Bochum. Bei einer Fahrkartenkontrolle in Bochum ist ein Bogestra-Mitarbeiter äußerst schwer verprügelt worden. Der Täter wurde jetzt verurteilt.
„Solch eine Brutalität habe ich selten gesehen“, sagte ein Fahrausweisprüfer und Straßenbahnfahrer (48) im Zeugenstand des Amtsgerichts. Er wurde von einem betrunkenen Schwarzfahrer (34) so schrecklich verprügelt, dass er mehrfach operiert werden musste und seit knapp zehn Monaten arbeitsunfähig ist. Der Täter wurde jetzt wegen Körperverletzung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wollte zweieinhalb Jahre Haft; Bewährung wäre da nicht mehr möglich.
Der Bogestra-Mitarbeiter war am 25. Mai 2022 gegen 14.15 Uhr mit drei Kolleginnen am Hauptbahnhof in die U 35 gestiegen, um Fahrgäste zu kontrollieren. Der Angeklagte, der eine Bierflasche in der Hand und 1,7 Promille im Blut hatte, zeigte einen ungültigen Fahrschein vor. An der Station Wasserstraße stiegen das Kontrolleur-Team und der 34-Jährige aus. Auf dem Bahnsteig eskalierte alles.
„Er hat immer nur auf den Kollegen draufgeschlagen. Er war wie ein Tier“
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„Von jetzt auf gleich hat sich die Person verändert“, schildert der Fahrausweisprüfer. Der Schwarzfahrer beleidigte ihn damals ganz übel und schlug völlig überraschend und ohne jeden Grund mehrfach voller Wucht in sein Gesicht. Seine Wut war so groß, dass er auch dann weiter schlug, nachdem er sich zwischenzeitlich schon etwas entfernt hatte. „Er hat immer nur auf den Kollegen draufgeschlagen“, sagte seine Kollegin (50) dem Gericht. Wie oft?, fragte die Richterin. „Gefühlt unendlich. Er war wie ein Tier.“ Sowas habe sie in 23 Dienstjahren nicht erlebt.
Eine weitere Kollegin meinte: „Das Blut lief runter wie Wasser. Die Zeiten draußen werden immer schlimmer. Wir machen draußen doch einfach nur unseren Job.“
Die Verletzungen waren dramatisch: Das Opfer erlitt mehrere Brüche im Gesicht und an einer Hand und musste mehrfach operiert werden. Fast drei Wochen lag er im Krankenhaus. Einzelheiten sind ganz bitter. Bis heute leidet er unter den Folgen. Und: „Ich bin immer noch in psychologischer Behandlung.“ Seinen bisherigen Beruf könne er in Zukunft „überhaupt nicht mehr machen“.
Angeklagter aus Bochum ist einschlägig vorbestraft
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Der Täter war damals in Tatortnähe schnell gefasst worden. Er ist mehrfach wegen Körperverletzung vorbestraft, zuletzt allerdings vor zwölf Jahren.
Im Prozess war er voll geständig und zeigte Reue. „Ich bin beschämt zu sehen, was vorgefallen ist“, sagte er. Zuvor hatte er ein Video von seinem Gewaltausbruch auf dem Bahnsteig gesehen; die Bogestra hat dort Überwachungskameras.
Wie Verteidiger Christoph Pindur erläutert, war sein Mandant, ein mehrfacher Familienvater, damals in einer privaten und familiären Krise. Er habe das Trinken angefangen: „eine Kiste Bier am Tag oder Schnaps“. Auf dem Bahnsteig müsse es bei seinem Mandanten „irgendwann im Kopf Klick gemacht haben“; der Kontrolleur sei dann „Blitzableiter“ gewesen. Die Tat tue ihm heute „unfassbar leid“.
Angeklagter muss mit hohen zivilrechtlichen Forderungen rechnen
Rund 5000 Anzeigen im Bogestra-Bereich pro Jahr
Im gesamten Betriebsgebiet der Bogestra gibt es wegen strafbarer Zwischenfälle rund 5000 Anzeigen pro Jahr. Darin sind auch Vorfälle wie etwa Taschendiebstähle, Beleidigungen und Streitigkeiten unter Fahrgästen eingerechnet.
Gewalt gegen Bogestra-Personal nehme zahlenmäßig zwar nicht zu, werde aber tendenziell intensiver, sagt Unternehmenssprecherin Sandra Bruns. Während früher geschubst worden sei, würde heute geschlagen, erklärt sie.
Das gesamte Personal in Bus und Bahn wird besonders geschult, um brenzlige Situationen zu deeskalieren. Es gibt ein Training, das die Polizei mitentwickelt hat. Dabei finden Rollenspiele statt. Geübt wird auch, wie man zum Beispiel mit Fahrgästen umgeht, die alkoholisiert sind, unter Drogeneinfluss stehen oder wild gestikulieren. Regelmäßig finden Nachschulungen statt.
Erst im Mai 2022 ist in Bochum ein Fahrgast (33) wegen einer Attacke mit einer Schere auf einen Busfahrer (48) in Eppendorf verurteilt worden: 2,5 Jahre Haft.
Der Angeklagte hatte im vorigen August freiwillig eine Entgiftung gemacht und ist seitdem nach eigenen Angaben „trocken“. Seine familiären Verhältnisse sollen wieder geordnet sein. Er arbeitet auch wieder in Vollzeit.
Das Gericht würdigte all dies und blieb deutlich unter dem Strafantrag des Anklägers. Als Bewährungsauflage muss der Täter 1200 Euro an das Opfer zahlen und regelmäßig an Treffen von anonymen Alkoholikern teilnehmen. Neben dem Strafurteil muss er mit weiteren Forderungen wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld in ganz beträchtlicher Höhe rechnen.