Sprockhövel. . Nach dem Konzert am Sonntag werden Fahne und Lyra an Heimatverein übergeben. Chorverbands-Präsidentin sieht in der Szene hoffnungsvolle Signale.
Etwas beklommen schauen die Mitglieder des Gemischten Chores Crescendo 1893 dieser Tage auf den kommenden Sonntag: Um 16.30 Uhr werden sie in der Zwiebelturmkirche ein Konzert geben. Soweit nichts Besonderes für einen Gesangsverband, der auf 126 aktive Jahre zurückschaut. Aber es wird diesmal das letzte sein. „Wir sind noch 16 Sängerinnen und Sänger, vier davon über 80 Jahre, es häufen sich Krankheiten – da haben wir unser Ende beschlossen“, berichtet die Vorsitzende Elke Klammt.
Aktion „Haushaltsauflösung“
Im Anschluss startet die Aktion „Haushaltsauflösung“: Die Crescendos übergeben die historische Fahne und die Lyra an den Heimatverein als Sachwalter, für das E-Pianio will man bei der örtlichen Musikschule nachfragen, ob Bedarf bestehe. „Dann ist da noch ein prall gefüllter Notenschrank, bei dem wir noch keine Ahnung haben, was mit ihm geschehen soll“, sagt die 50-Jährige. Ebenso wenig ist geklärt, ob und wo die einzelnen Chormitglieder weitersingen werden. „Wichtig ist uns, nicht wie viele frühere Männergesangvereine unserer Stadt nach Hattingen zu gehen und dort die Szene zu bereichern, sondern bestehende Chöre in Sprockhövel zu verstärken“, betont Klammt.
Chorverbands-Präsidentin hat Hoffnung
„Das Ende vom Crescendo-Chor ist sehr bedauerlich“, sagt Regina van Dinther, Präsidentin des Chorverbandes NRW. „Wir erleben es in letzter Zeit häufiger, dass über hundertjährige Chöre keine neuen Mitglieder mehr finden, um die Tradition fortzusetzen.“ Aber es gebe auch deutliche Zeichen der Hoffnung: „Wenn es sich nicht einrichten lässt, dass sich die verschiedenen Generationen in einem Chor auf gemeinsame Literatur oder Probenzeiten einigen, so ist es immer häufiger Praxis, sich in Gruppen aufzuspalten und dann zum gemeinsamen, vielseitigen Konzert wieder zusammen zu finden“, sagt die frühere Landtagspräsidentin.
Gesangskultur lebt wieder auf
Das Chorsterben sei im übrigen keineswegs ein Indiz für den Niedergang der Gesangskultur. „Zugegeben, durch eine zeitweise schlechte Bildungspolitik fehlen uns zwei bis drei Generationen, die für aktives Singen nicht mehr erreicht werden“, sagt van Dinther. Doch man habe gelernt: „Heute fördern wir das Singen in Kitas und Schulen, Musikpädagogen werden zusätzlich geschult, damit das Singen wieder den früheren, selbstverständlichen Rang in der Gesellschaft erhält. Der Chorverband NRW ist der größte Kulturverband im Bundesland, wir haben mehr Mitglieder als die beiden Volksparteien in NRW zusammen“, so die CDU-Politikerin.
Lieber Projektsingen als dauerhafte Bindung an Chor
Geändertes Freizeitverhalten und die Abneigung vieler, sich an einen Verein zu binden, machen die Mitgliedergewinnung bei Chören schwierig. Regina van Dinther: „Aber wenn man es etwa als Projekt aufzieht, das ein Engagement auf Zeit erfordert, fühlen sich wieder viele Sänger angesprochen.“