Bochum/ Hattingen. Mit neuen Arbeitszeitmodellen buhlen Kliniken um Pflegekräfte. Doch im „Team Kunterbunt“ hat größere Flexibilität auch ihren Preis.
Der Fachkräftemangel in der Pflege veranlasst Krankenhäusern zu neuen Arbeitszeitmodellen. Das Katholische Klinikum Bochum (KKB) hat dafür das „Team Kunterbunt“ gegründet. Versprochen werden „100 Prozent flexible Arbeitszeiten für Pflegefachkräfte und Hebammen“. Auch andere Kliniken öffnen sich zunehmend den Wünschen ihrer Beschäftigten.
Allein in Nordrhein-Westfalen fehlen laut der Gewerkschaft Verdi 20.000 Fachkräfte in den Krankenhäusern. Der Krankenstand ist hoch; ebenso die Zahl der Berufsabbrecher. Zunehmend müssen Kliniken auf teure Leiharbeitsfirmen zurückgreifen. Doch selbst die seien mittlerweile „am Anschlag“, wie es in der Branche heißt.
Krankenhäuser: „Team Kunterbunt“ bricht mit traditionellem Schichtdienst
Das KKB mit seinen mehr als 5000 Beschäftigten reagiert. „Arbeite, wenn du kannst!“, wirbt der Klinikverbund. „In Bewerbungsgesprächen spielt die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit eine immer größere Rolle. Passende, individuelle Arbeitszeiten werden nicht nur gewünscht, sondern vermehrt eingefordert“, berichtet die stellvertretende Pflegedirektorin Christiane Bunse-Elsner.
Auch interessant
Das „Team Kunterbunt“ soll für examinierte Pflegekräfte die Antwort sein. „Wir öffnen unseren traditionellen Schichtdienst“, propagiert das KKB auf der eigens eingerichteten Internetseite team-kunterbunt.de. Neue Beschäftigte, aber auch Mitarbeiter mit bestehenden Arbeitsverträgen können ihre Dienstzeiten frei wählen. „Das reicht von einer Schicht pro Woche bis zur Vollzeitstelle, ganz so, wie es die unterschiedlichen Bedarfe erfordern“, schildert Christiane Bunse-Elsner. Auch „exotische Wünsche“ würden berücksichtigt: „etwa verkürzte Frühdienste von 5.30 bis 8 Uhr, weil dann der Ehemann zur Arbeit fährt und das Kind oder der pflegebedürftige Angehörige daheim betreut werden muss“.
Team-Mitarbeiter müssen für alle Standorte des Katholischen Klinikums verfügbar sein
Gesteuert werden Angebot und Nachfrage über eine App. Für die Klinik sei das mitunter eine Puzzlespiel. Als „Win-Win-Situation“ bezeichnet Christiane Bunse-Elsner das Modell gleichwohl. Denn auch die Klinik gewinne mehr Flexibilität. Wer ins „Team Kunterbunt“ eintritt, erklärt sich bereit, an sämtlichen KKB-Standorten zu arbeiten: im St.-Josef-, St.-Elisabeth- und St.-Marien-Hospital, St.-Maria-Hilf-Krankenhaus samt Seniorenstift, Martin-Luther-Krankenhaus, St.-Anna-Stift, in der Kinderklinik, im Facharztzentrum Josef-Carree bis zur Klinik Blankenstein in Hattingen. Die Fachbereiche reichen von der Allgemeinchirurgie bis zum Venenzentrum.
Auch interessant
Probleme für die angestammten Stationsteams und die Patienten erkennt Christiane Bunse-Elsner dadurch nicht. Jede Unterstützung sei hoch willkommen. Eine angemessene Einarbeitung sei überall gewährleistet. Und: „Die Alternative wäre, dass keiner kommt.“
Mitarbeitervertretung erkennt keine Konflikte für Pflegekräfte und Patienten
Seit dem Start im März sind laut KKB-Sprecher Jürgen Frech rund 40 Beschäftigte ins „Team Kunterbunt“ eingetreten: vielfach Berufsrückkehrerinnen. „Das Interesse ist groß und nimmt stetig zu. Wir konnten durch das Modell zahlreiche neue Mitarbeitende gewinnen.“
Das bestätigt der Vorsitzende der KKB-Mitarbeitervertretung, Ralf Dietz. „,Kunterbunt’ wird gut angenommen, vor allem von Kolleginnen und Kollegen nach der Elternzeit. Es ist für uns eine Chance, dem Fachkräftemangel zu begegnen“, so Dietz. Konflikte durch die ständig wechselnden Einsatzorte sieht er nicht: „Flexibles Arbeiten ist in der Pflege längst Normalität. Die Versorgung der Patienten ist jederzeit gewährleistet.“
Bergmannsheil setzt auf „Springerpools“ mit 50 Beschäftigten
Der Rote Teppich wird Pflegekräften auch im Bergmannsheil ausgerollt. In „Springerpools“ bietet das Klinikum flexible Arbeitsmodell an. 50 Beschäftigte haben sich dafür entschieden und arbeiten dort, wo sie aktuell gebraucht werden. „Die Vorteile der zuverlässigen Dienstplanung, Urlaubsgestaltung, attraktiven Bezahlung und die Möglichkeit, verschiedene Fachdisziplinen kennenzulernen, machen die Pools sehr attraktiv. Aufgrund des Zulaufs werden die Pools weiter ausgebaut“, sagt Teamleiterin Saskia Söhrmann.
Auch interessant
Die Springer haben die Wahl zwischen Normal- und Intensivstationen. Zudem gibt es den Dialysepool sowie den Springerpool für die Stationssekretariate. „Wir haben viele Mitarbeitende aus den eigenen Reihen, die sich von ihren festen Stationen lösen und Teil des Pools werden“, berichtet Saskia Söhrmann.
Auch Augusta-Klinik bietet Arbeitszeit und -ort nach Wunsch
Auch die Augusta-Klinik hat das Pool-Modell umgesetzt: „angefangen von einem Arbeitstag im Monat bis hin zur Vollzeitstelle“, erklärt Sprecherin Jennifer Krämer. Die Beschäftigten könnten angeben, an welchen Tagen, in welcher Schicht und in welchem Fachbereich sie arbeiten wollen. „So haben wir zum Beispiel Kolleginnen und Kollegen, die sich wünschen, nur in der Notaufnahme und im OP eingesetzt zu werden. Das setzen wir dann um“, sagt Jennifer Krämer.
Einen besonderen Trumpf spielt das Knappschaftskrankenhaus Langendreer aus. Ergänzend zu flexiblen Arbeitszeit- und Poolmodellen eröffnet die Klinik 2024 eine eigene Kita. Dieser Schritt stelle „eine verlässliche Unterstützung in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf dar“, so Marketingleiterin Annette Bruckhaus.