Bochum. Zwei Messer-Vorfälle haben an Bochumer Schulen für Aufregung gesorgt. Gibt es einen Trend zu mehr Gewalt? Nachgefragt bei Polizei und Schulen.
Ein 16-jähriger Schüler der Maria-Sibylla-Merian-Gesamtschule in Bochum-Wattenscheid verletzt eine Mitschülerin (15) am Bein – wohl nicht absichtlich, aber der Vorfall im Januar sorgte für Aufregung. Auch an der Waldorfschule in Höntrop wurde ein Zwölfjähriger in dieser Woche den bisherigen Erkenntnissen zufolge versehentlich verletzt, als ein Mitschüler im Streit mit einem Taschenmesser hinter einem anderen Jungen her rannte. Beide Fälle haben gemeinsam, dass ein Messer im Schulbereich gezückt wurde. Gibt es in Bochum generell eine höhere Gewaltbereitschaft bei Schülerinnen und Schülern?
2020 seien an Schulen in Bochum 19 Gewaltdelikte polizeilich bekanntgeworden, 2021 seien es 22 gewesen. Schon Ende Januar sagte Polizeisprecher Jens Artschwager auf Nachfrage, dass für 2022 eine Steigerung erkennbar sei. Die Zahlen hätten sich ungefähr verdoppelt, würden wieder auf dem Vor-Corona-Niveau liegen. Begründet sei das in den Einschränkungen, die es während der Pandemie gab, beispielsweise waren Schulen zwischenzeitlich geschlossen.
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Waffen an Bochums Schulen: Einzelfälle gab es immer
Im Kommissariat für Präventionsvorbeugung, das regelmäßig Kontakt zu den Schulen hat und vor Ort auch verschiedene Projekte durchführt, stelle man keine gestiegene Gewaltbereitschaft fest. Allerdings: Zwar habe die Quantität bei Gewaltdelikten nicht zugenommen, aber die Qualität. „Wenn jemand zuschlägt, ist das in der Regel öfter drastischer“, so Artschwager.
Dass Schülerinnen oder Schüler vereinzelt Waffen mit in die Schule nehmen, sei ein Problem, das es schon immer gebe. Auch hier nehme das Kommissariat für Präventionsvorbeugung aber keine Tendenz wahr, dass dies häufiger als früher passiert.
Trotzdem: Zu Ereignissen mit Waffen ist es in der Vergangenheit immer wieder gekommen. Im März 2018 ist ein 15-jähriger Schüler bei einer Messerattacke so schwer verletzt worden, dass er stationär im Krankenhaus behandelt werden musste. Das Ganze hatte sich auf der Schmechtingwiese ereignet, die sich weniger hundert Meter von der Heinrich-Böll-Gesamtschule entfernt befindet. Tatverdächtiger war damals ein 16-Jähriger.
Schulleiter: „Bei aggressivem Verhalten werden wir sofort aktiv“
Auf Abfrage unserer Redaktion bei den Schulen, ob ihnen ähnliche Vorfälle bekannt sind, schildert Thomas Glaß, Leiter der Technischen Beruflichen Schule 1: „In den vergangenen Jahren hatten wir einen Vorfall mit Zugewanderten/Flüchtlingen aus Syrien, der sich nicht auf dem Schulgelände, sondern auf dem Bahnhofsvorplatz ereignete. Beide Kontrahenten sind in die Schule gekommen und die Schulleitung hat sofort die Polizei hinzugezogen.“
Eine Ausnahme, denn eine steigende Gewaltbereitschaft erlebe man an der Schule am Ostring nicht. „Bei aggressivem Verhalten gegenüber Mitschülern und Mitschülerinnen oder dem Lehrpersonal werden wir sofort aktiv, führen Gespräche und kontaktieren die Ausbildungsbetriebe sowie die Eltern“, erklärt Glaß. Ganz verhindern könne man solche Vorfälle allerdings wohl nicht, so der Schulleiter: „Körperkontrollen sind nicht möglich oder sinnvoll, man kann es nur anlassbezogen thematisieren.“
Forsa-Umfrage: Gewalt an Schulen auf hohem Niveau
„Gewalt und die Bereitschaft, Gewalt auszuüben, nimmt in unserer Gesellschaft immer mehr zu. Auch an der Schule als Spiegel der Gesellschaft ist dieses Phänomen zu beobachten“, heißt es vom Verband Bildung und Erziehung.
In einer repräsentativen Forsa-Umfrage haben fast zwei Drittel der befragten Schulleitungen angegeben, dass es innerhalb der vergangenen fünf Jahre Fälle psychischer Gewalt an ihrer Schule gegeben habe, dazu gehörte zum Beispiel Beleidigungen, Bedrohungen oder Belästigungen.
Etwa die Hälfte der Schulleitungen erklärt zudem, dass die physische und psychische Gewalt seit Corona zugenommen habe.
Auch andere Schulleitungen nehmen nicht wahr, dass es zu mehr Gewalt kommt: „Weder haben wir Vorfälle dieser Art, noch können wir eine steigende Gewaltbereitschaft feststellen“, so Werner Backhaus, Leiter der Hildegardis-Schule. Die Schulkonferenz habe „Werte des Miteinanders“ beschlossen, daran sei die gesamte Schulgemeinschaft beteiligt gewesen.
„Am Walter-Gropius-Berufskolleg haben wir bisher keinen ähnlichen Fall gehabt“, sagt Schulleiter Christian Schulz bezüglich des Vorfalls mit dem Messer an der Wattenscheider Gesamtschule. Durch die enge Zusammenarbeit der drei Sozialarbeiterinnen mit dem Lehrpersonal bemühe sich die Schule, eine möglichst friedfertige Atmosphäre herzustellen. „Zudem initiieren wir Gewaltpräventionsmaßnahmen in Kooperation mit der Bochumer Polizei.“
Schulen dulden Mitführen von Waffen unter keinen Umständen
Auch an Lessing- und Hellweg-Schule habe es in der Vergangenheit keine Vorfälle dieser Art gegeben. „Damit das so bleibt, investieren wir ja erhebliche Ressourcen im Bereich ,Soziales Lernen’“, so Wolfram Hirschhausen, stellvertretender Leiter der Lessing-Schule.
Mathias Balliet, Leiter der Hellweg-Schule, erklärt: „Würden Waffen mitgeführt, so würde die Schulleitung und die zuständige Teilkonferenz für Ordnungsmaßnahmen sofort deutlichste Signale senden. Das Mitführen von Waffen würden wir unter keinen Umständen dulden.“ Vor einigen Jahren sei eine Dose Pfefferspray von einem Schüler mit in die Schule gebracht worden. „Glücklicherweise ist nichts passiert, aber die zuständige Teilkonferenz für Ordnungsmaßnahmen hat dem betreffenden Schüler die Androhung der Entlassung von der Schule ausgesprochen.“
Anmerkung der Redaktion: Dieser Text wurde erstmals am 25. Januar 2023 veröffentlicht. Wir haben ihn nach dem Vorfall in Höntrop ergänzt.