Bochum. Eine Baustelle vor dem eigenen Betrieb ist nervenaufreibend, manchmal sogar geschäftsgefährdend. Hier kommen Entschädigungen in Frage.
Eine Großbaustelle vor der Haustür, die einfach kein Ende nimmt, ist für viele Gewerbetreibende nicht bloß ein Ärgernis, sondern geschäftsgefährdend. Die IHK Mittleres Ruhrgebiet erhält dazu häufig Anfragen von Bochumer Betrieben. Auch gegenüber dieser Redaktion berichten Betroffene immer wieder von nicht verkraftbaren Umsatzeinbußen. Wir haben zusammengefasst, welche Möglichkeiten es gibt, um trotz einer Dauerbaustelle vor dem Ladenlokal durchzuhalten, und in welchen Fällen Entschädigungen in Frage kommen.
Dauerbaustellen in Bochum: Diese Optionen bestehen für Gewerbetreibende
„Grundsätzlich sind Baustellen aus unserer Sicht natürlich ein positives Zeichen für Investitionen in den Erhalt, die Verbesserung und den Ausbau unserer Infrastruktur“, schickt Sven Frohwein, Sprecher der hiesigen IHK vorneweg. Sicher. Doch so sinnvoll und langfristig fruchtbar eine Straßensanierung auch ist, so langwierig und im schlimmsten Fall existenzgefährdend kann die Baumaßnahme in den Jahren bis zur Fertigstellung sein. Das beklagt beispielsweise Jochen Schlunz, der seit dem Beginn einer Großbaustelle vor der Tür seiner Metzgerei in Weitmar „rund 50 Prozent weniger Umsatz“ einfährt.
Wann kommen Entschädigungen in Betracht?
Wenn es durch die Baustelle an Schäden am Gebäude kommt, können Schadensersatzansprüche aufgrund der Eigentumsverletzung – beispielsweise nach Paragraf 823 Absatz 1 und Paragraf 839 Absatz 1 BGB – bestehen. Auch der Eigentumsschutz nach Artikel 14 Grundgesetz kommt in Frage, führt die IHK aus. „Hier wird ,geschützt’, was unmittelbar und betriebsbezogen in Mitleidenschaft gezogen wird (etwa gekapptes Stromkabel/ Stromausfall).“
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Die Baustelle vor der Tür lässt die Umsätze einbrechen. Welche Entschädigungsansprüche bestehen?
Nur in Einzelfällen haben Entschädigungsanträge Erfolg. Grundsätzlich geht der Gesetzgeber davon aus, „dass ein wirtschaftlich ,gesundes’ Unternehmen Rücklagen für den Fall eines Umsatzrückgangs durch eine Baustelle gebildet hat, erläutert der IHK-Sprecher. „Bloße Gewinn- oder Umsatzschancen oder deren Rückgang werden nicht geschützt oder können nicht geltend gemacht werden.“ Im Einzellfall kann ein Unternehmen entschädigt werden, wenn es „komplett vom öffentlichen Wegenetz“ abgeschnitten wird. Ein Entschädigungsanspruch ergibt sich möglicherweise aus Paragraf 20 Absatz 8 des Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen „Es gibt also Ansatzpunkte für Entschädigungsansprüche, aber es kommt immer auf die Bewertung des konkreten Einzelfalls an“, fasst Frohwein zusammen.
Wie viele Entschädigungsanträge sind zuletzt bei der Stadt eingegangen?
„In den letzten zwölf Monaten hatten wir fünf Anfragen, wobei nur für zwei Unternehmen ein Antrag eingereicht wurde“, informiert der Stadtsprecher Peter van Dyk. Mit den restlichen drei Gewerbetreibenden habe die Stadt über die einzureichenden Dokumente kommuniziert, ein Antrag wurde nicht eingereicht.
Stadt Bochum zahlte Entschädigungen aufgrund des U-Bahn-Baus
Wann hat die Stadt Entschädigungen gezahlt?
„Nur beim U-Bahn-Bau wurde von der Stadt Bochum an die betroffenen Gewerbetreibenden eine Entschädigung gezahlt“, gibt van Dyk an. Das hänge insbesondere mit der sogenannten „reduzierten Opfergrenze“ zusammen – eine rechtliche Voraussetzung, die „geringer ist, wenn das Bauvorhaben in seiner Verkehrsbedeutung weit über die von Modernisierungsmaßnahmen an einer einzelnen betroffenen Straße hinausreicht, wie etwa beim U-Bahn-Bau oder der tunnelartigen Absenkung von Bundesstraßen“. Hier können Entschädigungen zugesprochen werden, wenn die Baustelle ansonsten für die Betroffenen „unzumutbar“ wäre.
In welcher Höhe wird entschädigt?
Im Falle des Straßen- und Wege-Gesetzes NRW kann eine Entschädigung in Höhe des Betrages beansprucht werden, „der erforderlich ist, um das Fortbestehen des Betriebes bei Anspannung der eigenen Kräfte und unter Berücksichtigung der gegebenen Anpassungsmöglichkeiten zu sichern“. Die Stadt Bochum gibt im Falle des U-Bahn-Baus die Summen und Zeiträume der Zahlung nicht preis, die Daten seien nicht digitalisiert. „Auch sind diese Daten vertraulich und unterliegen dem Datenschutz.“
Abgesehen von Entschädigungsanträgen – was rät die IHK Betrieben?
Die Unternehmen seien in der Pflicht, „sich rechtzeitig über geplante Maßnahmen zu informieren.“ Frohwein empfiehlt: „Vorplanen! Wie sehen die Umsätze aus? Gibt es Rücklagen? Lohnt zum Beispiel eine Finanzierung zur Überbrückung?“ Es sei auch sinnvoll, mit Vermietern über eine reduzierte Miete zu sprechen. Außerdem könnten Unternehmen Baustellen für gezieltes Marketing nutzen, ob durch ein Baustellenfest, Bauzäune als Werbeflächen oder Baustellenrabatte.
IHK: Aktives Baustellenmanagement habe große Wirkung
Laut der IHK kann „aktives Baustellenmanagement“ Beeinträchtigungen abmildern. Wie geht Bochums Baustellenmanagement vor?
Grundsätzlich bemühe sich die Stadt, die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten, und trotz Baustelle möglichst Park- und Haltemöglichkeiten anzubieten. „Eine fußläufige Erreichbarkeit wird nahezu immer aufrecht erhalten“, so van Dyk. Außerdem würden Schilder aufgestellt, die auf die Ladenlokale hinweisen. Bei Problemen würden die Bauleitungen versuchen, den betroffenen Unternehmen vor Ort zu helfen.
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Wie schätzt die IHK Bochums Baustellenmanagement ein?
Laut Sven Frohwein hatte die Stadt das Thema Baustellenmanagement und -marketing schon früh „auf dem Schirm“. Thomas Fründ und später Christoph Funder hätten in dieser Position „sehr gute Arbeit“ geleistet, so die IHK-Einschätzung. „Trotzdem gibt es weiterhin noch Luft nach oben, wenn es um die Koordination von Baustellen geht (vor allem, wenn unterschiedliche Bauträger am Werke sind).“
Über welche Dauerbaustelle gab es die meisten Beschwerden?
„Die zeitliche Länge und die große Anzahl an Gewerbetreibenden an der Hattinger Straße sorgten/ sorgen hier für die meisten Nachfragen und Beschwerden“, so die Stadt.