Bochum. Weil viele Hausärzte in Rente gehen, droht weiteren Praxen in Bochum das Aus. Ein Arzt-Ehepaar in Harpen zeigt, wie die Nachfolge gelingt.

Er liebt das Segeln und die Gartenarbeit, sie ist passionierte Pianospielerin: Dr. Alexander und Sara Könn freuen sich auf ihren Ruhestand. Der beginnt am 1. April. Dafür haben die Hausärzte rechtzeitig vorgesorgt. Ihre Praxis in Harpen wird fortgeführt. Das ist in Bochum nicht mehr die Regel.

222 Hausärztinnen und -ärzte sind in Bochum tätig. In 173 Praxen kümmern sie sich um das Wohl ihrer Patienten: rein rechnerisch knapp 2200 pro Praxis. „Damit ist Bochum relativ gut versorgt, gerade auch im Vergleich zu ländlichen Regionen“, konstatiert Dr. Eckhard Kampe, Bezirksleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL).

Jeder dritte Hausarzt in Bochum ist über 60 Jahre alt

Doch die Sorgen wachsen. Mehr als 30 Prozent der Bochumer Hausärzte sind nach KVWL-Angaben über 60 Jahre alt. Schon bald werde es „einen erheblichen Nachbesetzungsbedarf“ geben, wenn das heutige Versorgungsniveau nur annähernd gehalten werden soll, heißt es im NRW-Gesundheitsministerium. Auch der Hausärzteverband Westfalen-Lippe zeigt sich besorgt, ob die anrollende Ruhestandswelle aufzufangen sei.

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Die ersten Versorgungslücken sind in Bochum schon da. Acht Hausarztbezirke sind derzeit nicht besetzt, sagt Eckhard Kampe. So sei es seit Jahresbeginn nicht gelungen, für zwei Praxen in Wattenscheid Nachfolger zu finden. Dabei zählt Wattenscheid bereits zu den Stadtbezirken mit der niedrigsten Hausarzt-Quote, ebenso wie Hamme und das Gleisdreieck. Topwerte gibt es hingegen in den wohlhabenderen Stadtteilen, etwa in Stiepel und Linden/Dahlhausen.

222 Hausärzte sind in Bochum in 173 Praxen tätig. 54 der Hausärzte arbeiten im Angestelltenverhältnis. Tendenz: steigend.
222 Hausärzte sind in Bochum in 173 Praxen tätig. 54 der Hausärzte arbeiten im Angestelltenverhältnis. Tendenz: steigend. © dpa | Bernd Weißbrod

Junge Ärztinnen und Ärztin wollen lieber als Angestellte arbeiten

Die Probleme werden in den nächsten Jahren zunehmen, befürchtet Kampe. Stichwort Work-Life-Balance: Immer mehr junge Ärztinnen und Ärzte scheuen bewusst den Schritt in die Selbstständigkeit und wollen als Angestellte arbeiten. Schon jetzt sind es 54 der 222 Bochumer Hausärzte, als fast jeder vierte. Das macht die Suche bei einer Praxis-Übernahme nicht eben leichter.

Das war auch bei Alexander und Sara Könn nicht anders. Vor 30 Jahren übernahmen sie die Hausarztpraxis von Dr. Winzer an der Dellenstraße. Seit 2009 praktiziert das Ehepaar im Hausarztzentrum Harpen an der Gerther Straße. 2016 kam der Allgemeinmediziner Dr. Christoph Denter hinzu. Gemeinsam betreut das Ärzte-Trio mit sieben Medizinischen Fachangestellten mehr als 3000 Patienten.

Harpener Arzt-Ehepaar hat einen „Headhunter“ eingeschaltet

Die können beruhigt sein: Die Könns scheiden aus. Doch die Praxis bleibt erhalten.

„Als wir im vergangenen Jahr beide unseren 65. Geburtstag feierten, haben wir uns vorgenommen: Wir wollen zeitnah aufhören und hier nicht noch mit 69 herumlaufen“, sagt Alexander Könn. Man habe bei Kollegen und in Kliniken vorgefühlt. Doch erst das Einschalten einer Beratungsfirma (der Harpener Mediziner spricht von einem „Headhunter“) brachte Erfolg: Dr. Andrea Uhle, Fachärztin für Innere Medizin, lässt sich im April in Harpen nieder. „Anfangs werden Dr. Uhle und Dr. Denter zu zweit arbeiten. Gut möglich, dass später ein dritter Arzt als Angestellter mit einsteigt“, sagt Alexander Könn.

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Ärztenetz MedQN hebt Vorteile von Gemeinschaftspraxen hervor

Die nahtlose Fortführung in Harpen wertet das Medizinische Qualitätsnetz (MedQN) als gutes Beispiel. „In Gemeinschaftspraxen oder auch Medizinischen Versorgungszentren lässt sich die Arbeit besser auf mehrere Schultern verteilen“, weiß Dr. Michael Tenholt, Vorsitzender des Bochumer Ärzteverbundes. Zudem müsse es gelingen, Hausärzte zu entlasten und „die Freude am Beruf neu zu wecken“.