Essen. „Das war das Haus meines Onkels.“ Abdelrahman Giro verfolgt in Videos die Katastrophe in seinem Heimatdorf. „Das war die Bäckerei.“

Das ist sein Dorf, das Dorf Yakhour in Syrien, wo die Häuser jetzt Risse haben und große Steine auf den Straßen und den Seelen liegen. Abdulrahman Giro wischt über sein Smartphone, ein Video beginnt: „Das war die Bäckerei, aus der alles Brot kam“, sagt Giro zu den Bildern, „und das war das Haus meines Onkels.“ Giros Cousine, die hin und her durch das Dorf läuft und filmt, sagt auf Kurdisch: „Die Küche ist zerstört, die Wohnung ist zerstört, was sollen wir jetzt machen?“

Der Nordwesten Syriens ist die letzte Insel der Rebellischen im Land, auch hier hat das Erdbeben viele Menschen getötet, Straßen zerstört und Staudämme beschädigt. „Von türkischer Seite kommt keine Hilfe und von Regime-Seite kommt keine Hilfe, das kann ich hundertprozentig sagen“, sagt Giro. Nach zwölf Jahren Krieg gebe es in dem Gebiet keine Medikamente, keine Räumfahrzeuge, keine Hoffnung: „In den Städten hören sie immer noch die Stimmen von Menschen, die unter der Erde sind.“

„Wir haben so eine Katastrophe nie gehabt, keiner weiß, was man tun soll“

Der Kurde Abdulrahman Giro (36) ist 3600 Kilometer entfernt davon, er kam Ende 2015 nach Deutschland. Inzwischen lebt er in Essen und produziert für die Funke-Mediengruppe Videos. Doch nun zeigt er wieder Schnipsel, die seine Cousine aufnahm. Sie schickt sie ihm, wenn die Solarzellen Strom produzieren. Und umgekehrt „nehme ich Kontakt mit ihnen auf, wenn ich bei Whatsapp sehe, dass sie online sind.“

Weitere Trümmer also, das zerstörte Haus unterhalb des Elternhauses; Männer, in Ratlosigkeit gruppiert. „Wir haben so eine Katastrophe nie gehabt, keiner weiß, was man tun soll“, sagt Giro. „Ich habe meinen Vater gefragt, was sie machen wollen. Er sagt: Keine Ahnung.“

Menschen schlafen unter Autoanhängern und Stoffbahnen

Der Kurde Abdulrahman Giro nimmt Kontakt auf zu seiner Familie in Syrien - sofern sie gerade Strom haben.
Der Kurde Abdulrahman Giro nimmt Kontakt auf zu seiner Familie in Syrien - sofern sie gerade Strom haben. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Dann in all der Zerstörung: Gurken und Tomaten, in Kisten gestapelt an einer beschädigten Außenwand. Weitere Kisten. „Die Lebensmittel haben sie herausgeholt. Wenn es hell ist, haben sie weniger Angst als in der Nacht, in die Häuser zu gehen“, sagt Giro. Nachts blieben die Menschen noch immer aus Angst vor Nachbeben und weiteren Einstürzen in nasser Kälte draußen.

„Nach zwölf Jahren Krieg haben nur reiche Menschen Zelte. Manche schlafen unter umgedrehten Autoanhängern, um überhaupt irgendetwas über dem Kopf zu haben.“ Oder sie griffen zu diesen speziellen, dreibeinigen Leitern, die man eigentlich für die Olivenernte braucht, und stellten sie so auf, dass man ein Stück Stoff darüberlegen kann. Um überhaupt irgendetwas über dem Kopf . . .

Ägyptisches Rettungsteam weckt Hoffnungen im Rebellengebiet

In Yakhour standen einfache Häuser, aus denen die meisten Menschen schnell heraus gekommen sind in der Nacht des Bebens; die Bewohner der nächsten größeren Stadt, Dschindires, hat es weit schlimmer erwischt. Wieder greift Abdulrahman Giro zum Smartphone: Trümmerhaufen, wo Hochhäuser standen. Zwei Mädchen, Grundschulalter ungefähr, die eingeklemmt unter einer heruntergebrochenen Betondecke liegen. Sie schauen in die Smartphone-Kamera, reden; sie sind inzwischen wohl auch gerettet, wie Giro erfahren hat.

„Wenn die Türkei mit ihrer starken Wirtschaft so große Probleme bei der Erdbebenhilfe hat, was kann man dann von Syrien erwarten?“ Und was die Minderheit der Kurden? Eine rhetorische Frage, schon klar. Später kommt die Nachricht, ein ägyptisches Rettungsteam von 17 Mann sei im Rebellengebiet aufgetaucht. Keiner weiß, wie.