestellen. „Keiner geht bei uns ohne etwas zu essen vom Hof“, sagt er. Aber die vielen, vielen Menschen abzuweisen – „das waren für mich schon bewegende Monate“.

Womit rechnen die Verantwortlichen nun, da die Aufnahmesperre enden sollen? „Wenn ich das wüsste“, antwortet Stefan Schulze. Er erwarte, dass noch vor dem 1. Juni einige Hundert, „vielleicht so 400“ Neuanmeldungen erfolgen. Aber ob es so komme? Schwer abschätzbar.

Tafel Bochum & Wattenscheid versorgt rund 750 Bedürftige regelmäßig

Das wiederum dürfte Auswirkungen auf die Arbeit der Tafel haben. Über 1000 Berechtigte seien bislang bei der Tafel registriert, darunter seien aber auch „Karteileichen“. Etwa 750 Bedürftige kämen regelmäßig zur Lebensmittelausgabe. Die Zahl der Menschen, die über die Tafel versorgt werden, sei aber deutlich höher. „In den meisten Fällen stehen ja noch Familien dahinter“, erklärt Stefan Schulze. In der Regel bekämen die Menschen bei der Tafel einen Einkaufswagen voll Lebensmittel: Obst und Gemüse, abgepacktes Fleisch, Backwaren, Haltbares.

Ein Warenkorb bei der Tafel: Seit Beginn des Ukraine-Kriegs sind die Lebensmittelspenden deutlich zurückgegangen.
Ein Warenkorb bei der Tafel: Seit Beginn des Ukraine-Kriegs sind die Lebensmittelspenden deutlich zurückgegangen. © FUNKE Foto Services (Archiv) | Bastian Haumann

Was das Spendenaufkommen betrifft, steht der Verein allerdings weiter auf dem Stand vom vergangenen Jahr. Kommt der Schwung Neuanmeldungen wie erwartet, „wird es wahrscheinlich unumgänglich, dass wir Ausgabemengen verringern“, sagt der Vorstandsvorsitzende. „Eventuell müssen wir auch den Ausgaberhythmus von einer Woche auf 14 Tage ausdehnen.“

Es bliebe dann bei den bekannten Terminen an den sechs Ausgabestellen – aber jeder Registrierte dürfte dann eben nur noch alle zwei Wochen kommen. „Das“, fürchtet der Tafel-Vorsitzende, „dürften die Bestandskunden nicht gerne sehen.“

Zwei Termine für Neuregistrierungen

Für Neuregistrierungen zur Lebensmittelausgabe bietet die Tafel Bochum & Wattenscheid vor dem Juni zwei gesonderte Termine an: Am Freitag, 12. Mai, und Freitag, 19. Mai, jeweils von 10 bis 12 Uhr an der Zentrale in Wattenscheid (Laubenstraße 19).

Voraussetzung für die Registrierung: Ein Wohnsitz in Bochum und der Nachweis der Bedürftigkeit, etwa über ALG- oder Rentenbescheid. Registrierte können sich einmal wöchentlich gegen eine Spende von vier Euro bei der Tafel mit Lebensmitteln versorgen. Weitere Infos auf www.tafel-bochum-wattenscheid.de im Internet.