Bochum. Kunststoff-Partikel finden sich überall in unserer Umwelt: in Fischen, der Ruhr, unseren Körpern. Wie Bochums Klärwerk mit Mikroplastik umgeht.
40 bis 50 Tonnen Müll – insbesondere Plastik – haben knapp 7000 Freiwillige beim Ruhr-Cleanup entlang des Ruhr-Ufers aufgesammelt. Was nach einer beachtlichen Menge klingt, entspricht nur einem Bruchteil der Kunststoffteile, die Tag für Tag in unsere Umwelt, über die Ruhr in den Rhein, über den Rhein in die Nordsee und dann in die Weltmeere gelangen.
Mikroplastik-Problem ist allgegenwärtig: Das tut Bochums Klärwerk
Auf dem Weg dorthin lösen sich nicht nur gesundheitlich bedenkliche Stoffe heraus. Plastik zersetzt sich in immer kleinere Partikel. Dieses sogenannte Mikroplastik – zwischen 0,0001 und 5 Millimeter groß – findet sich in unserer gesamten Umgebung wieder, in unserem Wasser, in Fischen und sogar schon im Körper von Neugeborenen.
Ein Indiz für die Allgegenwärtigkeit der Kunststoffpartikel liefert der Ruhr-Gütebericht des Ruhrverbands, der die Messergebnisse verschiedener Spurenstoffe zusammenfasst. So nahm beispielsweise die mittlere Jahreskonzentration von Bisphenol A zu – eine chemische Verbindung, die „nahezu ausschließlich zur Herstellung von Kunststoffen verwendet“ wird. Bisphenol A soll schon in niedrigen Konzentrationen auf das Hormonsystem von Menschen einwirken, die Wirkung von Östrogen nachahmen und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen.
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Hauptursache für weltweite Plastikflut: Fehlendes Abfall- und Abwassermanagement
„Eine Hauptursache für die weltweite Plastikflut in der Umwelt ist fehlendes oder unzureichendes Abfall- und Abwassermanagement“, informiert das Umweltbundesamt. „Kunststoffe gelangen aber auch auf zahlreichen weiteren Wegen in die Natur, zum Beispiel als Abrieb von Autoreifen (in Deutschland jährlich 60.000 bis 110.000 Tonnen Mikropartikel), von Bauwerken, Folien oder Kleidung aus Kunststofffasern.“ Letztere – schätzungsweise 80 bis 400 Tonnen Mikropartikel – gelangen durch das Tragen und insbesondere Waschen von Textilien in das Abwasser.
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Um das Abwasser von rund 290.000 Einwohnerwerten (Durchschnitt der Schmutzfracht pro Einwohner) kümmern sich die Beschäftigten in der Kläranlage Bochum-Ölbachtal. Da das Bochumer Abwassersystem ein Mischkanalsystem ist, landet in dem Klärwerk auch das Oberflächenwasser, das den Straßenablauf inklusive des Reifenabriebs mitbringt.
Ruhrverband: „Wir untersuchen Mikroplastik nicht selbst“
Das zeigt sich auch bei einem Besuch vor Ort an den Klärbecken in Querenburg. Kosmetiktücher, Kondome, große und kleinere Plastikteile schwimmen im Zulaufbecken auf die Kläranlage zu. Christoph Härtel aus dem Kooperationslabor des Ruhrverbands richtet seinen Blick auf das Abwasser.
Bochums Plastikberg
In dieser Serie stellen wir Kunststoff und die Problematik von Einweg-Verpackungen in den Mittelpunkt.
Wie viel Plastikmüll wird in Bochum weggeworfen? Welche Mehrweg-Alternativen bieten Supermärkte und Bäckereien an?
Wo finden sich noch Kunststoffe in unserer Umwelt? Wo wird plastikarme Mode angeboten? Wie viel Mikroplastik kann Bochums Klärwerk aus dem Abwasser herausfiltern?
„Wir untersuchen Mikroplastik nicht selbst“, so der promovierte Chemiker. Vereinheitlicht sei die Forschung auf diesem Gebiet noch nicht. Forschende würden verschiedene Parameter untersuchen, manche die Anzahl der Partikel pro Liter, andere die Plastikmenge in Mikrogramm. Man wisse noch wenig über die biologische Wirkung von Mikroplastik, je nachdem ob der Kunststoff in Form einer Faser oder eines Kügelchens vorkommt. „In einer Kläranlage lässt sich die Zahl der Mikroplastik-Partikel schwer erheben.“ Da die Teilchen im Wasser ganz unterschiedlich verteilt sind, sei eine Probenentnahme schwierig.
Derzeit testen andere Klärwerke und Forschungsinstitute innovative Methoden, um die verbleibenden kleinen Plastikteile abzuschöpfen – beispielsweise mit Kieselsäure-Gel, an das sich die Kunststoffe heften. Der Ruhrverband mit seinen Kläranlagen gehört nicht dazu.
Härtel betont, bei der in den 65 Kläranlagen des Verbands stattfindenden Abwasserreinigung würden 99 Prozent der Kunststoffe aus dem Wasser entfernt. „Die Kläranlage ist eine Senke für Mikroplastik – es wird mit dem Klärschlamm vom gereinigten Abwasser getrennt und anschließend verbrannt.“ Extern durchgeführte Messkampagnen hätten gezeigt, dass die Werte der untersuchten Ruhrverbandskläranlagen vergleichbar mit den Werten in anderen Anlagen sind. Das fehlende Prozent sei nicht ohne einen erheblichen Aufwand zu entfernen.
Ruhrverband müsse so wirtschaftlich wie möglich agieren
Ebenso wie zu anderen problematischen Stoffen, die in den Gewässern zu finden sind, habe der Ruhrverband aber auch den aktuellen Forschungsstand zu Mikroplastik im Blick. Sobald sich gesetzliche Vorgaben änderten, würde man diese umsetzen. Dieses Vorgehen erklärt Verbandssprecherin Britta Balt so: „Alles, was wir tun, bezahlt letztendlich die Allgemeinheit.“ Daher müsse der Ruhrverband als selbstverwaltete Körperschaft des öffentlichen Rechts so wirtschaftlich wie möglich agieren.
Es sei eine Illusion zu glauben, dass wenn die Kläranlagen Mikroplastik herausfiltern, das Problem beseitigt sei. „Man sollte sich klarmachen: Alles was wir benutzen, hat einen Einfluss auf unsere Umwelt. Das gilt für Zahncremes und Duschgele, die Mikroplastik enthalten, ebenso wie für Kleidung, deren Kunstfasern beim Waschen ausgeschwemmt werden“, so Balt. „Die Menge wird in der Kläranlage erheblich reduziert, aber eine Nullkonzentration wird es nie geben.“ Verbraucherinnen und Verbraucher sollten daher darauf achten, dass Mikroplastik erst gar nicht in die Umwelt gelangt.