Bochum/Gelsenkirchen/Hattingen. Die Bogestra will künftig bei der Sicherheit in Bahnen und Bahnhöfen ausschließlich auf ein privates Unternehmen setzen. Doch es gibt Gegenwind.

Die Bogestra hat entschieden, den eigenen Sicherheitsdienst komplett abzuschaffen und künftig durch einen externen Dienstleister zu ersetzen. Das sorgt für großen Unmut bei den zum Teil seit Jahren im Unternehmen in diesem Bereich arbeitenden Männern und Frauen. „Die Eier legende Wollmilchsau ist tot“, kommentiert einer der ehemaligen Sicherheitsleute, die schon immer auch in der Kundenbetreuung tätig waren, die Entscheidung. Betroffen sind rund zwei Dutzend Mitarbeiter, die künftig nur noch mit Fahrkartenkontrollen und Kundenbetreuung beschäftigt werden sollen.

Pilotprojekt mit privatem Sicherheitsunternehmen

Von der Öffentlichkeit völlig unbemerkt hat das Verkehrsunternehmen bereits im letzten Jahr ein Pilotprojekt mit einem privaten Sicherheitsunternehmen gestartet. Einen konkreten Vorfall habe es nicht gegeben. „Wir wollen uns aber auf unser Kerngeschäft konzentrieren“, so Bogestra-Sprecher Christoph Kollmann zu den Hintergründen.

Seit dem 1. Juli 2022 sollen sich die Kundenbetreuerinnen und Betreuer vollständig auf ihre Aufgaben als mobile Ansprechpartner für Fahrgäste in Bus und Bahn, Ticketkontrolle, Information zu Tickets und Tarifen, im Störungsfall Einsatz vor Ort oder, um Fahrgästen weiterzuhelfen, konzentrieren, konkretisiert die Bogestra die Beschreibung.

Immense Vandalismusschäden bei der Bogestra

Jahr für Jahr entsteht allein der Bogestra ein immenser Sachschaden durch Vandalismus. Aufzüge oder Rolltreppen werden mutwillig beschädigt, Polster und Wagen beschmiert. Oft fallen Anlagen für Wochen oder gar Monate aus, weil etwa Ersatzteile nicht sofort beschafft werden können.Die Höhe der Schäden bezifferte das Unternehmen vor einigen Jahren mit rund einer halben Millionen Euro, pro Jahr versteht sich. Projekte mit Jugendlichen und Fußballfans wurden initiiert, um die jungen Leute zu sensibilisieren. Zu dem Konzept gehörte einst auch die Installierung eines hauseigenen Sicherheitsdienstes, der jetzt aber abgeschafft wird.

Doch die Geschichte reicht weiter zurück, als das Unternehmen Glauben machen möchte. Im Jahr 2006 wurde der eigene Sicherheitsdienst aufgestellt. Die mit einer blauen Uniform und feschem roten Barrett bekleideten Sicherheitsleute wurden aus den eigenen Reihen rekrutiert. Denn kurz vorher hatte ein großes privates Sicherheitsunternehmen Insolvenz angemeldet. Die Bogestra entschied selbstbewusst: Das schaffen wir auch alleine.

Professionelle Sicherheitsleitstelle gibt es nicht mehr

Und tatsächlich. Mit vielen Tausend Euro wurde 2008 eine eigene höchst professionelle Sicherheitsleitstelle installiert, Hunderte Kameras in Bussen, Bahnen und Bahnhöfen wurden eingesetzt. Heute gibt es etwa 500 dieser Geräte. Mit Grund: Der Vandalismus in Bahnen nahm kontinuierlich zu. Es verging kaum ein Tag, dass nicht Polster zerschnitten oder Bahnen besprüht wurden. Auch die Zahl renitenter Fahrgäste, die bewusst kein Ticket lösten und sich mit Spott und Aggressivität den Fahrkarten-Kontrollen entzogen, nahm zu.

Die Leitstelle der Bogestra (Archivbild). Die Mitarbeiter hier haben auch die Kameras, die die Situationen auf den Bahnhöfen zeigen, im Blick. Bis 2015 gab es eine eigene Sicherheitsleitstelle.
Die Leitstelle der Bogestra (Archivbild). Die Mitarbeiter hier haben auch die Kameras, die die Situationen auf den Bahnhöfen zeigen, im Blick. Bis 2015 gab es eine eigene Sicherheitsleitstelle. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

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Doch die Bogestra hatte ein Problem. Es galt auch Kosten zu drücken, zudem wurde es immer schwerer, geeignetes Personal zu finden. Denn der Job bei Sicherheit und Kundenbetreuung war nichts für schwache Nerven. 2015 wurde schließlich die Reißleine gezogen, die eigene Sicherheitsleitstelle, die mit Fördergeldern erst sieben Jahren zuvor in Betrieb genommen worden ist, wurde dichtgemacht, still und leise. Nach WAZ-Informationen wurden so in 2015 rund 130.000 Euro eingespart. Im zweiten Jahr sollen durch weitere Maßnahmen noch einmal 78.000 Euro an Kosten gedrückt worden sein.

Doch um welchen Preis? Jetzt kümmern sich zwei Leute einer privaten Sicherheitsfirma um vier besonders betroffene Bahnhöfe – und das nur zwischen 17.30 und 2 Uhr nachts. Vorher hat sich der Bogestra eigene Sicherheitsdienst um alle Stadtbahnhöfe gekümmert. Bis 2015 sogar rund um die Uhr.

Furcht, dass Brennpunkte nicht gut überwacht sind

Mit der Situation Vertraute aus den Reihen der Bogestra fürchten jetzt um eine Zunahme von gefährlichen Situationen. „Wer ist jetzt da, wenn es an den Brennpunkten Buddenbergplatz oder am Engelbertbrunnen zu Problemen kommt?“, fragt einer, der sich auskennt. Leicht könnte die Bogestra nachprüfen, was passiert ist: Es soll Sicherheitsbücher mit entsprechenden Meldungen geben, die genau Auskunft geben, wo, wann, was geschehen ist.

Jetzt läuft die Ausschreibung. Ein privates Unternehmen soll künftig allein all diese Jobs übernehmen. Wie die Bogestra bestätigt, sollen sechs Mitarbeiter die Aufgaben erfüllen, ein Team vormittags und zwei Teams nachmittags bis in die Nacht hinein.