Bochum. Kopfschütteln ruft die Ankündigung eines Bahnzulieferers hervor, 200 Leute in Bochum zu entlassen. Denn: Die Firma macht Millionengewinne.
Mit der Ankündigung, seine Produktion von Bremssystemen und Kupplungen ins Ausland zu verlegen, hat Eisenbahnzulieferer Faiveley Transports Bochum, ein Tochterunternehmen des US-amerikanischen Konzerns Wabtec, vor gut einem Jahr einen Großteil seiner Belegschaft in Bochum vor den Kopf gestoßen. 213 von etwa 300 Beschäftigten müssen spätestens Ende 2023 gehen – obwohl das Unternehmen am Standort Millionengewinne einfährt.
8,1 Millionen Euro Gewinn im Jahr 2019
8,1 Millionen Euro Gewinn nach Steuern hat die Bremsen- und Kupplungsproduktion in Bochum 2020 eingebracht. So steht es im Jahresabschluss von Faiveley Transports. Nach neun Millionen Euro ein Jahr zuvor immer noch ein deutlich positives Ergebnis, das vor dem Hintergrund der weltweiten Corona-Pandemie besondere Bedeutung bekommt. Und: Auf diesem Pfad geht es für die Wabtec-Tochter aller Voraussicht nach weiter. Das Jahresergebnis werde 2021 zwar, wie es heißt, „voraussichtlich im höheren einstelligen Millionenbereich negativ sein“; sprich, es gibt Verluste. Als Grund wird die Restrukturierung am neuen Standort genannt. Schon im laufenden Jahr 2022 soll es aber bei einem erneuten Jahresumsatz von etwa 140 Millionen Euro wieder satte Gewinne geben - voraussichtlich im „höheren einstelligen Millionenbereich“.
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Auch die Auftragslage verheißt für die Zukunft offenbar Gutes. Ende 2021 standen Aufträge in Höhe von 197 Millionen Euro in den Büchern. Für das laufende Jahr sollen Aufträge im Wert von 132 Millionen Euro hinzukommen. Die größte Unwägbarkeit seien Materialknappheit und Probleme in den Lieferketten.
Dennoch: „Auch in den nächsten Geschäftsjahren erwartet der Wabtec-Konzern und damit auch die Faiveley Transport Bochum GmbH eine konstante Marktentwicklung für die Bereiche Originalausstattung und Ersatzteilgeschäft“, heißt es im Ausblick. „Durch den hohen Auftragsbestand zum Ende des Geschäftsjahres 2021 in Höhe von EUR 197,2 Mio, insbesondere im Erstausrüstungsgeschäft, sind kurz- bis mittelfristige Umsätze für 2022 und die nachfolgenden Jahre bereits beauftragt.“
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Bochum ist „am wenigsten wettbewerbsfähig“, heißt es
Rätselhaft bleibt daher nicht nur für die Beschäftigten und die Gewerkschaft IG Metall, dass Faiveley nach nur drei Jahren am neuen Standort Bochum, die Firma war erst 2020 aus Witten auf das ehemalige Opel-Gelände Mark 51/7 nach Laer gezogen, die Produktion erneut verlagert. Die Rede ist von gestiegenen Kosten- und Innovationsdruck. Und: „Die strategischen Überlegungen und Kostenanalysen des Konzerns haben ergeben, dass der Standort in Bochum dauerhaft am wenigsten wettbewerbsfähig ist, auch nach dem Umzug aus Witten.“
Das ist umso erstaunlicher, als dass es bei der Grundsteinlegung für den neuen Standort im Februar 2020 noch hieß: „Diese neue Anlage wird den Raum bieten, den wir benötigen, um höchste Produktivitäts- und Qualitätsstandards sowie eine zukunftsorientierte Arbeitsumgebung für unsere Mitarbeiter zu schaffen.“
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Aus Sicht des Beschäftigten sind die genannten Gründe nur vorgeschoben: „Es gibt keinen rationalen Grund für die Aufgabe der Produktion in Bochum“, so die Betriebsratsvorsitzende Tanja zum Dohme. Der beauftragte Gutachter und Wirtschaftswissenschaftler Prof. Heinz-Josef Bontrup (68) habe klar herausgearbeitet, dass Bochum nicht schlechter dastehe als etwa das italienische Werk in Poli. Und doch werde Bochums Produktionsstätte dicht gemacht.
Sozialverträglicher Abbau von 200 „Positionen“
Im Wortlaut des Unternehmens klingt das so: Bis Dezember 2023 werde ein „sozialverträglicher Abbau“ von etwa 200 „Positionen“ durchgeführt. Die Produktion werde verlagert, Verwaltung und Vertrieb sollen in Bochum bleiben. Nach Schätzungen wird es von 2024 an somit noch etwa 90 statt bisher 300 Faiveley-Arbeitsplätze in Bochum geben.
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Teile des Maschinenparks und das Labor werden bereits jetzt an andere Standorte vor allem in Italien, Frankreich, Schweiz und in der Tschechischen Republik verlegt. Auch das ist erstaunlich. Hieß es Anfang 2020 doch: „Für uns ist es wichtig, uns so aufzustellen, dass wir alle unsere Prozesse in der Fertigung, dem Service und dem Vertrieb in einer Immobilie abbilden können und unseren Mitarbeitern und Kunden damit eine langfristige Perspektive bieten können.“