Bochum. Um Sachspenden für die Erdbeben-Opfer gab es zuletzt viel Wirbel. Warum der Verein „Kollektiv“ trotzdem sammelt – aber streng aussortiert.

Für Dirk Konze ist die Sache klar. „Gerade hat mir hier jemand ,Danke’ gesagt – dabei hab ich doch zu danken!“ Soeben hat der 59-Jährige drei Winterjacken und mehrere Pakete Windeln im Falkenheim an der Akademiestraße abgegeben. Der Verein „Das Kollektiv“ aus Bochum sammelt dort an diesem Sonntag Sachspenden für die Opfer des Erdbebens in der Türkei und in Syrien. „Für uns“, sagt Dirk Konze, „ist es doch eine Kleinigkeit, hier etwas abzuliefern.“

So reiht er sich am Vormittag ein in den Strom jener, die Säcke und Kisten die Treppe hochtragen. Am Empfangstisch, den sie im Flur aufgebaut haben, kommen die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer kaum hinterher, die Spenden grob zu sichten. „Nehmen Sie auch gebrauchte Kleidung an?“, fragt ein Vater, der mit seinen zwei Kindern Isomatte und Schlafsack abgegeben hat. „Man hört ja so viel...“

Sortiert und beschriftet: Die Sachspenden aus Bochum sollen schon am Montag nach Lohmar gebracht werden.
Sortiert und beschriftet: Die Sachspenden aus Bochum sollen schon am Montag nach Lohmar gebracht werden. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Spendenaktion für Erdbeben-Opfer: Keine Wolldecken, bitte!

Gebrauchte Kleidung, ja – aber: „Das Kollektiv“ nimmt nicht alles. Die Bochumer arbeiten bei ihrer Spendensammlung mit dem Verein „Lohmar hilft“ zusammen, der Bedarfslisten erstellt hat. Winterjacken und Windeln stehen für Bochum auf der Liste, außerdem: Zelte, Isomatten und Schlafsäcke, Trockennahrung für Babys. „Sorry, Decken können wir leider nicht nehmen“, ist ein Satz, der am improvisierten Empfangstresen häufiger fällt. „Die Leute meinen es ja gut“, sagt eine der Ehrenamtlichen.

Judith Büthe, „Kollektiv“-Vorsitzende und Organisatorin der Aktion, erklärt, warum sie hier so streng filtern. Gesammelt werden soll nur das, was auch wirklich gebraucht wird. Stichwort Decken: „Rotes Kreuz und Roter Halbmond können inzwischen schon Neuware verteilen.“ Da ergebe es schlicht keinen Sinn, gebrauchte Decken aus Deutschland Tausende Kilometer weit heranzufahren. Zumal die Wolldecken, die hier manch einer aus guter Absicht bringt, vor Ort keine Hilfe sind: „Die werden nie wieder trocken.“

Was passiert mit unbrauchbaren Spenden?

Die Sachspenden, die „Das Kollektiv“ nicht für den Transport ins Erdbebengebiet gebrauchen kann, finden anderweitig Verwendung. Das Falkenheim betreibe eine Mali-Hilfe, dafür könne manches gebraucht werden. Über den Verein „Lohmar hilft“ könnten andere Teile nach Ghana gebracht werden.

Was übrig bleibt, komme zur Kleiderkammer in Altenbochum, erklärt Judith Büthe. „Von dort bekommen wir auch noch Spenden für die Türkei.“

Manch einer fährt gleich mit dem Kleinlaster in Bochum vor

Weiter hinten im Falkenheim stapeln sich schon gegen Mittag die Kartons. Canan ist eine der Ehrenamtlichen, die hier die Spenden sortieren. Sie hat selbst türkische Wurzeln und aus den sozialen Medien von der Aktion mitbekommen. „Wenn ich hier mit anpacken kann, ist das gut.“

Vor dem Haus ist unterdessen Ramazan Ögut mit einem Dreieinhalbtonner vorgefahren. Der Kleinlaster ist bis unters Dach voll mit Kartons, über Whatsapp haben Ögut und Bekannte in den vergangenen Tagen die Sammlung von Sachspenden organisiert. Eigentlich wollten sie diese in Dortmund abgeben, aber dort ist Annahmestopp. Jetzt sortiert der 45-Jährige das aus, was sie in Bochum abgeben können. „Wir wollen einfach nur helfen.“

Judith Büthe und Jens Feddersen sind die Vorsitzenden des Vereins „Das Kollektiv“. Nach Spendenaktionen für Geflüchtete auf Lesbos und in Calais hat der Verein jetzt zu Sachspenden für die Erdbeben-Opfer in der Türkei und in Syrien aufgerufen.
Judith Büthe und Jens Feddersen sind die Vorsitzenden des Vereins „Das Kollektiv“. Nach Spendenaktionen für Geflüchtete auf Lesbos und in Calais hat der Verein jetzt zu Sachspenden für die Erdbeben-Opfer in der Türkei und in Syrien aufgerufen. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Nach Erdbeben: Warum „Das Kollektiv“ auch Sachspenden sammelt

Kann man mit Sachspenden denn wirklich helfen? Ja, sagt Jens Feddersen, Co-Vorsitzender vom „Kollektiv“. Das Ausmaß des Unglücks sei so groß, und die Zivilgesellschaft könne ganz schnell reagieren – schneller als so manche große Nichtregierungsorganisation. Der Verein in Lohmar sei im Netzwerk Ziviler Krisenstab organisiert, „die haben schon die ersten Sprinter in die Erdbebenregion durchgebracht“.

Die Hilfsbereitschaft sei „grandios, überwältigend“ gewesen, bilanziert Judith Büthe am Ende des Tages. Ein 7,5-Tonner ist voll mit Spenden, aber noch so viel mehr da, dass sich „Das Kollektiv“ auch noch den Spielebus und einen weiteren Kleinbus der „Falken“ ausleihen muss. Am Montagmorgen bringen sie die in Bochum gesammelten Jacken und Schlafsäcke, Isomatten und Zelte, Babynahrung und Windeln ins Rheinland. Von dort soll schnellstmöglich ein Sattelschlepper Richtung Türkei starten.