Bochum. Bei der Digitalisierung stecken viele kleine und mittlere Firmen in Bochum noch in den Kinderschuhen. Die Wirtschaftsentwicklung will das ändern.
Bleistift, Millimeterpapier, Lineal und Zollstock. Das war mal. Stefan Zimmermann entwirft Pläne für Dachausbauten, Terrassen und Carports am Computer. Schon lange ist der Zimmereibetrieb des Innungsobermeisters aus Bochum-Stiepel digital unterwegs. So weit sind noch längst nicht alle kleinen und mittleren Unternehmen, sogenannte KMU, in Bochum.
Viele Firmen stecken bei der Digitalisierung in den Kinderschuhen
Mangelndes Wissen, zu wenig Zeit, Scheu vor hohen Investitionen. Es gibt viele Gründe, warum die Digitalisierung in KMU im Vergleich zu großen Unternehmen hinterherhinkt. 13.300 Betriebe dieser Größe gibt es in der Stadt. „Viele Unternehmen in Bochum stecken bei der Digitalisierung noch in den Kinderschuhen“, heißt es beim IT-Dienstleister ADN; mit einem Jahresumsatz von mehr als 700 Millionen Euro ein Großer in der Branche.
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Nach Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung sind lediglich in 17 Prozent der KMU in Deutschland IT-Fachkräfte beschäftigt, bei den kleinen Unternehmen sind es sogar nur zwölf Prozent. Das liegt unter dem EU-Durchschnitt. Immerhin: 22 Prozent nutzen Fortbildungen in Sachen IT, 19 Prozent verkaufen Produkte online. Aber insgesamt weisen 82 Prozent dieser Unternehmen eine niedrige oder sehr niedrige „digitale Intensität“ auf.
Kostenfreie IT-Beratungen für Betriebe aller Branchen
Bochum, die smarteste Großstadt im Ruhrgebiet, so das Ergebnis der Studie des Digitalbranchenverbandes Bitkom, macht da keine Ausnahme. Die Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft (WEG) hat daher einen IT-Infrastruktur-Check aufgelegt. „Die kostenfreie Erstberatung gilt für alle Branchen“, sagt WEG-Sprecher Marcel Voß. Es gehe darum, Handlungsempfehlungen für relevante Bereiche wie Wlan, Netzwerke und Cloudlösungen zu geben.
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„Unternehmen, die es jetzt verpassen, sich mit Digitalisierung auseinanderzusetzen, werden in Zukunft nicht handlungs- oder konkurrenzfähig sein“, sagt Anika Schiller, Projektmanagerin für Fachkräfte und Potenziale bei der WEG. Ihr persönlicher Eindruck sei, dass in Bochum einige Unternehmen Beratungsbedarf haben, aber nicht wissen, wo sie beginnen sollen.
Bochumer Unternehmen ADN und R.iT bieten Beratung an
Hier setzt das Projekt IT-Infrastruktur-Check an, mit dem die WEG neben der R.iT GmbH, die ihren Standort im Technologiequartier in Querenburg hat, nun auch ADN aus Wattenscheid beauftragt hat. „Die Zusammenarbeit mit weiteren Dienstleistern ist auch möglich“, so WEG-Sprecher Voß. Betriebe, die Interesse an einer Beratung haben, können über ein Formular auf der Internetseite www.bochum-wirtschaft.digital Kontakt aufnehmen.
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Einige sind bereits aktiv geworden. 120 kleine und mittlere Unternehmen haben den IT-Check bislang wahrgenommen. Das sind weniger als ein Prozent aller Firmen dieser Größe in der Stadt.
Zimmermeister ist Vorreiter bei der Digitalisierung
Zimmermeister Stefan Zimmermann ist Vorreiter bei der Digitalisierung. „Ich habe mir in den 1980er Jahren den ersten Rechner und ein Programm für 17.000 Mark gekauft.“ Heute sieht die IT-Unterstützung so aus: Auf Basis der Zeichnungen und Daten von Architekt und Statiker wird digital eine Konstruktion erstellt. „Und dann steuere ich von meinem Rechner aus in Süddeutschland eine CNC-Anlage an. Per Knopfdruck werden dann die Balken aus dem Regal gezogen, geschnitten, gebohrt und gefräst, auf den Lkw geladen und just in time zur Baustelle nach Bochum gebracht.“ Modernes Handwerk.
Dennoch sagt der erfahrene Unternehmer, IT sei kein Selbstzweck. Jeder Betrieb müsse schauen, ob und wie ihn die Digitalisierung weiterbringe.
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Digital-Check wurde während der Corona-Pandemie aufgelegt
Aufgelegt wurde der Check während der Corona-Pandemie, um Firmen einen unbürokratischen, individuellen und niedrigschwelligen Einstieg in die Digitalisierung zu ermöglichen. „Es ging im Kern darum, dass Unternehmen angesichts von Kontaktbeschränkungen und Ladenschließungen handlungsfähig bleiben “, so WEG-Projektmanagerin Schiller. Daraus habe sich das Projekt immer weiter entwickelt.
ADN-Ausbildungschefin Enya Neumann ist begeistert. „Wir bringen damit die Digitalisierung in der eigenen Stadt voran und lassen Bochum als digitalen Standort wachsen.“ Für die Bestandsaufnahme rechnet sie mit 30 Minuten bis drei Stunden – abhängig von der Unternehmensgröße und den eingesetzten IT-Lösungen. Schwachstellen, auf die Berater treffen, könnten aus ihrer Sicht veraltete Server und Betriebssysteme sein – und „der fehlende Einsatz von Cloud-Diensten, in denen die Zukunftsmusik spielt“.
Berater wollen Bewusstsein für Notwendigkeit zur Digitalisierung schaffen
Anschließen an die Erstberatung könnte sich die Problemlösung. Neumann: „In erster Linie geht es aber darum, das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Digitalisierung zu schaffen und die Erkenntnis zu vermitteln, dass die digitale Welt sich mit jedem Tag weiter nach vorne bewegt. Und wer stehenbleibt, dessen Unternehmen verliert irgendwann den Anschluss.“