Bochum-Gerthe. Für die Sängervereinigung 1881 Bochum-Gerthe erklingt beim Konzert am Sonntag das letzte Lied. Am Ende waren es nur noch elf Mitglieder
Eigentlich wollten sie ihren Chor schon vor zwei Jahren zu Grabe tragen, doch auf Corona war selbst in dieser dunklen Stunde Verlass: Das geplante Abschiedskonzert 2020 musste ausfallen. Jetzt naht endgültig das letzte Lied: Mit einem feierlichen Weihnachtskonzert am Sonntag, 11. Dezember, verabschiedet sich die Sängervereinigung 1881 Bochum-Gerthe von ihrem treuen Publikum.
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Männerchor aus Bochum-Gerthe hört auf
Nach 141 Jahren endet hier eine Ära. „Es wird eine Menge Tränen geben“, da ist sich der Vorsitzende Heinz Pöschmann sicher. „Das schmerzt sehr, aber wir haben einfach keine andere Wahl.“
Am Ende sind es nur noch elf Sänger, die sich zur letzten Generalprobe in der Christuskirche in Gerthe versammelt haben. Das zwölfte Mitglied ist vor wenigen Wochen gestorben. Dass bis zum Schluss sämtliche Stimmlagen verlässlich besetzt werden konnten, darauf weist Pöschmann mit einigem Stolz hin. Aufrecht und sichtlich gerührt stehen sie dort auf der Bühne – und wenn die Herren ihre Stimme heben und majestätisch „Alle Sterne glänzen heut‘“ intonieren, dann strahlt der ganze Saal.
Restkarten für das Abschiedskonzert
Das Weihnachts- und Abschiedskonzert der Sängervereinigung 1881 Bochum-Gerthe findet am Sonntag, 11. Dezember, um 17 Uhr in der Christuskirche Gerthe (Lothringer Straße 29) statt. Mit dem Solisten und Vizechorleiter Jürgen Scherphausen werden viele weihnachtliche Lieder erklingen. Michael Leifeld begleitet den Chor am Flügel.
Restkarten gibt es für zehn Euro an der Abendkasse.
Traurig ist das alles, weil mit dem MGV 1881 Bochum-Gerthe auch ein Stück Kulturgut verloren geht. „Eines Tages werden all die schönen Lieder von niemandem mehr gesungen“, meint der stellvertretende Chorleiter Jürgen Scherphausen. Dabei ist die Bewahrung des traditionsreichen Liedguts für die Gerther Sängervereinigung immer eine Herzensangelegenheit gewesen. Das sind Lieder, die vor 20 bis 30 Jahre praktisch in jedem Gasthaus durch die hölzerne Schiebewand geschmettert wurden. Doch gerade bei jüngeren Leuten finden sie heutzutage kaum noch Anklang.
Nachwuchs: Fehlanzeige
So blieben bei den Gerther Sängern alle Anstrengungen, etwas Nachwuchs zu rekrutieren, ohne nennenswerten Erfolg. „Wir haben ja alles versucht“, sagt Jörg Spiecker, mit 59 Jahren der jüngste Sänger in der Runde. „Wir haben Flyer verteilt und sind von Haus zu Haus gelaufen. Wir haben auch moderne Lieder ins Programm mit aufgenommen und Songs von Udo Jürgens gesungen.“ Das Verrückte dabei: „Unsere Konzerte waren immer super besucht, aber dem Chor beitreten wollten am Ende keiner.“
Etwas Hoffnung flammte vor wenigen Jahren auf. Da schloss sich der Gerther Männerchor mit dem MGV Quartettverein Liederborn aus Lütgendortmund zusammen, was die Mitgliederzahlen plötzlich beträchtlich in die Höhe schnellen ließ. Doch die Pandemie hinterließ auch hier ihre Wunden: Viele Mitglieder sprangen ab. Von den letzten elf stammt nur noch einer aus der Nachbarstadt.
Die Sänger sind gute Freunde geworden
Gute Freunde sind sie im Laufe der Jahre geworden, und das große Versprechen gilt: Auch nach ihrer aktiven Zeit im Chor wollen sich die Männer regelmäßig treffen und über alte Zeiten plaudern. So erinnert sich Friedhelm Spiecker (mit 87 Jahren der älteste) noch ganz lebendig daran, wie er 1952 dem Chor beitrat, der damals MGV Harmonie hieß. „Damals gab es sogar zwei Chöre in Gerthe. Mein Bruder hat schon gesungen und hat mich einfach mitgenommen, da war ich gerade 16 Jahre alt.“ Bis heute ist das Singen sein liebstes Hobby, das auch seinen Sohn Jörg begeistert hat.
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Immerhin: Ein kleines Trostpflaster bleibt. Denn die meisten Sänger sind nebenbei noch in anderen Gesangsvereinen aktiv und können der schönen Freizeitbeschäftigung somit also weiter nachgehen. Doch die Sängervereinigung 1881 Bochum-Gerthe ist ab Sonntag Geschichte. Als letzte Zugabe erklingt: „Es wird schon gleich dunkel.“