Bochum. Personalmangel, Pandemie, Preisexplosion: Bochums Kliniken arbeiten im Krisenmodus. Viele Mitarbeiter seien „mürbe“, sagt ein Verantwortlicher.
Personalnot, Pandemie, Preisexplosion – hinzu kommen sinkende Fallzahlen, Engpässe bei Medikamenten und Probleme mit Zulieferern. Bundesweit arbeiten Kliniken im Krisenmodus. Ein Klinik-Chef in Bochum schlägt Alarm: „Für viele Krankenhäuser ist die Situation existenzbedrohend. Auch für uns als Katholisches Klinikum Bochum (KKB) ist sie eine riesige Herausforderung“, sagt Prof. Christoph Hanefeld. Der medizinische Geschäftsführer sorgt sich insbesondere um seine 5000 Mitarbeiter. „Nach zweieinhalb Jahren Corona arbeiten hier alle am Anschlag, viele sind einfach mürbe.“
Krankenhäuser in Bochum verzeichnen Zunahme der Beschwerden
Das bleibt nicht ohne Folgen. „Die Beschwerden von Patientinnen und Patienten nehmen zu“, sagt Hanefeld. Zwar seien diese meistens „kommunikativer Art“, eine Belastung für den Klinikalltag seien sie gleichwohl. „Wir alle sind dünnhäutiger geworden.“
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Auch das Bergmannsheil verzeichnet mehr Beschwerden, bestätigt Sprecher Robin Jopp. Anlass für Kritik seien häufig pandemiebedingte Einschränkungen wie die Testpflicht. Während im Alltag Corona zunehmend an Bedeutung verliert, gelten für Besucher der Kliniken weiterhin Masken- und Testpflicht. Das aber vergessen viele. „Durch das Aufstellen eines Testzentrums vor dem Eingangsbereich der Klinik konnten wir hier allerdings Abhilfe schaffen“, so Jopp.
Energiekosten sind eine riesige Herausforderung
Nicht verbessern wird sich dadurch die wirtschaftliche Situation in den Kliniken. Alle stehen unter erheblichem Kostendruck. KKB, Knappschaftskrankenhaus, Bergmannsheil und Augusta berichten unisono von einem Rückgang der Fallzahlen bei gestiegenen Kosten. Im Vergleich 2021 zu 2019 wurden bis zu 13 Prozent weniger Patienten behandelt. Eine Ausnahme bildet das Bergmannsheil. Wegen mehr schwerer und komplexerer Behandlungen erhöhten sich die Erlöse der Unfallklinik sogar um 14 Prozent. 2022 soll es noch besser werden.
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Natürlich aber sind in allen Kliniken die massiv gestiegenen Energiekosten „ein riesiges Thema“, so Hanefeld. Dank Strom- und Gaspreisbremse habe es zwar nicht mehr die Dimension wie befürchtet“, aber deutlich mehr als die üblichen sechs bis sieben Millionen Euro dürften künftig anfallen. „Das KKB benötigt so viel Strom wie 3500 Vier-Personen-Haushalte.“
Im Bergmannsheil rechnen die Verantwortlichen für 2023 mit einem Anstieg der Kosten für Energie, Wasser und Abwasser von 6 auf 7,4 Millionen Euro, die Augusta-Kliniken kalkulieren mit einem Aufschlag von 14 Prozent (2022 zu 2021) und das Knappschaftskrankenhaus fürchtet gar eine Verdoppelung der Kosten im kommenden Jahr. Trotz zahlreicher Energiesparmaßnahmen wie beispielsweise LED-Beleuchtung, Bewegungsmeldern für Licht auf den Fluren und niedrigeren Raumtemperaturen.
Immer mehr Lieferengpässe bei Medikamenten
Lieferengpässe bei einigen Medikamenten erschweren die Lage in den Krankenhäusern nun zusätzlich. „Das betrifft Antibiotika oder Mittel, die bei Schlaganfällen und Herzinfarkten eingesetzt werden“, sagt Jopp. Der Engpass bei Blutgerinnsel auflösenden Medikamenten (Fachbegriff: Lyse) bereitet insbesondere im Rettungsdienst Probleme. „Die Nachfrage ist weltweit hoch, da es sich um ein Standard-Notfallmedikament handelt“, erläutert Hanefeld. Mangel gebe es auch an radioaktiven Substanzen, die in der Krebstherapie eingesetzt werden. Am KKB habe man bereits Patienten umbestellt.
Ursache sei in erster Linie die Corona-Pandemie, „der Krieg in der Ukraine hat die Situation zusätzlich verschärft“, sagt Augusta-Sprecherin Jennifer Krämer. „Wir werden kreativ und investieren noch mehr Zeit in die Beschaffung. So suchen wir täglich nach alternativen Wirkstoffen und Lieferanten.“ Das wiederum koste Zeit und führe zu höheren Kosten, „die wir leider nicht refinanziert bekommen“. Dass Lieferanten zudem bevorzugt in Länder mit höheren Preisen verkauften, verschlimmere die Situation.
Mangel an Pflegekräften verschärft sich
Hauseigene Apotheken und ein gut sortiertes Lager helfen in dieser Zeit. Das Knappschaftskrankenhaus beispielsweise unterhält auf 1700 Quadratmetern eine eigene Zentralapotheke auf dem ehemaligen Nokia-Gelände in Riemke. 2500 Arzneimittel sind dort vorrätig.
Kliniken suchen Personal
Die Personalsuche läuft in allen Bochumer Kliniken auf Hochtouren. Im Knappschaftskrankenhaus gibt es aktuell viele offene Stellen. Gesucht werden 39 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – von der Reinigungskraft über Pflegepersonal bis zum Chefarzt.
Von attraktiven Karrierechancen im Pflegebereich berichtet das Bergmannsheil – insbesondere im Intensiv-, im OP oder Anästhesiebereich.
Den vorhandenen Mitarbeitern machen alle Häuser attraktive Angebote. Gesundheitskurse, Rabatt für Fitness-Studios oder Einkaufsgemeinschaften gehören ebenso dazu wie fachliche Fort- und Weiterbildungen und flexible Arbeitszeiten. Allein im Augusta gibt es 25 Dienstplanmodelle.
Das Knappschaftskrankenhaus hat erst im Oktober vier Food-Trucks vor dem Haus auffahren lassen und allen Mitarbeitern ein kostenloses Mittagessen spendiert.
„Wir müssen alles tun, um unsere Mitarbeiter zu motivieren“, sagt Prof. Christoph Hanefeld (KKB).
„Mit Hilfe von Importen, Eigenherstellungen und Kontingentierungen“ gelinge es, in Zusammenarbeit mit den Ärzten die Versorgungsqualität aufrecht zu erhalten, sagt die Sprecherin des Uniklinikums, Bianca Braunschweig. Im Bochumer Norden werden unter anderem Augentropfen, Salben, Schmerzmittel und Zytostatika zur Behandlung von Krebserkrankungen hergestellt. Insgesamt gibt es 463 Rezepturen/Defekturen aus eigener Produktion.
Auch der eklatante Mangel an Pflegekräften macht den Krankenhäusern zu schaffen. Auf der einen Seite werben Leiharbeitsfirmen mit flexiblen Arbeitszeiten und Dienstwagen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab, und auf der anderen Seite werden die von den Kliniken benötigten Honorarkräfte nur zu 60 Prozent refinanziert. „Wir am KKB können uns glücklich schätzen, dass wir im Haus selber ausbilden“, sagt Ralf Dietz. Weniger glücklich ist der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung mit der Gesamtsituation: „Wir arbeiten hier alle an der Belastungsgrenze.“